# taz.de -- Saison für Straßenmusik beginnt: Das Lied der Straße | |
> Ein Übungsraum, Startplatz zum Ruhm, Problemzone – die Straßen Berlins | |
> sind bei Musikern aus aller Welt begehrt. Man muss sich nur umhören, | |
> jetzt im Frühling. | |
Bild: Weiter ein Leitinstrument auf der Straße: die Gitarre | |
It’s all too beautiful, it’s all too beautiful“, und noch zweimal: „It�… | |
all too beautiful, it’s all too beautiful.“ Alles zu schön. Der Refrain | |
des Sixties-Gassenhauers „Itchycoo Park“ von den Small Faces weht den | |
Passanten auf der Warschauer Straße in Friedrichshain an einem warmen | |
Freitagabend im April entgegen. | |
Der Urheber der Musik nennt sich Ernst. Er trägt Jogginghose und hat sich | |
das Gesicht tätowieren lassen. Er wirkt geschmeichelt, dass man sich für | |
ihn interessiert, bleibt aber misstrauisch. Eigentlich dürfe er hier, wo er | |
sich als Straßenmusiker eingefunden hat – von Friedrichshain aus gesehen | |
noch ein paar Meter vor der Warschauer Brücke –, gar nicht spielen. Zu nah | |
dran an Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er tut es | |
trotzdem, immer wieder mal, unregelmäßig. Stets an dieser Stelle. Probleme | |
habe er noch nie bekommen, und damit das möglichst so bleibt, möchte er | |
lieber nicht so prominent mit Foto und Nachnamen in der Zeitung auftauchen. | |
Ernst benutzt eine elektrische Gitarre, diverse Effektgeräte hat er vor | |
sich ausgebreitet. Er musiziert im Sitzen. Er sei über 60 Jahre alt, habe | |
Arthrose, lange werde er es als Straßenmusiker wohl sowieso nicht mehr | |
machen können. Vor sich hat er einen Notenständer aufgestellt, er spielt | |
tatsächlich nach Noten. „Proben vor Publikum“ nennt er das. Er sitze hier, | |
weil ihm das Freude bereite und nicht des Geldes wegen. Sein Gitarrenkoffer | |
steht trotzdem geöffnet vor ihm, ein paar Münzen liegen bereits darin. | |
## Die Saison beginnt | |
Es ist Frühling und die Saison der Straßenmusik beginnt wieder. Berlin ist | |
eine der beliebtesten Städte Europas für diese Form der öffentlichen | |
Musikdarbietung. Auch im Winter sieht man vereinzelt Straßenmusiker im | |
Freien, doch ihr Treiben verlagert sich in den kalten Monaten des Jahres | |
eher in die U-Bahnhöfe. Jetzt, bei angenehmeren Temperaturen, drängt es sie | |
wieder auf die offenen Plätze. | |
Die beliebtesten Orte sind der Mauerpark, der Alexanderplatz und eben die | |
Ecke rund um die Warschauer Brücke. Der Berliner Musikethnologe Mark | |
Nowakowski, der vor ein paar Jahren eine Studie über Straßenmusik in Berlin | |
verfasst hat, sagt: „Die Stadt ist so toll für Straßenmusiker, weil es so | |
viele Orte gibt, wo man spielen kann.“ Und man könne sich sein Publikum | |
sogar förmlich selbst auswählen. Der eine ist Singer-Songwriter oder | |
klassischer Musiker und stelle sich deswegen lieber auf den Alexanderplatz | |
oder einen Platz an der Museumsinsel, um eine eventuell etwas gediegenere | |
Hörerschaft zu beglücken. Der andere mache was Verrücktes und suche sich | |
eher das Partypublikum an der Warschauer Brücke. „Jeder findet hier seine | |
Nische“, sagt Nowakowski. Ganz Berlin eine einzige große Bühne. | |
Ein Paradies für Straßenmusiker. | |
