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# taz.de -- Auferstanden oder aufgestanden?: Am dritten Tag stand Jesus auf
> War Jesus vielleicht nur ohnmächtig? Der Historiker Johannes Fried beruft
> sich in seinem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ auf die Unfallchirurgie.
Bild: War Jesus nach der Kreuzigung tot oder nur ohnmächtig? Diese Frage hat s…
Seit den Tagen von Kaiser Napoleon wird in Notre-Dame die Dornenkrone Jesu
aufbewahrt, die neben dem Kreuz eines der wichtigsten Symbole der Passion
Christi ist. [1][Als die Kathedrale vor einigen Tagen brannte], konnte die
Dornenkrone gerettet werden.
Jeder dritte Mensch auf dem Planeten gehört einer christlichen Konfession
oder Sekte an. Sosehr sich die Vorstellungen der Kirchen, der Gemeinden und
der Gläubigen unterscheiden mögen, ist ihnen doch ein wesentlicher
Glaubensinhalt gemein. Sie sind davon überzeugt, dass Jesus in Jerusalem
gekreuzigt wurde und starb. Am dritten Tage aber wurde der Sohn Gottes
wieder zum Leben erweckt und nahm so die Auferstehung aller Gerechten am
Jüngsten Tag vorweg. Am Ostersonntag werden die Gläubigen unter den fast
zweieinhalb Milliarden Christen seine Auferstehung feiern.
Was aber, wenn Jesus gar nicht am Kreuz gestorben ist? Was, wenn er nur für
tot gehalten und in ein Höhlengrab gebracht wurde, wo er am dritten Tage
wieder aufstand? Ebendiese These plausibel zu machen versucht das bei C. H.
Beck erschienene Büchlein „Kein Tod auf Golgatha“, in dem sich Johannes
Fried auf die „Suche nach dem überlebenden Jesus“ macht. Der vielfach
ausgezeichnete Professor emeritus für Mittelalterliche Geschichte berichtet
im Vorwort davon, wie ihm der Biologe Volker Storch eines Tages einen
wissenschaftlichen Artikel in die Hand drückte, der ihn „aufs Höchste
beunruhigte“.
Was das für ein Artikel war, muss sich der Leser etwas mühsam im
Fußnotenapparat erschließen. Er stammt von Maximilian Ledochowski und
Dietmar Fuchs, erschien 2014 in der Zeitschrift Biologie in unserer Zeit
und trägt den Titel: „Ist Jesus am Kreuz gestorben oder rettete der
Lanzenstich zufällig sein Leben?“ Johannes Fried beruft sich für seine
These, dass Jesus nicht am Kreuz starb, vor allem auf dort dargelegte
Erkenntnisse der modernen Unfallchirurgie und auf die Passionsgeschichte
des Evangelisten Johannes. Beide ergänzen sich wie die Teile eines Puzzles.
Fried hält Johannes, den Lieblingsjünger Jesu, für einen Augenzeugen der
Kreuzigung, weil seinen Bericht nüchtern beschriebene Details auszeichnen,
die in keinem anderen Evangelium zu finden sind.
## Lebensrettende Punktierung der Pleura
Bei Johannes heißt es: „Weil Rüsttag war und die Körper während des Sabba…
nicht am Kreuz bleiben sollten, baten die Juden Pilatus, man möge ihnen die
Beine zerschlagen und sie dann abnehmen. Also kamen die Soldaten und
zerschlugen dem ersten die Beine, dann dem andern, der mit ihm gekreuzigt
worden war. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war,
zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit
der Lanze in seine Seite und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“
Verletzungen des Brustkorbs, etwa Rippenbrüche, die Jesus angesichts der
Folterungen durch römische Soldaten erlitten haben könnte, lassen ein
Gemisch aus Blut und Wasser entstehen, das sich in der Pleurahöhle rund um
die Lungenflügel sammelt. Das kann die Lungenflügel „so weit
zusammenpressen, dass das Kohlendioxid nicht mehr abgeatmet werden kann.
Das Serum muss abgelassen werden, sonst stirbt der Patient“, fasst Fried
zusammen und ergänzt, dass ein unverletzter Lungenflügel eine flache Atmung
ermöglichen kann. Eine lebensrettende Punktierung der Pleura, die der
Unfallchirurg vornimmt, könnte jener römische Soldat herbeigeführt haben,
der mit seinem Speer Jesu rechte Seite öffnete, aus der laut Johannes Blut
und Wasser floss.
