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# taz.de -- Bürgerportal „programmbeschwerde.de“: Kummerkasten für die Fl…
> In Deutschland ärgert man sich gerne übers Fernsehen. Das Portal
> „programmbeschwerde.de“ verzeichnet jährlich mehr Eingänge. Und wo gehen
> die hin?
Bild: Für den Jugendschutz sind Hinweise aufmerksamer Zuschauer*innen wichtig.…
„Train Your Baby Like a Dog“ – „trainieren Sie Ihr Baby wie einen Hund�…
Schon der Titel dieser [1][RTL]-Sendung führte im Januar zu
Entrüstungsstürmen. Auf dem Portal „programmbeschwerde.de“ gingen über 6…
Hinweise entsetzter Zuschauer*innen ein. Schon 2020 verzeichnete das
Portal für Kritik am TV-Programm einen Rekord: 25 Prozent mehr Beschwerden
als im Vorjahr waren eingegangen. Die Verantwortlichen sehen darin einen
klaren Hinweis auf die „gestiegene Sensibilität für Medieninhalte“ sowie,
da schieben sie gleich eine zweite Schlussfolgerung hinterher, für „die
Bedeutung regulatorischen Handelns“.
Die Webseite [2][programmbeschwerde.de] nennt sich die „zentrale digitale
Anlaufstelle aller 14 Medienanstalten“. Ein „Bürgerportal“, wo „potenz…
Verstöße gegen Jugendschutz-, Werbe- und Gewinnspielrichtlinien“ gemeldet
werden können, oder auch „unangebrachte Inhalte im privaten und
öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie in Online-Angeboten“.
Kurios: Von den 2.613 Beschwerden im Jahr 2020 entfiel über die Hälfte auf
öffentlich-rechtliche Sender, für welche die Betreiber des Portals
eigentlich nicht zuständig sind. Das sind nämlich [3][die
Landesmedienanstalten] – und die sollen nur Inhalte privater Anbieter
überwachen. Das Bürgerportal selbst fällt sowieso keine Entscheidung
darüber, ob und inwieweit Beschwerden gerechtfertigt sind. Es leitet erst
mal nur weiter.
So auch bei „Train Your Baby Like a Dog“. Aktuell ermittelt die
niedersächsische Landesmedienanstalt, die für RTL zuständig ist. Sie sieht
bei „Train Your Baby Like a Dog“ einen „Anfangsverdacht für einen Versto…
gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag“ sowie die „Verletzung der
Menschenwürde“ und wird „den Fall“ zur Prüfung der Kommission für
Jugendmedienschutz vorlegen, eine gesonderte Behörde der
Landesmedienanstalten. Aber wie stichhaltig sind die Tadel?
Beschwerdezahlen sagen wenig über Qualität oder Mängel der deutschen
Medienlandschaft aus. „Wir haben immer wieder Beschwerden über die
Bewerbung von Sexspielzeug im Tagesprogramm“, berichtet Ina Goedert,
Abteilungsleiterin Content, Jugendschutz und Medienforschung bei der
Landesmedienanstalt Saarland, die für das Bürgerportal zuständig ist.
## Unklare Zuständigkeiten
Verstöße wurden aber noch nie festgestellt, wenn [4][Amorelie und Co.] im
TV ihre Erotikprodukte anpreisen. Auch die regelmäßigen Hinweise von
älteren Zuschauer*innen, die Hintergrundmusik sei generell zu laut, könnten
kaum als Missstände gewertet werden. „Das Portal wurde als zentrale
Anlaufstelle gegründet – es gibt für jedes Bundesland eine zuständige
Landesmedienanstalt, und auch bei ARD sowie ZDF müssten Zuständigkeiten
geklärt werden“, sagt Goedert. „Diese Fragen wollten wir den Bürgerinnen
und Bürgern abnehmen.“
Tatsächlich bietet jede Aufsichtsbehörde eigene Onlineformulare, um auf
Verstöße hinzuweisen. Aber Laien dürften kaum nachvollziehen können, warum
etwa die zuständige Behörde für einen nordrhein-westfälischen Sender wie
RTL in Niedersachsen sitzt. Auch ARD und ZDF bieten eigene Möglichkeiten
für Beschwerden. Beim Googlen der Begriffe „TV“ und „Beschwerde“, ersc…
tatsächlich an erster Stelle „programmbeschwerde.de“. Da kann es dann schon
mal vorkommen, dass auch Plakatwerbung in die Schusslinie gerät, was
wiederum an den Werberat weitergeleitet wird.
Die Landesmedienanstalten jedenfalls stehen immer wieder in der Diskussion,
ihre Zuständigkeiten ungefragt auszuweiten. Parallel dazu entzündet sich
regelmäßig Kritik an ihrer aufwendigen föderalen Struktur, die in einer
internationalen Medienlandschaft vielen nicht mehr zeitgemäß scheint.
Finanziert werden sie von den Beitragszahlenden. Knapp 2 Prozent der
Rundfunkbeiträge gehen an sie. 2019 waren das rund 105 Millionen Euro.
Die Höhe der Einnahmen der Landesmedienanstalten, deren Verwendung und die
automatische Teilhabe an Erhöhungen des Rundfunkbeitrags wurden wiederholt
kritisiert, unter anderem von den Rechnungshöfen sowie der Kommission zur
Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Der pensionierte
Justiziar des Hessischen Rundfunks Jürgen Betz, ebenfalls ein Kritiker,
hält programmbeschwerde.de zwar nicht für überflüssig, sieht aber auch
keine besonders wichtige Funktion: „Es ist eine zentrale Durchlaufstation
für Kritik aller Art – mehr nicht.“
23 Mar 2021
## LINKS
[1] /RTL/!t5024820
[2] http://www.programmbeschwerde.de
[3] /Landesmedienanstalt/!t5660910
[4] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5543376
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Fernsehen
Landesmedienanstalt
Jugendschutz
Schwerpunkt Coronavirus
Jugendschutz
Netflix
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