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieses Paradies manchmal durchaus wie | |
ein undurchdringbarer Dschungel erscheint. | |
Nur ein paar Meter von Straßenmusiker Ernst entfernt, direkt am Eingang zur | |
S-Bahn-Station an der Warschauer Brücke, stehen fünf weitere Musiker und | |
spielen nichts Verrücktes, sondern Rockklassiker. „Nothing Else Matters“ | |
von Metallica etwa, oder „Hotel California“ von den Eagles. Klingt jetzt | |
nicht so spannend, aber die Coversongs haben was. Zwei Gitarren, Bass, | |
einer imitiert das Schlagzeug und klopft auf ein Stück Holz, ein anderer | |
spielt eine Rassel. Die Musik kommt aus einem scheppernden Lautsprecher, | |
was jedem der Songs eine leicht psychedelische Note gibt. | |
## Von Georgien aus auf die Straße | |
Die fünf Musiker kommen aus Georgien und sind erst seit ein paar Tagen in | |
der Stadt. In ihrer Heimat seien sie als [1][Band Zarzma] recht bekannt, | |
sagt Sänger und Gitarrist Giorgi Tsirikidze, in Berlin wollen sie nun | |
dennoch für mindestens zwei Monate sein, um ein wenig Geld auf der Straße | |
zu verdienen. Und, ja, sie hätten auch andere Stücke drauf, Folksongs aus | |
ihrer Heimat etwa, aber bei den allseits bekannten Nummern lande nun mal | |
das meiste Geld im Gitarrenkoffer, so Tsirikidze. | |
Einfach ist so ein Dasein als Vollzeitstraßenmusiker nicht. Zarzma spielen | |
jeden Tag. Sieben Stunden lang ununterbrochen. Oder zumindest „solange die | |
Batterien des Verstärkers durchhalten“, so Tsirikidze. Für | |
Berlin-Sightseeing hatten die fünf bislang überhaupt noch keine Zeit. 200 | |
Euro waren bislang das Maximum, das sie während einer Schicht eingenommen | |
haben. Geteilt durch fünf: Da bleibt für jeden nicht gerade viel übrig. | |
In den ersten Tagen nächtigten sie noch in einem Hostel, eigentlich nicht | |
machbar bei diesem Tagesverdienst. Inzwischen sind sie bei einem Berliner | |
Straßenmusiker untergekommen. Der habe sie einfach alle fünf zu sich | |
eingeladen, sagte: Bleibt, so lange ihr wollt. In der internationalen | |
Gemeinschaft der Straßenmusikszene hilft man sich gegenseitig. | |
## Lebenslust und Lebenskampf | |
Der eine macht Straßenmusik in Berlin aus Spaß, für die anderen ist es eine | |
Profession. „Zwischen Lebenskunst und Lebenskampf“, so lautet dann auch der | |
Untertitel der Studie „Straßenmusik in Berlin“ von Mark Nowakowski. | |
So unterschiedlich die Motivation der Musiker ist, sich an die Straße zu | |
stellen, so divers gestalte sich deren „Aufführungskultur ohne Bühne“, so | |
Nowakowski. Studierte Musiker, Dilettanten, reisende Abenteurer und | |
Musiker, die fast nur in Berlin auftreten – die Straßenmusikszene sei | |
ziemlich divers, sagt er. Wenn man es aber unbedingt einfacher haben | |
möchte: „Männlich, zwischen 20 und 30 Jahre alt, spielt Gitarre und singt | |
dazu, meist auf Englisch, das ist der Durchschnittsstraßenmusiker“, hat | |
Nowakowski herausgefunden. | |
Auf öffentlichen Plätzen entdeckt zu werden, um dann den Weg in die | |
Konzerthallen zu finden, auch dieser Traum lässt sich als Straßenmusiker | |
verfolgen. Straßenmusik als Karrieresprungbrett. Die Kelly Family ist einst | |
