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# taz.de -- SchülerInnen-Demo in Hamburg: Auf sie mit Gebrüll
> Für unsere Autorin ist Fridays For Future ihre erste Demonstration. Um
> sich genauer umzuschauen, lässt sie sogar ihr Lieblingsseminar sausen.
Bild: Wer mag schon warmes Bier? Eben
Hamburg taz | „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft
klaut!“, rufe ich am 12. April der Stimme aus der Lautsprecheranlage nach,
während wir am Hauptbahnhof in Hamburg vorbei laufen. Gemeinsam mit mehr
als 1.000 Jugendlichen mache ich meinem Ärger über die aktuelle
Klimapolitik der Bundesregierung Luft. Zumindest solange wir sie noch atmen
können, denke ich, und überlege, ob aus [1][„Fridays for Future“] wohl ei…
richtige neue Jugendbewegung wird.
Es ist meine erste richtige Demonstration. Bisher war mir die Uni
wichtiger, als freitags gegen den Klimawandel auf die Straße zu gehen. Doch
das Engagement der anderen Jugendlichen, die schon seit Wochen ihre Demos
machen, begeistert mich. Ich möchte mir ein eigenes Bild von der Situation
machen und wissen, was die Menschen dort antreibt. Dafür lasse ich an
diesem Freitag sogar die erste Hälfte meines Lieblingsseminars ausfallen.
Als ich kurz nach 10 Uhr in Hamburg am Hachmannplatz nahe des
Hauptbahnhofes ankomme, sind schon einzelne Gruppen von jungen Menschen
versammelt. Einige basteln noch an ihren Schildern, andere halten Ausschau
nach ihren Freunden. Ihre Gesichter zeigen die Vorfreude darauf, gleich
gemeinsam durch die Stadt zu ziehen und sich für ihre Zukunft einzusetzen.
Dann laufen wir los Richtung Steindamm. Über die Lautsprecheranlage ruft
jemand eine Parole: „Kohlekonzerne – baggern in der Ferne – Zerstören
unsere Umwelt – nur für ’nen Batzen Geld.“ Die Menge kennt den Text und
wiederholt lautstark Passage für Passage. Auch mich reißt es sofort mit,
„für ’nen Batzen Geld“, rufe ich laut und bin beeindruckt. Wir sind
tatsächlich laut und wir sind viele. Die Stimmung sehr eindrucksvoll, dabei
sind wir sind erst wenige Minuten unterwegs.
## Jugendliche sollen die Kontrolle behalten
Ich spreche einen Schüler an. Joost geht schon seit Januar für das Klima
auf die Straße, doch seine Mitschüler und viele seiner Lehrer reagierten
skeptisch auf die Bewegung. „Fridays for Future sollte in den Händen von
Jugendlichen bleiben“, findet er, „so behalten wir die Kontrolle“. Der
19-Jährige möchte ein Bewusstsein für den Plastikkonsum der Menschen im
Alltag schaffen. An seiner Schule verteilt er Glasflaschen.
Auch Elsa (17), extra aus Kakenstorf bei Buchholz in der Nordheide
angereist, ist schon von Anfang an dabei. Sie würde sich bemühen,
klimafreundlich zu leben, sagt die Schülerin. Sie ernähre sich vegan,
verzichte auf Autofahrten und achte auf einen nachhaltigen Klamottenkonsum.
Der Großteil ihrer Lehrer unterstütze die Freitagsdemonstrationen. An ihrer
Schule gebe es sogar organisierte Diskussionsrunden, „so können wir mit den
Menschen sprechen, die noch nicht von der Bewegung überzeugt sind“, sagt
Elsa. „Alle sollten dahinter stehen.“
Die jungen AktivistInnen fordern unter anderem, die Ziele des Pariser
Klimaabkommens einzuhalten. Dafür schlagen sie eine Steuer für
Treibhausgasemissionen vor. Vor allem Flüge würden dadurch teurer werden,
aber auch Butter.
Die Bewegung scheint stetig zu wachsen. Anfang des Jahres demonstrierten
noch 60 Jugendliche gemeinsam in Hamburg, während sich nun laut NDR mehr
als 1.000 Teilnehmende in der Hansestadt versammeln. Mittlerweile formieren
sich auch weitere Bewegungen wie „Teachers for Future“, „Parents for
Future“ oder „People for Future“, die sich ein Vorbild an den SchülerInn…
nehmen.
Doch Letztere werden wiederum oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie
die Klimakrise nutzen würden, um sich vor der Schulbank zu drücken. Stimmt
das? In Niedersachsen sind heute Ferien, und trotzdem gehen auch dort heute
Schüler und Schülerinnen auf die Straße.
Als wir am Rathausmarkt ankommen, fällt mir auf, wie vielfältig die Gruppe
der Demonstrierenden ist. Ich spreche mit den elfjährigen Lina, Liv und
Jara, die gerade Mathe und Kunst verpassen. Stolz halten die Schülerinnen
ihr Plakat hoch und erzählen, dass sie um ihre Zukunft kämpfen müssen.
Passend dazu ertönt vom Rednerpult: „Wenn uns die Klimakrise egal wäre,
würden wir nicht hier stehen“. Es folgt lautes Gejubel. Auch der 81-jährige
Rentner Erzhard Müller steht vor dem Rathaus und unterstützt gerne die
junge Generation. Denn die Uhr würde ticken und die Umweltkrise kurz vor
dem Kollaps stehen.
## Rentner machen Mut
Während kleine Schneeflocken vom Himmel rieseln, tritt eine ältere Dame ans
Redepult und spricht den Jugendlichen Mut zu: „Mir schlottern die Knie, so
stolz bin ich auf euch“, sagt sie. „Wir haben früher gegen die
Atomkraftwerke demonstriert und haben uns nicht unterkriegen lassen. Nun
sollen sie bald abgeschaltet werden. Ihr könnt so viel erreichen .“
Um zwölf Uhr ist die Demo schon wieder vorbei und die Menge löst sich
langsam auf. Um Müll zu vermeiden, können die Teilnehmenden ihre Schilder
beim Organisationsteam abgegeben, die sie nächste Woche dann wieder
mitbringen.
„Wir werden erst aufhören zu streiken, wenn unsere Forderungen erfüllt
sind“, erklärt der 17-jährige Andreas, der zum Organisationsteam gehört.
Solange würden sie jeden Freitag auf die Straße statt zur Schule gehen, um
die nötige Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu bekommen. Denn es ist noch
Platz am Rathausmarkt.
17 Apr 2019
## LINKS
[1] https://fridaysforfuture.de/
## AUTOREN
Julia Grasmück
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt u24 taz
Schule
Demonstrationen
Mensa
Flugverkehr
psychische Gesundheit
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