# taz.de -- Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Bestens gelaunter Komiker | |
> Amtsinhaber Petro Poroschenko oder Wladimir Selenski, einer wird | |
> Präsident der Ukraine. Der Ausgang könnte davon abhängen, wen die | |
> Verlierer nun unterstützen. | |
Bild: 31. März 2019: Selenski beim Bad in der Menge | |
Kiew dpa | Politik-Neuling gegen Amtsinhaber: Die in die EU strebende | |
Ukraine muss bei einer Stichwahl über ihren neuen Präsidenten entscheiden. | |
Der Komiker Wladimir Selenski setzte sich zwar laut Prognosen klar als | |
Sieger bei der Präsidentenwahl am Sonntag durch. Der 41-Jährige verfehlte | |
aber die absolute Mehrheit. Er muss deshalb in eine Stichwahl mit | |
Amtsinhaber Petro Poroschenko. Beide stehen für eine klare | |
West-Orientierung der Ukraine. Die Stichwahl ist voraussichtlich am | |
Ostersonntag (21. April). | |
Der Schauspieler Selenski kam nach Wahlnachbefragungen auf rund 30 Prozent | |
der Stimmen. Poroschenko landete bei nur 17,8 Prozent. Aussagekräftige | |
Wahlergebnisse wurden im Laufe der Nacht zum Montag erwartet. Der | |
Machtkampf zwischen dem Komiker und dem „Schokozar“, wie Poroschenko wegen | |
seines Süßwarenimperiums genannt wird, dürfte spannend werden. Beide Seiten | |
werben um die Wähler der unterlegenen Lager. | |
Poroschenkos erbitterte Gegnerin, die Ex-Regierungschefin Julia | |
Timoschenko, landete laut Prognosen mit 14,2 Prozent der Stimmen auf dem | |
dritten Platz. | |
Umfragen hatten Selenski im ersten und im zweiten Wahlgang als Sieger | |
gesehen. Er spielt in der populären Fernsehserie „Sluha narodu“ – Diener | |
des Volkes – seit Jahren einen bodenständigen und ehrlichen Präsidenten. | |
Dabei prangert er etwa die Korruption an. In der Ex-Sowjetrepublik ist der | |
Frust bei vielen Menschen über fehlende Fortschritte groß. | |
Die rund 30 Millionen Wahlberechtigten konnten unter 39 Kandidaten wählen. | |
So viele Bewerber gab es noch nie bei einer Abstimmung über den mächtigsten | |
Posten in dem Land. Der Wahlsonntag verlief weitgehend ruhig. Vereinzelt | |
gab es Vorwürfe der Manipulation. | |
## Donezk und Luhansk nahmen nicht teil | |
Die von Russland unterstützten abtrünnigen Regionen Donezk und Luhansk im | |
Kriegsgebiet Donbass nahmen nicht an der Abstimmung teil. Die | |
Sicherheitsvorkehrungen waren landesweit hoch. Zehntausende Einsatzkräfte | |
waren abgestellt, um Zwischenfälle zu verhindern. | |
Der Urnengang galt als großer Stimmungstest nach den proeuropäischen | |
Protesten auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, vor fünf | |
Jahren. Der Aufstand, bei dem mehr als 100 Menschen starben, führte 2014 | |
zum Machtwechsel. Damals hatte der superreiche Unternehmer Poroschenko nach | |
dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch im ersten Wahlgang mit rund 55 | |
Prozent der Stimmen gewonnen. Viele Menschen werfen Poroschenko heute vor, | |
den Krieg nicht beendet und mit seiner Politik die Armut noch verschärft zu | |
haben. Rund 13 000 Menschen sind im Kriegsgebiet Donbass gestorben. | |
In der ukrainischen Hauptstadt gaben die Menschen bei sonnigem | |
Frühlingswetter ihre Stimme ab. Manche hatten mit dem 80 Zentimeter langen | |
Stimmzettel zu kämpfen, wie Reporter der Deutschen Presse-Agentur | |
beobachteten. Die Wahlbeteiligung lag um 15.00 Uhr Ortszeit (1400 MESZ) bei | |
rund 45 Prozent, wie die Kommission mitteilte. | |
## Unerfahrenheit, Planlosigkeit und Populismus? | |
Der Komiker Selenski zeigte sich bestens gelaunt. „Wir sind ein | |
demokratisches Land. Je mehr Kandidaten, umso besser. Das bedeutet mehr | |
Demokratie“, sagte er bei der Stimmabgabe. Selenski kam mit seiner Frau | |
Jelena ins Wahllokal, wo sich Dutzende Journalisten um den Kandidaten | |
drängten. „Heute beginnt ein neues Leben – ohne Korruption, ohne | |
Schmiergeld.“ Kritiker werfen dem Komiker politische Unerfahrenheit, | |
Planlosigkeit und Populismus vor. | |
Von einer Schicksalswahl sprach Poroschenko in Begleitung seiner Frau, | |
seiner Kinder und eines Enkels. „Diese Wahl ist eine absolute | |
Grundvoraussetzung für unsere Bewegung vorwärts, zu unserer Mitgliedschaft | |
in EU und Nato“, sagte er. Poroschenko und Selenski hatten vorab auch | |
erklärt, sie wollten die territoriale Unversehrtheit der Ukraine | |
wiederherstellen. Neben den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und | |
Luhansk wollen sie auch die von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel | |
Krim wieder unter ukrainische Hoheit stellen. | |
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) | |
überwachte die Wahl mit Hunderten Beobachtern. Die OSZE hatte sich im | |
Vorfeld unter anderem besorgt wegen der Sicherheitslage auch für | |
Journalisten gezeigt. Mehrere ausländische Korrespondenten durften nicht | |
einreisen, darunter auch Reporter aus EU-Staaten. Russland hatte ein | |
Einreiseverbot für seine Wahlbeobachter verurteilt. | |
31 Mar 2019 | |
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