schließlich auch als verarmte Truppe durch die Städte gezogen und hat den | |
Hut rumgehen lassen. Maximilian Hecker, den man auch in China und Korea | |
immer noch gern hört, wurde einst entdeckt, als er am Hackeschen Markt für | |
flanierende Touristen spielte. Und die in Berlin lebende Alice Phoebe Lou | |
tritt am Samstag in der riesigen Columbiahalle auf. Bekannt wurde auch sie | |
als Straßenmusikerin. | |
So auch [2][Mary Ocher], eine der inzwischen international bekanntesten | |
Musikerinnen Berlins. Sie zog vor zwölf Jahren von Tel Aviv nach Berlin und | |
trat schon bald an den unterschiedlichsten Orten der Stadt auf öffentlichen | |
Plätzen auf. Auch nachdem sie bereits ihr erstes Album veröffentlicht hatte | |
und erste Club-Gigs spielte. „Du triffst auf unheimlich viele Leute auf der | |
Straße“, sagt sie, „diese kennen dich dann, weil sie dich im Mauerpark | |
gesehen haben, und kommen irgendwann vielleicht zu deinen regulären Shows, | |
laden dich auf Festivals ein oder auf Partys.“ Das Spielen auf der Straße | |
sei für sie außerdem eine „großartige Möglichkeit gewesen, ein Publikum | |
zu erreichen, auch ohne dafür eine große Infrastruktur oder die Hilfe von | |
irgendjemandem zu benötigen“. | |
Verklären oder romantisieren möchte sie ihre Zeit als Straßenmusikerin aber | |
freilich auch nicht. Gerade arbeite sie an einem Comic, der ihr Leben auf | |
Tour und auf der Straße dokumentiert, erzählt sie. In einem Panel werde die | |
reale Begebenheit gezeigt, wie ihr einst beim Spielen auf einem | |
Weihnachtsmarkt auf dem Kurfürstendamm ein Kind auf Anweisung seines Vaters | |
einen zerkauten Kaugummi in den Gitarrenkoffer warf. | |
„Die Straße kann grausam sein“, sagt sie, „du musst lernen, auch mit ein… | |
dir feindlich gesinnten Publikum klarzukommen, mit Betrunkenen, mit | |
gestörten und gewalttätigen Individuen.“ Man erobere als Straßenmusiker mit | |
seinem Mikrofon und seinem Instrument den öffentlichen Raum, sagt sie, und | |
nicht jedem würde das gefallen. Man werde auch schon mal gestoßen. Oder | |
jemand greift nach dem Mikro, „dann musst du schnell genug sein, um dich | |
verteidigen zu können“. | |
## Konfliktzone Mauerpark | |
Dass Straßenmusiker mit ihrem Tun nicht nur Freude bereiten, sondern | |
manchmal das genaue Gegenteil, zeigte in jüngerer Zeit vor allem der | |
Konflikt, der im vergangenen Jahr im Mauerpark entbrannte. Mitten im | |
Hochsommer ging es damit los, dass dort regelmäßig sonntags die Polizei | |
einmarschierte, Straßenmusiker verwarnte, Ordnungsbußen verhängte, | |
vereinzelt sogar Instrumente konfiszierte. Anwohner hatten sich beim | |
Ordnungsamt über zu laute Straßenmusik im Park beschwert, deswegen musste | |
die Polizei tätig werden. Demos für den Erhalt der Musikdarbietungen im | |
Mauerpark wurden veranstaltet, im Winter gab es dann mehrere runde Tische | |
zu der Problematik. Anwohner, Straßenmusiker und die Politik wollten | |
miteinander ins Gespräch kommen. | |
Zig Lösungsvorschläge wurden diskutiert: Straßenmusik am Ruhetag Sonntag | |
ganz verbieten, dafür am Samstag eingeschränkt genehmigen. Sogenannte | |
Lärmmuscheln einrichten – für Straßenmusiker ausgeschriebene Zonen. | |
