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# taz.de -- Kommentar Wahlen in Istanbul: Erdoğans Eigentor
> Die Wahlkommision hat den Wahlsieg der Opposition in Istanbul für nichtig
> erklärt – auf Anweisung des türkischen Staatschefs Erdoğan.
Bild: Entsetzt: Ein Anhänger des Republikanischen Volkspartei nach der Annulie…
Sie haben es getan. Nach langem Zögern hat sich am Ende doch die Gier nach
Macht und Geld gegen die Vernunft durchgesetzt und auf Anweisung von Recep
Tayyip Erdoğan die [1][zentrale Wahlkommission] der Türkei am Montagabend
den Sieg der Opposition bei den Kommunalwahlen in Istanbul für nichtig
erklärt. Erdoğan hat damit eine letzte Grenze überschritten. Konnte in der
Türkei schon lange nicht mehr von fairen Wahlen gesprochen werden, weil die
Regierung die gesamten Medien kontrollierte und sämtliche staatlichen
Ressourcen für ihre Wahlkämpfe einsetzte, wurde zumindest der Wahlakt
selbst bislang nicht angetastet.
Das ist nun auch vorbei, die letzten demokratischen Kulissen ließ Erdoğan
Montagabend auch noch abräumen. Die Botschaft dieser Entscheidung ist klar:
Wenn ein Wahlergebnis seine Macht und seine materiellen Interessen direkt
bedroht, ist es auch vorbei mit der formalen Demokratie in der Türkei. Die
Willkür dieser Entscheidung ist so offensichtlich, dass sich die derart
genötigte Wahlkommission selbst weigerte das Ergebnis bekannt zu geben und
am Abend fluchtartig die Szene räumte.
Doch wenn es am finstersten ist, ist auch die Rettung nahe. In [2][Ekrem
Imamoğlu,] dem Wahlsieger von Istanbul, ist Erdoğan ein Gegner erwachsen,
der ihm und der restlichen gierigen Garde der AKP noch das Fürchten lehren
wird. In einer historischen Rede vor tausenden Anhängern kündigte Imamoğlu
noch in der Nacht in Istanbul den Widerstand der Opposition und der
Istanbuler Bevölkerung an. Er beklagte nicht nur den Verrat der
Wahlkommission, er machte seinen Anhängern auch erfolgreich Mut, für die
Demokratie in der Türkei einzustehen. Wie man an unzähligen Reaktionen in
den sozialen Medien sehen konnte, gelang es ihm, die drohende Depression
vieler Oppositioneller in eine kämpferische Stimmung zu drehen. Imamoğlu
wächst in der Krise zu einem echten Führer der gesamten Opposition heran.
Doch das ist nicht das einzige Gegentor, dass Erdoğan mit seiner
Entscheidung geschossen hat. Nicht nur die innertürkische, auch die
[3][internationale Reaktion] ist verheerend. Die EU Kommission, das
EU-Parlament, der Europarat, die Bundesregierung und etlichen prominenten
Politikern der Opposition in Deutschland ist klar, dass Erdoğan mit dieser
Entscheidung eine rote Linie überschritten hat, was nicht ohne Konsequenzen
bleiben kann. Die EU-Kommission forderte, die Wahlkommission solle die
Gründe für ihre Entscheidung offenlegen, was nicht passieren wird, weil es
keine plausiblen Gründe gibt. Das wird Erdogan im Westen weiter isolieren.
Daraus folgte bereits unmittelbar eine Entscheidung der westlichen
internationalen Finanzmärkte. Die Türkei ist für Investoren verbrannt. Noch
in der Nacht rutschte der Kurs der Lira erneut ab und liegt jetzt schon
fast wieder im für die türkische Wirtschaft tödlichen Bereich, den sie im
letzten Sommer bei der Auseinandersetzung zwischen Erdoğan und Trump
erreicht hatte. Nur dass die Wirtschaftskrise jetzt viel weiter
fortgeschritten ist. „Mit dieser Entscheidung hat sich Erdoğan selbst in
den Kopf geschossen“, sagte ein bekannter Kolumnist gestern Nacht, „er weiß
es nur noch nicht“.
7 May 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
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