# taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Mogsch Moscht, mogsch mi! | |
> Der Fruchstsaft Most ist aus der Mode gekommen. Aber warum eigentlich? Zu | |
> Besuch in einem Streuobstparadies in Baden-Württemberg. | |
Bild: Streuobstwiesen liefern Äpfel und Birnen für die Mostherstellung | |
„Komm, wir gehen wieder“, flüstert mir mein Begleiter ins Ohr. „Hier sind | |
wir die Schönsten.“ Tatsächlich ist nur der Stammtisch mit drei vor sich | |
hin starrenden grobschlächtigen Männern besetzt, die Bedienung hat das | |
„Grüß Gott“ geschäftig überhört, ein Schäferhund stellt sich bellend … | |
Weg. | |
Holzstühle mit Herzchen, schwere Holztische, eine Bank beim weißen | |
Kachelofen – nicht nur die Einrichtung des [1][Rössle in Lerchenberg im | |
Kreis Göppingen] ist rustikal. Das Rössle ist eine traditionelle Käs- oder | |
Moschtwirtschaft – Backstoikäs, Wurst und Moscht fürs Vesper –, die läng… | |
zum Landgasthof mutiert ist. Zum Glück lässt sich mein verunsicherter | |
Begleiter überzeugen: Es lohnt sich zu bleiben. Unbedingt. Ich liebe Most! | |
Most ist ein reines Naturprodukt und enthält natürliche Fruchtsäure, | |
Vitamin C und Mineralstoffe, wie Kalium, Kalzium und Magnesium. Ein | |
erfrischendes Getränk und gesund, sieht man über die mindestens fünf | |
Prozent Alkohol großzügig hinweg: appetitanregend, verdauungsfördernd, | |
kreislaufstützend, cholesterinsenkend und krebshemmend sowie kalorienarm. | |
Doch Most ist aus der Mode gekommen. In Zeiten der Weinverkostung und | |
-veredelung, der Gourmets, Kenner und Vinotheken kann er mit seiner | |
gradlinigen Blume, dem schnellen Abgang kaum mithalten. | |
## Nachhaltige Landwirtschaft: Eine bedrohte Art | |
Im Rössle in Lerchenberg, am Fuß des Hohenstaufens, geht es beim Essen um | |
die Wurst: selbstgemachte Schinken- und Leberwurst aus der Dose, | |
Wurstsalat, Tellersulz, Metzelsupp, Zwiebelrostbraten, dazu ein köstliches | |
selbstgebackenes Brot. Ein löchriges Bauernbrot mit Kruste und umwerfendem | |
Duft. Die Gastwirtschaft ist eigentlich Anhängsel der Landwirtschaft, von | |
Bauern, die ihren Hof im Nebenerwerb betreiben. Kleinteilige Felder, einige | |
Kühe, Schweine. Eine bedrohte Art, wie auch die Streuobstwiesen. | |
Noch ist Baden-Württemberg mit rund neun Millionen Bäumen das Land mit | |
einem der größten zusammenhängenden Streuobstbestände in Europa. Sie | |
liefern den Rohstoff, Äpfel und Birnen, für den Most. Ein schwäbisches | |
Streuobstparadies. Die Gegend rund um den Hohenstaufen, Rechtberg und Teck | |
ist ein hügeliges Idyll, hervorragend geeignet zum Radfahren und Wandern. | |
Eine Anstrengung, die dann unbedingt mit der Rast in einer „ | |
Mostwirtschaft“ belohnt werden muss. Lerchenberg, Krummwälden, Oberwälden, | |
Pliensbach oder Häringen – bäuerliche Traditionsgaststätten, wo beim noch | |
existierenden Stammtisch der Most fließt. | |
Zwei Liter Most, ein Birnen- und Apfel-Gemisch, saftiger Zwiebelrostbraten | |
und Wurstsalat, drei mal Brot extra, und eine Runde Obstler mit dem | |
inzwischen gesprächigen Stammtisch. Es wird immer gemütlicher im Rössle in | |
Lerchenberg. | |
12 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.xn--rssle-lerchenberg-zzb.de/Oeffnungszeiten-Kontakt/ | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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