Schallschutzmaßnahmen. Alles Mögliche wurde durchdekliniert. | |
Die Gesprächsrunden seien ansatzweise durchaus produktiv gewesen, so | |
Alexander Puell, Vorsitzender des Vereins Freunde des Mauerparks, der sich | |
für den Erhalt der Straßenmusik auf dem Gelände einsetzt. Aber am Ende | |
seien sie nicht zielführend gewesen und man sei von einer einvernehmlichen | |
Einigung immer noch weit entfernt. Außerdem habe sich im Verlauf der | |
Gespräche herausgestellt, dass sich eher die Hardliner unter den Anwohnern | |
daran beteiligten, während die Mehrheit wohl gar keine großen Probleme mit | |
der Musik im Park habe. | |
Wie es nun genau weitergehen wird im Mauerpark, soll erst in ein paar Tagen | |
bekannt gegeben werden. Sören Benn von den Linken, Bezirksbürgermeister von | |
Pankow, sagt auf Nachfrage, im Laufe dieser Woche werden die „Regeln für | |
diese Saison“ publik gemacht. Lärmmuscheln oder sonstige aufwendige | |
Lösungen, das könne er bereits sagen, werde es zumindest in diesem Jahr | |
noch nicht geben. Dafür sogenannte Parkmanager, die auch am Wochenende und | |
in den späten Abendstunden stärker als bisher die Einhaltung der Parkregeln | |
– wie auch immer diese für die nächsten Monate aussehen werden – | |
kontrollieren sollen. Er wolle sich dann anschauen, wie das läuft, um | |
schließlich gegebenenfalls über weitere Maßnahmen nachzudenken. | |
## Reichlich Auflagen in der Theorie | |
„Die meisten Straßenmusiker kommen gerne nach Berlin, weil hier recht lax | |
mit ihnen umgegangen wird. Anders als etwa in Köln oder München“, so | |
Straßenmusikkenner Mark Nowakowski. In Köln etwa ist seit vergangenem Jahr | |
verstärkte Musik prinzipiell verboten. Und in München müssen Straßenmusiker | |
gar im Rathaus bei einer Art Casting vorspielen, bevor sie in der | |
Fußgängerzone auftreten dürfen. Lizenzen werden gegen eine Gebühr verteilt | |
und selbst die nur in begrenzter Zahl. | |
In Berlin gibt es theoretisch auch zig Auflagen für Straßenmusiker, doch es | |
läuft im Normalfall so, wie Nowakowski sagt: Um die Einhaltung wird sich | |
kaum gekümmert. Straßenmusiker Ernst spielt genau wie die Band Zarzma aus | |
Georgien verstärkte Musik. Ohne eine sogenannte Sondernutzungserlaubnis, | |
für die man zu bezahlen hat, ist das eigentlich nicht gestattet. Aber die | |
haben beide nicht, Georgi Tsirikidze sagt, von so etwas wie einer | |
Sondernutzungserlaubnis habe er noch nie gehört. Seine Band hat wie | |
Straßenmusiker Ernst einen Gitarrenkoffer für Spenden vor sich stehen. | |
Streng genommen ist auch das nach dem Berliner Straßengesetz nicht erlaubt. | |
Länger als eine Stunde darf man auch nirgendwo in Berlin an einer | |
bestimmten Stelle spielen. Doch niemand steht neben der Band Zarzma mit der | |
Stoppuhr und sagt ihr nach ein paar Songs, dass ihre Zeit jetzt um sei. | |
Dieser liberale Umgang mit der Straßenmusik macht die Szene in Berlin so | |
lebendig. Das Problem ist nur, dass die Straßenmusiker, von denen etliche | |
ihre Instrumente verstärken und nicht einmal wissen, dass sie dafür | |
eigentlich eine Genehmigung bräuchten, letztlich keine Rechtssicherheit | |
haben. Und dass ihnen Bußgelder aufgebrummt werden können, wenn es dann | |