Dennoch dürfte die verzögerte Sauerstoffzufuhr eine anhaltende Ohnmacht zur
Folge gehabt haben, was den Zuschauern und Soldaten den Eindruck vermittelt
haben könnte, Jesus sei tot. Die Kreuzigung ist eine besonders brutale und
qualvolle Art der Hinrichtung. Sie kann sich über viele Stunden, mitunter
Tage hinziehen. Laut Bericht des Evangelisten Markus soll sich Pilatus
verwundert gezeigt haben über das schnelle Sterben des Jesus, dessen Tod
die Soldaten bereits nach sechs Stunden feststellten.
Unter anderem um die Überlieferung erklären zu können, dass Jesus von den
Toten auferstand, dass er Mensch und Gott zugleich war, entwickelten
christliche Denker die Idee der Dreifaltigkeit Gottes – Vater, Sohn und
Heiliger Geist. Sie widerspruchsfrei zu begründen hat die christlichen
Philosophen seit jeher vor erhebliche Probleme gestellt. Thomas von Aquin
behauptete, er habe die Dogmen philosophisch begründen können. Einige
seiner Kollegen im 13. Jahrhundert bestritten das, die Inquisition schritt
ein.
## Er erholte sich und stand wieder auf
Manche protestantischen Theologen stellen die Idee der leiblichen
Auferstehung von Jesus in Frage. Dass Jesus auf Golgatha starb, zweifeln
auch sie nicht an. Schon in den vergangenen Jahrtausenden haben immer
wieder Skeptiker, die nicht an die Auferstehung glauben wollten, die
Erzählung vom leeren Grab als Hirngespinst und Metapher dargestellt. Dabei
gibt es keinen Grund, gerade diesen Teil der Überlieferung infrage zu
stellen. Man brachte den unter Juden zwar umstrittenen, aber von den Römern
zum Tod verurteilten Rabbi noch vor Beginn des Schabbat in ein Grab, wie es
die Riten vorsahen und wie man es auch mit anderen Opfern der Kreuzigung
tat.
„Josef aus Arimathäa war ein Jünger Jesu, aber aus Furcht vor den Juden nur
im Verborgenen“, heißt es bei Johannes. „Er bat Pilatus, den Leichnam Jesu
abnehmen zu dürfen, und Pilatus erlaubte es. Also kam er und nahm den
Leichnam ab. Es kam auch Nikodemus, der früher einmal Jesus bei Nacht
aufgesucht hatte. Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa
hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit
Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen
Begräbnis Sitte ist. An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein
Garten und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet
worden war. Wegen des Rüsttages der Juden und weil das Grab in der Nähe
lag, setzten sie Jesus dort bei.“ Am Sonntag, dem ersten Tag der jüdischen
Woche, begegnete Maria von Magdala Jesus am Grab, berichtet Johannes. Sie
erkannte ihn zuerst nicht und hielt ihn für einen Gärtner.
Das Schöne an Johannes Frieds Indizienkette ist nun, dass sie so einfach
und plausibel erklären kann, warum das Grab leer war: Jesus wurde von den
Römern gekreuzigt, fiel wegen einer Verletzung des Brustkorbs in ein
CO2-Koma, wurde durch eine unbeabsichtigte Pleuradrainage gerettet, aber
wegen anhaltender Ohnmacht für tot erachtet, mit heilenden Kräutern
behandelt, in Tücher gewickelt und in eine Grabhöhle gelegt. Er erholte
sich und stand wieder auf.
Um zu beantworten, was Jesus dann getan haben könnte, stellt Fried weitere
Hypothesen auf. Er folgt dabei Hinweisen aus den Evangelien und anderen
Quellen. Jesus war vom römischen Staat verurteilt und hingerichtet worden.
Er hatte möglicherweise im Verdacht gestanden, mit den Zeloten zu
sympathisieren, die gegen die römische Herrschaft kämpften, was Jahrzehnte
später zum Jüdischen Krieg und zur Zerstörung des Tempels in Jerusalem
führte. Jesus konnte nicht in Jerusalem bleiben. Er könnte sich kurz in den
Städten der Dekapolis aufgehalten haben, auch in Tiberias. Möglicherweise
ging er für einige Jahre nach Ägypten. Vielleicht wanderte er nach
Mesopotamien oder gar bis nach Indien.
21 Apr 2019
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## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
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