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# taz.de -- Schau zu schwarzer Modefotografie: Antastbare Ikonen
> Black Female Power: Der Künstler Theaster Gates feiert in Berlin den Stil
> der ersten afroamerikanischen Modezeitschriften.
Bild: Die Schau will Black Female Power auch außerhalb ihrer eigenen Community…
Direkt gegenüber vom Eingang begrüßt uns die monumental vergrößerte
Fotografie eines Models mit kurzem, schwarzem Sixties Bob. Die Augen der
jungen Frau schauen uns zugleich schüchtern und auffordernd unter dem glatt
gelegten Pony hervor an. Ihre Wimpernkränze werfen Schatten, die wie zwei
Perlen die Außenseiten der Augenpartie akzentuieren. Die frontale
Beleuchtung betont ihre Wangenknochen. Sie bilden zwei Diagonalen, die
gemeinsam mit der geraden Nase den Blick zu den subtil zum Kussmund
geformten Lippen führen.
Das Foto von Moneta Sleet Jr. ist ein zentrales Stück der „Black Image
Corporation“. Die von dem Chicagoer Künstler Theaster Gates konzipierte
Ausstellung ist nun im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. Nach dem
großen Erfolg der Show in der Fondazione Prada in Mailand wird auch hier
mit hohen BesucherInnenzahlen gerechnet. In drei Räumen werden
Modefotografien, Covers der US-amerikanischen Magazine Ebony und Jet und
ein Video gezeigt. Einige simple kuratorische Kniffe laden zum Mitmachen
ein. Das beschriebene Porträt spricht gleich zu Anfang deutlich aus, was
hier gefeiert wird: schwarze, weibliche Identität und Schönheit.
Die Magazine Ebony und Jet, gegründet 1945 und 1951 von John H. Johnson,
stehen in der Ausstellung stellvertretend für diese Identität, schließlich
bildeten sie die erste breite Medienplattform für afroamerikanische Mode
und Lifestyle. Abseits von kriminalisierenden, rassistischen Kontexten fand
sich die afroamerikanische Bevölkerung kaum öffentlich dargestellt. In
Ebony dagegen wurden monatlich positive, selbstbewusste Bilder gezeigt und
zum ersten Mal Mode und Produkte mit schwarzen Models beworben. Auf
Ebony-Titelseiten wurden Fashion und Stars stets mit relevanten Fragen
verbunden. Auf Ausgaben von 1969 und 1970 hieß es: „Why blacks kill
blacks“, „Are black americans welcome in Africa?“, aber auch „New caree…
for women“ oder „The natural look – is he here to stay?“
## Ikonische Bilder
Nach Abgang des Publizisten Johnson wurde das kleine Wochenblatt Jet 2014
eingestellt. Ebony erscheint zwar weiterhin monatlich, doch nicht mehr im
Rahmen der Johnson Publishing Group, die kürzlich aufgelöst wurde. Das
Archiv dieses Pressehauses nutzte nun Künstler Theaster Gates als Material
für eine neue Beschäftigung mit diesen identitätsstiftenden Medien. Für die
Ausstellung wählte er vor allem die ikonischen Modebilder der beiden
Fotografen Moneta Sleet Jr. und Isaac Sutton aus. Beide arbeiteten
jahrzehntelang für Ebony und stehen in ihrer Geschichte selbst für das
Aufstreben gegen den Rassismus in den USA. So gewann Sleet 1969 für seine
Fotografie von Coretta Scott King bei der Beerdigung von Martin Luther King
als erster Afroamerikaner den Pulitzerpreis.
Abseits seiner in Chicago sehr erfolgreichen sozialen Urbanistikprojekte
erlebt Theaster Gates seit einigen Jahren auch international einen
Durchbruch. Er ist Installations- und Konzeptkünstler, Maler, Architekt,
Töpfer und Musiker in seiner Band „The Black Monks of Mississippi“. Auch
„The Black Image Corporation“ verbindet verschiedene Zugänge und zeigt so
ihre aktuelle Relevanz.
Denn der hier betonte Blick in die Vergangenheit ist kein rein
historischer. Gates schaut eher, welche der damals formulierten Versprechen
und Hoffnungen an die Gesellschaft heute noch unerfüllt sind und womöglich
ein neues Potenzial aufweisen. Gates findet, jetzt sei ein guter Zeitpunkt,
um die Black Female Power auch außerhalb ihrer eigenen Community zu
zelebrieren. Denn obwohl sich in der Mode- und Kunstwelt viel bewegt in
Sachen Kolonialismuskritik, Diskriminierung und Körperbilder: Dieser große
Teil des „visuellen Lexikons der USA“ ist den meisten EuropäerInnen noch
unbekannt. Gates nutzt die Schönheit der Ebony-Models, um ihren immer noch
unterrepräsentierten Status zu hinterfragen und Kontakt zu schaffen zu den
Schönheitsikonen der schwarzen Kultur.
## Vor Beginn des Shootings
Nur zehn der 122 ausgestellten Bilder hängen klassisch als großformatige
Abzüge an den Wänden. Zahlreiche veröffentlichte und unveröffentlichte
Fotos aus dem Ebony-Kosmos füllen vier Holzschränke und können vom Publikum
herausgenommen und selbst neu angeordnet werden. Auf diese Weise kann es
passieren, dass der Vollkommenheit des zentralen Porträts plötzlich ein
Bild desselben Models gegenübersteht, jedoch kurz vor Beginn des
offiziellen Shootings, mit breitem Lächeln und Lockenwicklern. Im nächsten
der drei Räume steht ein von unten beleuchteter Tisch, auf dem Bögen von
Negativen untersucht werden können. Auch hier taucht die junge Frau mit dem
kurzen Bob wieder auf. Die einzelnen Shots zeigen sie in der Vorbereitung
und Findung der finalen Pose. Mehrere Shots sind mit Häkchen als gelungen
markiert, und wir sind eingeladen, die Entscheidung der MagazinmacherInnen
zu überdenken.
Das Foto- und Magazinarchiv der Johnson Publishing Group steht zurzeit zum
Verkauf. Gates sorgt sich womöglich auch um dieses kulturelle Erbe, welches
viel weniger Aufmerksamkeit bekommt, als es bei vergleichbaren US-Medien
wie Life oder Magnum der Fall wäre. Die verhältnismäßig kleine,
unscheinbare Ausstellung weist mit simplen Mitteln wirksam auf Probleme und
Potenziale von Geschichte und visueller Kultur hin.
7 May 2019
## AUTOREN
Zora Schiffer
## TAGS
Modefotografie
Afroamerikaner
Museen in Berlin
US-Kunst
Ethnologie
zeitgenössische Kunst
Stefanie Sargnagel
Franz Schubert
Mode
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