doch einmal Beschwerden von Anwohnern gibt. Dann droht das Berliner | |
Laisser-faire zu kippen. So wie im Mauerpark bereits geschehen. | |
Man brauche deswegen bessere Bestimmungen als bisher, findet Laura Hoo von | |
der Organisation [3][Berlin Street Music], die sich für die Belange von | |
Straßenmusikern einsetzt. Laura Hoo, die selbst Straßenmusikerin ist, | |
fordert „transparentere und realitätsnahe Regelungen“. Es gehe schon damit | |
los, dass jeder Bezirk seine eigenen Regeln für Straßenmusik aufstelle. Die | |
Dauer erteilter Sondernutzungserlaubnisse etwa variiere von Bezirk zu | |
Bezirk. Außerdem erteile jeder Bezirk seine eigenen | |
Sondernutzungserlaubnisse, die ausschließlich in seinem Bereich gelten. Von | |
Bezirk zu Bezirk zu ziehen sei einem Straßenmusiker, der ein verstärktes | |
Instrument benutzt, also gar nicht möglich, wenn er dafür nicht einen | |
enormen bürokratischen Aufwand in Kauf nehmen und letztlich richtig viel | |
Geld bezahlen will. Kein Wunder also, dass sich die meisten Straßenmusiker | |
lieber ganz ohne Rechtssicherheit an die Arbeit machen und darauf hoffen, | |
dass schon alles glattgehen wird. | |
„Die unterschiedlichen Regeln in den einzelnen Bezirken sind den meisten | |
Straßenmusikern überhaupt nicht klar“, so Laura Hoo, „und die möglichen | |
Konsequenzen auch nicht.“ Regelmäßig höre sie etwa von Straßenmusikern, | |
deren Instrumente einkassiert wurden. | |
„Immer mehr Straßenmusiker kommen nach Berlin. Auch Hobbymusiker, die jetzt | |
vielleicht nicht so gut sind. Aber alle drehen ihre Verstärker immer | |
lauter“, sagt Laura Hoo. Sie befürchtet, dass es in Zukunft an noch viel | |
mehr Orten in der Stadt zu Situationen kommen könne wie im Mauerpark, wenn | |
die Politik nicht endlich einheitliche, klar einsehbare Regeln für die | |
Straßenmusik in der ganzen Stadt aufstelle. | |
Also vielleicht doch ein wenig Münchner Verhältnisse wagen? | |
Die Berliner BVG, die das öffentliche Musizieren in ihren U-Bahn-Stationen | |
regelt, geht schon etwas in diese Richtung. Ohne eine von ihr erteilte | |
Genehmigung läuft in ihrem Zuständigkeitsbereich für Straßenmusiker gar | |
nichts. | |
## Verwaltungsentgelt pro Spieltag | |
Mittwochmorgen im BVG-Kundenbüro an der Michaelbrücke in Mitte, dort, wo | |
man auch antanzen darf, um ein erhöhtes Beförderungsentgelt zu entrichten, | |
wenn man beim Schwarzfahren erwischt wurde: Gonzalo Pivaral holt sich seine | |
Genehmigung ab, die ihm erlaubt, im Vorraum eines U-Bahnhofs zu musizieren. | |
Für die nächsten zwei Wochen darf er sich die Tage heraussuchen, an denen | |
er in bestimmten U-Bahnhöfen musizieren kann. Alles wird penibel auf seiner | |
Genehmigung notiert. Welches Instrument er spielt, an welchen Tagen genau | |
er wo spielberechtigt ist, die Namen der Personen, die ihn eventuell beim | |
Musizieren begleiten wollen. Pro Spieltag muss er ein sogenanntes | |
Verwaltungsentgelt von 10 Euro entrichten. | |
Es ist bereits zehn Uhr an diesem Mittwoch, in einer Stunde schließt der | |
BVG-Schalter. Ein Aushang informiert: Blechblasinstrumente sind in den | |
U-Bahnhöfen prinzipiell nicht erlaubt. Gonzalo Pivaral hat seine | |
Genehmigung längst, er wartet nur noch auf seinen Freund, der jetzt erst an | |
