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# taz.de -- Die Wahrheit: Warum Frauen nicht dirigieren können
> Natürlich darf sich auch das weibliche Geschlecht gelegentlich an
> Instrumenten ausprobieren. Aber sind Frauen stark genug für den Jazz?
In einem fernen Land vor langer Zeit wurde ein kleiner Junge dabei
beobachtet, wie er heimlich mit dem Fuß zur Musik wippte. Umgehend wurden
die nötigen Konsequenzen eingeleitet und ein großer Stein an seinem Fuß
befestigt. Die verweichlichte Kunst der Musik ist schließlich nichts für
Jungs!
Bald jedoch wurde der Junge bei dem Versuch erwischt, mit dem anderen Fuß
zu wippen, während er einem Konzert der Red Hot Pipperinen lauschte. Als er
aber durch die Straßen der Stadt hüpfte und von Ferne Musik hörte, kam ihm
eine Idee.
In einer kleinen Seitengasse, machte er vor einem staubigen Fenster halt,
in dem er sein Spiegelbild sehen konnte. Dann begann er im Takt der Musik
seine Arme zu schwingen. Schon bald hatte der Junge ein kleines Orchester
um sich herum versammelt. Als die ersten heimlichen Zuhörer um die Ecke
linsten, merkten sie schnell: Der Junge dirigierte ja viel besser als alle
Frauen zusammen!
Folglich wurde der Junge mit Auszeichnungen überhäuft. Nun offenbarten sich
die offensichtlichen Fakten: Wie soll eine Frau denn einen Schlagzeug-Stick
von einem Kochlöffel unterscheiden können, wie kann sie einen Swing-Beat
halten und dabei der Versuchung widerstehen, mit dem Besen den Fußboden zu
reinigen? Wie soll ein Mädchen denn jemals fähig sein, so viel Bier trinken
zu können, dass es so vollkommen in die Tuba blasen kann wie ein Mann? Wie
könnte eine Dame jemals so energisch wie ein Kerl Trompete spielen, trotz
der ständigen Sorge, dass der Lippenstift verschmiert? Und wie zum Henker
soll ein weibliches Wesen ein Orchester leiten, mit einer natürlichen
Autorität, die höchstens darauf angelegt ist, die Mäuse aus der
Speisekammer zu verjagen?
So übernahmen die Männer nach und nach alle Positionen, nur an den Geigen
und bei den Sängern blieben noch ein paar Frauen über – hauptsächlich zu
dem Zweck, gut auszusehen.
Viele Jahre vergingen, und der Junge war ein Greis geworden, der dann auch
bald seinen Platz im Himmel links hinter der Wolke sieben einnahm. Von dort
sah er viele Musikergenerationen kommen und gehen. Doch eines Nachts hatte
er einen eigenartigen Traum: Eine Bienenkönigin setzte eine Revolution in
Gang und forderte, von nun an nur noch selbstkomponiertes Summen bei der
Arbeit zu benutzen.
Alsbald schickte die Königin eine ihrer besten Revoluzzerinnen los in ein
gar nicht so weit entferntes Land, es heißt Deutschland. Kurz darauf wurde
ein Mädchen dabei beobachtet, wie es im 7/8-Takt den Bass zupfte. War das
etwa dieser Jazz? So was hatte man noch nicht gesehen. Die Situation wirkte
so absurd, dass die Leute schleunigst ihre Handy-Kameras zückten, um Doktor
Twitter und Professor Instagram zu informieren.
Der Greis stürzte vor Schreck fast den Himmel herunter. Doch was für ein
dummer Traum, nie würde eine Frau je stark genug sein, Jazz zu spielen.
Lächelnd überließ er den Dingen auf der Erde ihren Gang.
18 Apr 2019
## AUTOREN
Lea Wittkopf
## TAGS
Jazz
Feminismus
Musik
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