Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Teenager-Suizide nach „13 Reasons Why“: Wenn den Bedenken Zahle…
> Die Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ hat eine Debatte über den medialen
> Umgang mit Suizid ausgelöst. Nun bestätigt eine Studie die Kritik.
Bild: Problematische Inszenierung: Die Protagonistin erfährt durch ihren Suizi…
Während Serien-Fans aus dem Binge Watchen nicht mehr herauskommen,
entbrennt unter Expert*innen eine Ethikdiskussion. Wir sind im April 2017
und es geht um eine der erfolgreichsten Serien des Streaminganbieters
Netflix: [1][„Tote Mädchen lügen nicht“]. Die US-Serie (im Original „13
Reasons Why“) umfasst mittlerweile zwei Staffeln. Protagonistin ist eine
Teenagerin, die sich das Leben nimmt. Und viele fragen sich, ob so etwas
sein darf: das Thematisieren und das detaillierte Abbilden von
Selbsttötung. Die Befürchtung der Kritiker*innen ist, dass es zu
Nachahmungen unter Jugendlichen kommen könnte.
Eine Studie bekräftigt nun die Bedenken. In den USA sei die Suizidrate bei
Teenagern nach dem Start von „Tote Mädchen Lügen nicht“ tatsächlich
gestiegen, sagen [2][Forscher*innen der Ohio State University College of
Medicine]. Betrachtet wurden dabei Suizide von 10- bis 64-Jährigen,
unterteilt in drei Alterskategorien: 10 bis 17, 18 bis 29 und 30 bis 64
Jahre. Die Erhebung umfasst den Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2017,
also vor und nach dem Erscheinen der ersten Staffel Ende März 2017.
Das Ergebnis: Bei den 10- bis 17-Jährigen kam es zu einem signifikanten
Anstieg der Suizidrate im Monat nach Erscheinen der Serie – und zwar so
stark, dass er laut den Forscher*innen nicht mit normalen statistischen
Schwankungen zu erklären ist. Bei den anderen Altersgruppen war ein solcher
Anstieg nicht zu verzeichnen.
In Medienberichten über das Ergebnis taucht nun vermehrt der Begriff
Werther-Effekt auf. Gemeint ist der kausale Zusammenhang zwischen
Selbsttötungen und ihrer medialen Darstellung. Ältere Studien zeigen
steigende Suizidraten im Zusammenhang mit dem Suizid einer berühmten Person
und der ausführlichen Berichterstattung darüber. Noch stärker ist dieser
Effekt, wenn viele Details über die Umstände bekannt sind.
Anerkennung durch Suizid
Netflix hat bereits eine dritte Staffel von „Tote Mädchen lügen nicht“
angekündigt, die im Juni erscheinen soll. Es wird spekuliert, dass die
Fortsetzung ein weiteres Tabu-Thema behandeln soll. Die Befürchtung von
Jugendschützer*innen, suizidgefährdete Jugendliche könnten sich mit der
Protagonistin identifizieren, sind nun also durch die Studie bestärkt
worden.
Letztlich geht es aber nicht nur darum, ob, sondern wie das Thema Suizid
für Jugendliche aufbereitet wird. Dass Thematisieren nötig ist, darauf hat
kürzlich der [3][Caritasverband hingewiesen, und eine größere öffentliche
Debatte rund um Suizid gefordert]. Denn der sei bei Menschen unter 25 die
zweithäufigste Todesursache.
Problematisch in der Netflix-Produktion ist nämlich nicht vorrangig das
Abbilden von Suizid, sondern die Entwicklung der Hauptfigur. Beide bisher
erschienenen Staffeln erzählen die Geschichte von Hannah Baker rückwirkend,
spielen also zu der Zeit, in der die Protagonistin schon tot ist. Die ganze
Schule spricht über Hannah, die Aufmerksamkeit und rückwirkende Anerkennung
der Schüler*innen ist ihr sicher. Auch in den Rückblicken wird Hannah als
klug, selbstbewusst und hübsch inszeniert. In der zweiten Staffel tritt die
Protagonistin als Geist in Erscheinung, kann also das Verhalten ihrer
Mitschüler*innen beobachten und kommentieren.
Die Darstellung der Figur und der Reaktion der Hinterbliebenen ist dabei im
Hinblick auf die Botschaft der Serie fast bedenklicher als der Suizid an
sich. Die Selbsttötung der Hannah Baker bewirkt ein Empowerment, das eine
gefährliche Schlussfolgerung zulässt: Suizid führt zu Beliebtheit und
Anerkennung.
Hinweis: Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem.
Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0
111 oder 08 00/111 0 222) oder [4][www.telefonseelsorge.de] besuchen.
9 May 2019
## LINKS
[1] /Netflix-Serie-ueber-Suizid/!5403698
[2] https://www.jaacap.org/article/S0890-8567(19)30288-6/pdf
[3] https://www.caritas.de/fuerprofis/presse/pressemeldungen/das-leben-junger-m…
[4] https://telefonseelsorge.de/
## AUTOREN
Hanna Lohoff
## TAGS
Netflix
Suizid
Jugendschutz
Fernsehen
Medienethik
Suizid
Strafvollzug
Suizid
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bürgerportal „programmbeschwerde.de“: Kummerkasten für die Flimmerkiste
In Deutschland ärgert man sich gerne übers Fernsehen. Das Portal
„programmbeschwerde.de“ verzeichnet jährlich mehr Eingänge. Und wo gehen
die hin?
Berichte über Suizid von Thomas Schäfer: Noch nicht alle haben gelernt
Beim Schreiben über Selbsttötung ist große Sensibilität nötig. Das ist
nicht überall durchgedrungen, zeigt der Fall des hessischen
Finanzministers.
Suizidberatung Online: E-Mails, die Leben retten können
Suizide unter Jugendlichen steigen. Mit einer E-Mail-Beratung der Caritas
wollen Gleichaltrige helfen. Können sie die Generation Smartphone
erreichen?
Berliner Strafvollzug: Isolation als Gefahr
Suizidprävention in Berlins Knästen: Experten fordern vertrauensvolles
Anstaltsklima und „multiprofessionelle“ Verantwortung.
Netflix-Serie über Suizid: Gefährliche Identifikation
Die Netflix-Serie „13 Reasons Why“ erzählt vom Suizid einer Schülerin –…
erntet dafür Kritik. Kann Popkultur über Selbsttötung aufklären?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.