| # taz.de -- Billy Porter bei der Met Gala: New Yorks High Society kniet nieder | |
| > Kitsch, Stillosigkeit oder Geschmacksverirrung: Das war das Thema der | |
| > diesjährigen Met Gala. Billy Porter stellte dabei alle anderen in den | |
| > Schatten. | |
| Bild: Ließ mit seinem Kostüm die Besucher*innen der Met Gala um Luft ringen: … | |
| Die meisten Menschen sind zu gewöhnlich, als dass sie bei der Met Gala | |
| auftauchen dürften – geschweige denn, dass sie dort alle anderen Gäste in | |
| den Schatten stellen könnten. Ganz anders der Schauspieler und Sänger Billy | |
| Porter. Porter, zu sehen in der Netflix-Serie „Pose“, einer Hommage an die | |
| queere Ballroom-Szene der 80er, außerdem seit über 30 Jahren in Musik und | |
| Theater künstlerisch tätig, ist längst bekannt für extravagante modische | |
| Auftritte. Aber am Montagabend ließ Porter die New Yorker High Society um | |
| Luft ringen. | |
| Der 49-Jährige präsentierte sich in einem goldenen Jumpsuit mit Flügeln im | |
| Cleopatra-Stil und ließ sich dabei auf einer schwarzen Sänfte [1][von sechs | |
| oberkörperfreien, goldmaskierten Männern zu dem hyper-exlusiven Event | |
| tragen]. Der Auftritt stellt noch in den Schatten, was man bereits von der | |
| Met Gala gewohnt ist. | |
| Die Met Gala ist der jährliche Benefizabend des „Costume Institute“, einer | |
| Abteilung des Metropolitan Museum. Dieses Institut, für das | |
| Vogue-Chefredakteurin Anna Wintour Namenspatin ist, fördert die | |
| Kostümbildnerei als Zusammenspiel aus Mode, Handwerkskunst und politischem | |
| Statement. Zu diesem Zweck richtet es jährlich eine verschwenderische Gala | |
| aus. Wer sich das Ticket von 35.000 Euro leisten kann oder [2][genug | |
| Glamour hat], um geladen zu werden, muss sich zunächst eine üppige, | |
| ungeheuerliche Abendgarderobe besorgen. | |
| Denn während selbst in der Haute Couture das Wort „Kostüm“ herabwürdigend | |
| verwendet wird, ist das Kostümieren bei der Met Gala quasi Pflicht, und | |
| zwar zu einem vorgegebenen Thema. | |
| ## Die Geschmacksverirrung zur Kunstform erhoben | |
| Das war in diesem Jahr „camp“ – was nichts mit Zelten zu tun hat, sondern | |
| übersetzt irgendetwas zwischen Kitsch, Stillosigkeit oder | |
| Geschmacksverirrung bedeutet. „Camp“ bezeichnet abwertend die Aufmachung | |
| einer Person, die sich „schick“ kleiden will, sich aber nicht der von der | |
| Upper Class gesetzten Geschmacksgrenzen bewusst ist. Nebenbei schwingt die | |
| Konnotation „tuntig“ mit. | |
| Positiv gedreht ist „camp“ eine Modebewegung, die auf besagte Grenzen | |
| scheißt und die Geschmacksverirrung zur Kunstform erhebt. Für diesen Stil | |
| ist Billy Porter bekannt. Voluminöse Ballkleider, Gehröcke, kecke Hüte und | |
| vor allem grelles Pink – so tritt Porter, der als Bühnendarsteller sonst | |
| nicht gerade im Fokus der Kameras wäre, für gewöhnlich bei roten Teppichen | |
| auf. Und obendrein ist „camp“ das, was die Ballroom-Szene auszeichnet, die | |
| queere Subkultur also, die Porter in der Serie „Pose“ porträtiert. | |
| Aber Porters Inszenierung ist mehr als gefeierte Queerness – sie ist auch | |
| Darstellung selbstermächtigter afroamerikanischer Identität, für die die | |
| antiken ägyptischen Gottkönig*innen bisweilen symbolisch stehen. Porter | |
| bringt alle diese Ebenen zusammen in einem einzigen kurzen | |
| Red-Carpet-Moment. Aus Sicht der weißen Modewelt vollendet kitschig, | |
| vollendet geschmacklos, vollendet falsch – und damit genau so „camp“ wie | |
| nötig. Kommst du damit klar, Anna Wintour? | |
| 8 May 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/2015smetgala/status/1125520824361000961 | |
| [2] /Die-Mode-und-das-Patriarchat/!5574735 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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