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# taz.de -- Oscar-Verleihung in Los Angeles: Kaum Kampf gegen den weißen Mann
> Bei der 91. Verleihung der Academy Awards wurde versucht, den Zeitgeist
> zu umarmen. Die Vorzeichen sahen gut aus – doch geklappt hat es nicht.
Bild: Seine politische Rede war eine wohltuende Ausnahme: Regisseur Spike Lee (…
Wenn die Oscars ein Fahrzeug wären – sie wären ein großes, schwergängiges
Luxusauto. Ein konservatives Vehikel, vielleicht ein 1962er Cadillac, wie
der, in dem Viggo Mortensen als Chauffeur Tony in dem mit dem Oscar für den
„Besten Film“ und das „Beste Drehbuch“ ausgezeichneten Werk [1][„Green
Book“] seinen Chef Mahershala Ali kutschiert. Doch so ein altmodischer
Wagen lässt sich kaum modernisieren. Auch wenn das schon lange versucht
wird.
[2][Die 91. Oscar-Verleihung] bot diesbezüglich eigentlich gute Vorzeichen:
So viele „people of colour“ und verschiedene Gender in der knapp 6.500
Mitglieder starken Akademie, bei den Nominierten und LaudatorInnen wie nie
zuvor; die Idee, die durch Unmengen Werbepausen und zu viele Musikacts
aufgeblasene Zeremonie zu verkürzen; eine Skandalgeschichte um homophobe
Tweets, die den angedachten Moderator Kevin Hart seinen Job kostete; und
die gewachsene [3][#MeToo-Sensibilität der letzten beiden Jahre].
Aber irgendwie blieb der Cadillac in der eingefahrenen Spur, auch wenn er –
wegen der fehlenden Moderation – zügiger fuhr. Kaum ein*e Preisträger*in
wollte, kein*e Presenter*in durfte wirklich politisch werden. Und mit
„Green Book“ hat zudem vor allem ein versöhnlicher, konventioneller Film
gewonnen, der den gesellschaftlich verankerten Rassismus vordergründig
kritisiert – um den weißen Protagonisten hintenrum doch als Retter zu
präsentieren, ganz so, wie es die immer noch größte Gruppe der weißen
männlichen Academy-Mitglieder vielleicht gern hätte.
Ansonsten wurde die Award Ceremony am Sonntag kaum sarkastischer, als es
die Eingangs-Comedy-Routine der Schauspielerin Maya Rudolph, die gemeinsam
mit Amy Pohler und Tina Fey den ersten Preis präsentierte, im klassischen
Saturday-Night-Live-Niveau vormachte: „Keine Angst, Bradley Cooper“, rief
Rudolph dem „Best Actor“-Nominierten zu, der in seiner Rolle als
alkoholkranker Musiker in „A star is born“ einen Bühnen-Fauxpas erlebt,
„nach vier Kindern hab ich mir bei den Golden Globes auch schon
eingepinkelt.“
„BlacKkKlansman“-Regisseur Spike Lees leidenschaftliche „Bestes adaptiert…
Drehbuch“-Dankesrede, die bei den SklavInnen vor 400 Jahren begann, war
eine wohltuende Ausnahme. Und dass Javier Bardem, der den Oscar für den
„Besten fremdsprachigen Film“ an Alfonso Cuarons beispielloses Meisterwerk
„Roma“ vergab und [4][Florian Henckel von Donnersmarcks] Kunsttrivia „Werk
ohne Autor“ damit genauso leer ausgehen ließ wie Pawel Pawlikowskis
großartige Liebesgeschichte „Cold War“, auf Spanisch von „unnötigen Gre…
und Mauern“ sprach, durfte man ebenfalls zart politisch interpretieren.
Allein, deutlicher wurde kaum jemand. Als ob die Filmwelt ein wenig müde
ist, gegen die Ideen des Mannes im Weißen Haus anzukämpfen – und als
Reaktion das Kino eher als Eskapismus denn als politisches Werkzeug nutzt.
Dabei hätten es viele Nominierte hergegeben. [5][Roma, der am Ende drei
Oscars einpackte], ist (trotz Kritik der lateinamerikanischen Community)
ein so persönliches wie politisches Werk: Man kann Cuaron nicht vorwerfen,
die Geschichte einer mexikanischen Ureinwohnerin zu erzählen, auch wenn er
selbst zu der privilegierteren Klasse seines Landes gehört. [6][„Black
Panther“, ausgezeichnet mit drei Oscars], hätte einen spannungsreicheren
Helden vertragen, aber lässt sich genau wie Spike Lees [7][einmal
ausgezeichnetes Biopic „BlacKkKlansman“] als Signal lesen, [8][„Vice“ i…
eine scharfe Parodie].
Der mit vier Oscars, unter anderem für „Bester Hauptdarsteller“
ausgezeichnete [9][„Bohemian Rhapsody“] allerdings, der trotz seiner
musikalischen und darstellerischen Qualität viel Mut-Potential zugunsten
eines Fanstücks vergibt, warf genau wie das seltsam-konservative
Co-Abhängigkeitsdrama „A star is born“ einen Kitschschleier ins Dolby
Theatre. Der sich am Ende mit Alfonso Cuarons couragierter Dankesrede für
den „Beste Regie“-Preis und Olivia Colemans authentischer Freude über ihren
Darstellerinnen-Preis für „The Favourite“ nur kurz hob: Colemans unbändig…
Humor stutzte die opulente US-Branchenveranstaltung immerhin leicht
zurecht.
25 Feb 2019
## LINKS
[1] /Green-Book-von-Peter-Farrely-im-Kino/!5566906
[2] /Oscar-Verleihung-in-Los-Angeles/!5576005
[3] /Debatte-Sexualisierte-Gewalt/!5475042
[4] /Florian-Henckel-von-Donnersmarck/!5575939
[5] /Netflix-Film-Roma-von-Alfonso-Cuaron/!5553610
[6] /Superheldenfilm-Black-Panther/!5484101
[7] /Spike-Lees-neuer-Film-BlacKkKlansman/!5527569
[8] /Kinofilm-Vice--Der-zweite-Mann/!5572089
[9] /Verleihung-der-Golden-Globes-2019/!5563020
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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