| # taz.de -- Raubkunst in der DDR: Heiße Waren, kalte Quellen | |
| > Das Deutsche Zentrum für Kulturgutverlust stellt in Berlin erste | |
| > Forschungsergebnisse zum Kunstraub in der SBZ und DDR vor. | |
| Bild: Eine goldene Krone unbekannter Herkunft aus dem Bestand des Bereiches Kom… | |
| Einer der wenigen, die sich offensiv gegen den planmäßigen Kunstraub in | |
| Ostdeutschland vom Kriegsende bis zur Wiedervereinigung stemmte, war der | |
| Berliner Bibliothekar und Paläograf Hans Lülfing. 1957 war Lülfing Direktor | |
| der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek geworden. Als im Januar | |
| 1962 das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unter dem Decknamen „Licht“ | |
| in Banken und ehemaligen Finanzinstituten den Inhalt Tausender seit dem | |
| Zweiten Weltkrieg unberührt gebliebener Schließfächer und Tresore | |
| konfiszierte, setzte Lülfing etwas Unglaubliches durch. | |
| Wenigstens historische Handschriften landeten in der Bibliothek unter den | |
| Linden. Mehr als 1.000 andere Objekte, darunter Antiquitäten, Aktien, | |
| Schmuck, Kunstwerke, Porzellan und Besteck, wurde dagegen ohne | |
| Einverständnis der Eigentümer von DDR-Behörden ins Ausland verkauft. | |
| Thomas Widera vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in | |
| Dresden erzählt bei einer Pressekonferenz des Deutschen Zentrums für | |
| Kulturgutverluste im Deutschen Historischen Museum am Dienstagvormittag | |
| sehr plastisch vom Ausmaß und der Skrupellosigkeit des staatlichen | |
| Kunstraubs in der SBZ und der DDR. „Das MfS hat bei der Aktion ‚Licht‘ die | |
| Provenienz vollständig verunklart“, sagt er. | |
| ## Die Aktion „Licht“ war nur ein Beispiel | |
| Vermutlich wurden vor allem die Hinweise auf ehemalige jüdische Eigentümer | |
| gezielt vernichtet – die DDR hatte schließlich den Antifaschismus zur | |
| Staatsdoktrin erhoben. Es hätte mehr als seltsam ausgesehen, wenn dieses | |
| Land ganz offiziell Kulturgüter von Faschismusopfern in den Westen vertickt | |
| hätte. | |
| Das öffentliche Interesse an der Herkunft und [1][Rückgabe von | |
| NS-Raubkunst] und [2][Kulturtransfers aus kolonialer Zeit] ist derzeit | |
| riesig – durch den Fall Gurlitt, die Forderung des französischen | |
| Präsidenten Macron, das künstlerische Erbe Afrikas zu restituieren, und die | |
| Debatten übers Humboldt Forum. Insofern verwundert es nicht, dass das | |
| Auditorium gut besetzt ist, wenn das Zentrum für Kulturgutverluste erste | |
| Forschungsergebnisse zum Kunstraub in der SBZ und DDR vorstellt. | |
| 2015 von Monika Grütters in erster Linie zur Erforschung von NS-Raubkunst | |
| gegründet, kümmert sich das Magdeburger Institut seit 2017 auch um | |
| Kulturgutverluste während der Kolonialzeit und in der SBZ und DDR. Denn die | |
| sogenannte Stasi-Aktion „Licht“ war nur ein Beispiel, wie in der DDR | |
| Privatpersonen enteignet wurden. Kulturobjekte wurden auch von Menschen, | |
| die in den Westen gegangen sind, ohne Entschädigung eingezogen. Durch | |
| Plünderungen während der Bodenreform 1945 bis 1946 kam es ebenfalls zu | |
| Verlusten. Ein Teil der enteigneten Objekte ist in Museen in ganz | |
| Deutschland gewandert, ein anderer an private westdeutsche Händler und | |
| Sammler verkauft worden. | |
| Neben Thomas Widera berichtet vor allem Alexander Sachse vom Museumsverband | |
| Brandenburg eindrücklich von seinem Pilotprojekt, in dem es um kritische | |
| Provenienzen in brandenburgischen Museen geht. Vier davon wurden | |
| untersucht: ein Museum in Eberswalde, eines in Strausberg, eines in | |
| Neuruppin und eines in Frankfurt (Oder). | |
| ## Die ambivalente Rolle der Museumsangestellten | |
| Das Fazit: Auch wenn sich manches Stück heute noch in westdeutschen Museen, | |
| Bibliotheken und Privatsammlungen befinden wird, dürften es vor allem | |
| ostdeutsche Museen sein, in denen sich sehr viel mehr Objekte mit | |
| kritischer Provenienz befinden als vermutet. | |
| Die Museumsangestellten, so Sachse, nahmen in der DDR eine ambivalente | |
| Rolle ein. Viele ließen sich etwa in der Rolle des Gutachters an | |
| Enteignungen von Privatpersonen beteiligen, viele versuchten auf diese | |
| Weise aber auch, Objekte zu bewahren. In den vier untersuchten Museen waren | |
| es zwischen 200 und 1.500 Objekte – also zwischen 1 und 8 Prozent der | |
| Sammlung –, deren Herkunft schwierig ist. Auf Nachfrage bestätigt Sachse, | |
| dass er diese Zahlen für repräsentativ hält. | |
| Es ist erstaunlich, wie wenig dieses Kapitel der deutschen Geschichte 30 | |
| Jahre nach dem Mauerfall aufgearbeitet ist. Die Provenienz vieler Objekte | |
| wird nicht nur aufgrund der gezielten Vernebelung durch die DDR-Behörden | |
| kaum mehr geklärt werden können, so Gilbert Lupfer, wissenschaftlicher | |
| Vorstand des Zentrums Kulturgutverluste: Viele Antragsfristen für | |
| Rückforderungen bei den Ämtern seien längst verjährt. | |
| Anders als bei der NS-Raubkunst gebe es für den staatlichen Kunstraub der | |
| DDR zudem keine Washingtoner Erklärung zur Wiedergutmachungspolitik. | |
| Außerdem vermuten viele ehemalige DDR-Flüchtlinge bis heute nicht, dass | |
| ihre privaten Kulturgegenstände in einem Museum gelandet sein könnten. | |
| 8 May 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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