der Reihe ist am BVG-Schalter. Wie alle Straßenmusiker, die sich hier | |
einfinden, ist auch er bereits seit 6.30 Uhr hier. Denn wie jeden Mittwoch | |
fand auch heute, noch bevor der BVG-Schalter um 7 Uhr öffnete, eine Art | |
Verlosung statt. Ein Konzept, so erklärt er, das sich die Straßenmusiker | |
selbst ausgedacht haben. Für jeden Tag erteilt die BVG nur eine Genehmigung | |
pro U-Bahn-Station. Damit nicht um die besten Plätze gerangelt wird, haben | |
sich die U-Bahn-Straßenmusiker ihre Tombola ausgedacht. | |
Am Schalter der BVG hängt eine Liste, die anzeigt, welche Stationen an | |
welchen Tagen der nächsten zwei Wochen jetzt um 10 Uhr noch zu haben sind. | |
Alexanderplatz und Hallesches Tor beispielsweise: komplett ausgebucht. Für | |
die Weberwiese oder die Altstadt Spandau scheint sich dagegen niemand zu | |
interessieren: alles noch frei. | |
Gonzalo Pivaral hat Auftrittsmöglichkeiten am Walther-Schreiber-Platz und | |
am Halleschen Tor ergattert. Damit ist er zufrieden. Er kommt aus Buenos | |
Aires, ist gerade für ein Jahr in Berlin und spielt zweimal in der Woche | |
Straßenmusik. Mehr muss nicht sein, er hat noch einen Job nebenbei. Er hat | |
Gitarre studiert und spielt Jazz und Folklore. Um die 15 Euro nimmt er in | |
der Stunde durchschnittlich ein, sagt er, „das ist völlig okay“. | |
Im Winter hat er damit begonnen, in Berlins U-Bahnhöfen zu musizieren. „Es | |
war zu kalt, um im Freien zu spielen“, sagt er, „außerdem war hier alles | |
gut geregelt, und ich wollte keine Probleme bekommen.“ Jetzt aber überlegt | |
er, ob er es auch einmal draußen probieren soll. „Es ist verboten, wird | |
aber geduldet“, glaubt er. Er hat eigentlich keine Ahnung, wie es genau | |
läuft mit der Straßenmusik auf den öffentlichen Plätzen. | |
Er weiß nur: Wenn er mit seiner Gitarre die reglementierte Welt der | |
U-Bahnhöfe verlässt, dann wartet ein echtes Abenteuer auf ihn. | |
8 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://de-de.facebook.com/ZarZmA/ | |
[2] http://www.maryocher.com/ | |
[3] https://www.berlinstreetmusic.com/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
## TAGS | |
Straßenmusik | |
Mauerpark | |
BVG | |
Berliner Bezirke | |
Straßenmusik | |
Stadtland | |
Straßenmusik | |
U-Bahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Musizieren im U-Bahnhof: Der Sound der U-Bahn ist zurück | |
Ab kommender Woche dürfen Straßenmusiker:innen wieder auftreten. Die | |
BVG vergibt nach der Corona-Pause Genehmigungen. | |
Straßenmusiker über strenge Regeln: „Du wirst da kriminalisiert“ | |
Als Boxer scheiterte Dirk Schäfer an der Stasi. Und schon zu DDR-Zeiten | |
stand er in Schwerin mit seiner Gitarre auf der Straße. Da befindet er sich | |
heute noch. | |
Berliner Straßenmusikerin im Interview: „Das Ordnungsamt ist der Teufel“ | |
Sie hat sich als Straßenmusikerin in Berlin einen Namen gemacht. Ein | |
Gespräch mit Alice Phoebe Lou übers Überleben als unabhängige Künstlerin. | |
Straßenmusik in Berlin: Mit Gitarre am U-Bahnhof | |
Die BVG erlaubt Straßenmusikanten, an bestimmten Stellen in U-Bahnhöfen | |
aufzutreten. Das kostet 7,40 Euro am Tag. Da spielen nur manche gern mit. |