Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Kommunalwahl in der Türkei: Wahlklatsche für Erdoğan
> Alle Metropolen sind an die Opposition gegangen. Das trifft die
> Regierungspartie AKP sehr. Es ist wieder spannend geworden in der Türkei.
Bild: Empfindlich getroffen: Dort, wo es wichtig ist, hat Erdoğans AKP verloren
Recep Tayyip Erdoğan, Präsident und Alleinherrscher der Türkei, weiß, wann
er verloren hat. Neben der Hauptstadt Ankara hat seine AK-Partei bei den
gestrigen Wahlen auch die eigentliche Metropole des Landes, Istanbul,
verloren. Bei seiner „Siegesrede“ in der Nacht zu Montag war es Erdoğan
deutlich anzumerken, dass von einem Sieg keine Rede sein kann. Schwer
gezeichnet von den Strapazen der letzten Wochen musste er zugeben, dass er
und seine Partei „viele Herzen“ nicht gewinnen konnten.
Zwar hat die AKP die gestrigen Kommunalwahlen in der Fläche mit 44 Prozent
der Stimmen gewonnen, doch da, wo es darauf ankommt, hat sie verloren. Von
den [1][zehn größten Städten] des Landes gingen fast alle an die
Opposition. Besonders deutlich war der Verlust ausgerechnet in der
Hauptstadt. Ankara, mehr als 25 Jahre fest in der Hand der AKP, ging wieder
zurück an die Republikanische Volkspartei CHP. Der Vorsprung war so
deutlich, dass er nicht vertuscht werden konnte.
Das versuchte die Regierung dagegen in Istanbul. Kurz vor Mitternacht, als
der Vorsprung des AKP-Kandidaten auf knapp 3.000 Stimmen
zusammengeschmolzen war und nur noch die Ergebnisse aus Wahllokalen
fehlten, die zu den Hochburgen der Opposition gehören, wurde die Auszählung
plötzlich abgebrochen und der Regierungskandidat Binali Yıldırım rief sich
selbst zum Sieger aus. Die CHP gab bekannt, dass sie diese Manipulation
nicht auf sich beruhen lassen will. Nach ihrer Zählung hat sie Istanbul mit
einem Vorsprung von knapp 30.000 Stimmen gewonnen.
Am Montagvormittag dann erklärte auch der Chef der Hohen Wahlkommission,
Sadi Güven, dass der Oppositionskandidat in Istanbul in Führung liege. Laut
vorläufigen Ergebnissen habe Ekrem İmamoğlu mit 4.159.650 Stimmen einen
Vorsprung von fast 28.000 Stimmen.
Erdoğan weiß, dass er angeschlagen ist. Sein Aufstieg begann 1994, als er
denkbar knapp die Wahl zum Oberbürgermeister in Istanbul gewann. Auch wenn
die AKP die Niederlage in Istanbul noch verschleiert, sie tut ihre Wirkung.
Trotz massiver Repression, abertausenden von Verhaftungen und über
hunderttausend Entlassungen von Erdoğan-Kritikern aus dem öffentlichen
Dienst ist die [2][Opposition einfach nicht kleinzukriegen]. Noch
deutlicher als bei den letzten fünf Wahlen in den letzten drei Jahren zuvor
hat die entwickelte Türkei entlang der Ägäis und der Mittelmeerküste
Erdoğan und seiner AKP eine Abfuhr erteilt. Das Gleiche gilt für die
kurdischen Gebiete. Obwohl fast sämtliche Bürgermeister der kurdisch-linken
HDP in den letzten Jahren verhaftet und aus dem Amt entfernt wurden, hat
die Bevölkerung wieder HDP-Politiker zu Bürgermeistern gewählt.
Erdoğan wird sich ab jetzt mit einem neuen Selbstbewusstsein der Opposition
konfrontiert sehen, die weiß, dass sie die Metropolen auf ihrer Seite hat.
Es könnte sein, dass ihm bald auch im eigenen Lager Konkurrenz
entgegenschlägt. In der Türkei ist es wieder spannend geworden.
1 Apr 2019
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-der-Tuerkei/!5565688
[2] /Kommunalwahlen-in-der-Tuerkei/!5580301
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Türkei
Schwerpunkt AKP
Recep Tayyip Erdoğan
HDP
Präsidentschaftswahl in der Türkei
Türkei
Türkei
Istanbul
taz.gazete
Türkei
Opposition in der Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Wahlen in Istanbul: Erdoğans Eigentor
Die Wahlkommision hat den Wahlsieg der Opposition in Istanbul für nichtig
erklärt – auf Anweisung des türkischen Staatschefs Erdoğan.
Kommentar Türkei: Eisiger Frühling
Präsident Erdoğan erfuhr bei den türkischen Kommunalwahlen eine bittere
Niederlage. Den Erfolg der Opposition wird er sabotieren.
Kommunalwahl in der Türkei: AKP sabotiert Erfolge der Opposition
Fünf kurdische Bürgermeister haben bei der Kommunalwahl gewonnen. Jetzt
sollen sie aber ihr Amt nicht antreten dürfen.
Kommunalwahl in Istanbul: Säkular und solide
Ekrem İmamoğlu wird wohl Bürgermeister von Istanbul. Der 49-Jährige ist
kein Parteiideologe, sondern ein pragmatischer Lokalpolitiker.
Kommunalwahl in der Türkei: Die Opposition meldet sich zurück
Es war nur eine Kommunalwahl, doch für Erdoğan ist ihr Ausgang fatal: Die
AKP verliert neben Ankara auch die Wirtschaftsmetropole Istanbul.
Kommunalwahl in der Türkei: Die Opposition meldet sich zurück
Es war nur eine Kommunalwahl, doch für Erdoğan ist ihr Ausgang fatal: Die
AKP verliert neben Ankara auch die Wirtschaftsmetropole Istanbul.
Kommunalwahlen in der Türkei: AKP verliert Ankara, Istanbul unklar
Bei den Kommunalwahlen hat die AKP die Hauptstadt Ankara verloren. In
Istanbul haben sich zwei Kandidaten gleichzeitig zum Sieger erklärt.
Kommunalwahlen in der Türkei: Die Angst der Regierung
Präsident Erdoğan hat den Wahlkampf für die Kommunalwahlen in der Türkei am
Sonntag zur Chefsache erklärt. Warum?
Wirtschaft in der Türkei: Ende des Booms
Erstmals seit 2009 steckt die Türkei in einer Rezession. Cem Özdemir
fordert, für Geschäfte mit dem Land keine Hermesbürgschaften mehr zu
erteilen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.