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# taz.de -- Die Wahrheit: Bürostuhl-Yoga im Kornkreis
> Immer mehr Lifestyle- und Freizeittrends prägen die Arbeitswelt von
> heute. Die Wahrheit stellt die drei wichtigsten vor.
Bild: Der Trend bei Start-ups geht zum Zweitgummistiefel
## Achtsamkeit
Schreibtische werden nach Feng Shui statt nach DIN ausgerichtet, als
Chatmessenger-Ton dient der Gong einer Klangschale – Achtsamkeit und
Meditationskurse gehören bereits in vielen Unternehmen selbstverständlich
dazu. Mit einigen Vorteilen: Während man andernorts nur in Meetings mal
zwischendurch abschalten kann, lässt es sich in achtsamkeitsinteressierten
Betrieben entspannt auf der Yogamatte powernappen, während die Kollegen
meditieren.
Wer sich auf die Meditation einlässt, lernt, ganz im Hier und Jetzt
anzukommen und seine Sinne zu schärfen. Achtsame Mitarbeiter denken während
der Arbeit nicht an den erlösenden Feierabend oder Jahresurlaub. Sie lernen
stattdessen, sich zum Beispiel auf das Tastaturgeklacker im Großraumbüro
oder das wummernde Vibrieren des Presslufthammers an der Autobahnbaustelle
zu konzentrieren. Weiterer Vorzug: Wer sich selbst beobachtet, muss während
der Arbeit nicht videoüberwacht werden.
Werktätige, die außerdem das Minimalismusprinzip verinnerlicht haben, geben
sich auch in Zeiten des Aufschwungs mit dem Mindestlohn zufrieden. Und sind
nicht Tarifverträge und Kündigungsschutz ohnehin unnötiger Ballast, für den
dank Clean-Desk-Policy im Tiny Office überhaupt gar kein Platz mehr ist?
Noch mehr Awareness am Arbeitsplatz bieten bewusstseinsverändernde Mittel.
Mussten früher vor allem Kokain und Speed für Leistungssteigerung im Beruf
herhalten, trifft es nun auch das bis dato unschuldige LSD. Eingenommen
wird es in sogenannten Mikrodosen, was sich besonders bei einem Horrortrip
im Büro als praktisch erweist. Wenn das Telefonläuten süßlich-vergoren nach
gammligem Obst klingt, ist der Effekt wenigstens nach ein paar Stunden
wieder abgeklungen.
## Tinder-Job-Apps
Damit Personaler und zukünftige Mitarbeiter zusammenfinden, gibt es
Job-Apps, die nach dem Tinder-Prinzip funktionieren. Anders als bei
konventionellen Stellenanzeigen werden hier Unternehmen nicht mit Hunderten
Bewerbungen von Blödmannsgehilfen überhäuft, denen sie dann mühsam einzeln
Standardabsagen und lebenslang Newsletter schicken müssen. Erst nach einem
Match zwischen Arbeitgeber und Bewerber ist eine Kontaktaufnahme überhaupt
möglich.
Aber auch ein solches Match bedeutet nicht automatisch, dass beide das
Gleiche wollen. Jobsuchende möchten meistens was Festes, Firmen neigen
dazu, nach einmal Probearbeiten zu ghosten. Wegen des Fachkräftemangels
passiert dies allerdings auch immer öfter andersherum. Und nicht selten
haben Bewerber gar kein Interesse an einem Job, sondern wollen nur ihre
Attraktivität als Arbeitskraft bestätigt wissen.
Trotz dieser Schwachstellen bietet die App einige Vorzüge: Im Premium-Modus
können Firmen Ex-Mitarbeiter zurückholen, die sie gefeuert hatten. Und
durch eine Kooperation mit den Hamburger Reinigungs-Start-ups „Putzperle“
und „Klarschiff“ bekommen gute Wischer direkt einen passenden Job
angeboten.
## Aufs Land ziehen
Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden Unternehmen, die ihre
Firmenzentralen in die Provinz verlegen. So können sie Mietkosten einsparen
und gleichzeitig ihren Mitarbeitern saubere Luft und einen ablenkungsarmen
Arbeitsplatz im Grünen bieten. Ein erstes Start-up hat sich bereits auf
einem schleswig-holsteinischen Bauernhof niedergelassen. Hier gibt es
ganzjährig regionales Gratisobst. Die Biomilch stammt von Direkterzeugerin
Sieglinde und wird täglich von den Mitarbeitern in einem allmorgendlichen
Team-Event abgefüllt.
Im zwanglosen Coworking-Space kombiniert man den Kapuzenpulli lässig mit
Gummistiefeln. Den Coffee to go liefert Starbucks jeden Morgen mithilfe von
Uber. Anwohner, die auf ihrem Weg ins Dorf einen Träger mit Kaffeebechern
auf den Schoß nehmen, zahlen nur den halben Fahrpreis.
Beliebt bei Jung und Alt sind besonders die Fuck-up-Nights in der
Jauchegrube. Wenn bis in die Nacht gearbeitet wird und kein Bus mehr fährt,
lädt statt einer Designercouch das gemütliche Heuhotel zu spontanen
Übernachtungen ein. Und gibt es dann doch mal ein Problem, weiß
Feelgood-Manager Bauer Hinnerk immer Rat.
Ein paar Nachteile hat das Konzept der bäuerlichen Start-up-Garage dann
aber doch: Fürs Feierabendbier gibt es nur den „Dorfkrug“, der aber um 22
Uhr schließt; der Hahn kräht nicht um elf, sondern um sechs Uhr morgens;
und Bäuerin Erna hat die flachen Hierarchien noch nicht so ganz
verinnerlicht. Die Gründer des Provinz-Start-ups sind trotzdem
zuversichtlich. Der Öko-Think-Tank im Hinterhof ist ein idealer Inkubator
für das Ausbrüten innovativer Ideen. Bis zum Beta-Bauernhof ist es da nur
eine Frage der Zeit.
10 May 2019
## AUTOREN
Julia Mateus
## TAGS
Lifestyle
Arbeit
Start-ups
Entspannung
Journalismus
Keimzelle
Arbeitslosigkeit
Manager
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