Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fünf Jahre nach der Krim-Annexion: Auf der Krim wird’s eng
> Während Andersdenkende auf der Krim über Repressionen klagen, feiern
> prorussische Bewohner den Jahrestag des Anschlusses an Russland.
Bild: Ein Grund zum Feiern: Putin-Anhänger am Freitag in Simferopol auf der Kr…
Krim taz | Im Zentrum der Kleinstadt Belogorsk, rund 40 Kilometer entfernt
von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, geht es belebter zu als sonst. Vor
dem Büro des Ablegers der russischen Regierungspartei Einiges Russland
verschenkt deren lokaler Chef Igor Ipatko Russlandfahnen an die
Vorbeieilenden. Die gibt es aber nur unter einer Bedingung: Dass die Leute
die Flaggen auch wirklich an ihre Häuser hängen. Viele können es kaum
erwarten, die Trikolore in die Hand zu bekommen. Die umstehenden Gebäude
sind herausgeputzt, ihre Fassaden frisch gestrichen. Darauf prangen
Losungen wie: „Die Krim ist Russland!“
Dieser Tage wird der fünfte Jahrestag dessen gefeiert, was die einen eine
völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland, die anderen einen
freiwilligen Beitritt nennen. Ein Krimtatare, der auf einem Markt seine
Waren feilbietet, lässt an seiner Sicht der Dinge keinen Zweifel: „Wann“,
fragt er und senkt die Stimme, „wird die Krim wieder nach Hause kommen, in
die Ukraine?“
Besonders Angehörige dieser Minderheit, die nach ihrer Deportation in den
40er Jahren unter Josef Stalin erst ein halbes Jahrhundert später in ihren
angestammten Lebensraum zurückkehren durften, leiden unter Repressionen und
systematischer Verfolgung durch die russische Staatsmacht. Die erklärte die
Vertretung der Tataren, die Medschlis, im vergangenen Jahr zu einer
verbotenen Organisation. Die beiden wichtigsten Repräsentanten, Refat
Schubarow und Mustafa Dschemilew, leben heute in Kiew, weil sie nicht mehr
auf die Krim reisen dürfen.
Der Chef der russischen Regierung auf der Krim, Sergei Aksjonow, verkündete
vor drei Monaten, dass die hauptsächliche Terrorgefahr unter anderem von
der international agierenden islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir
ausgehe. Wegen angeblicher Beteiligung an deren Aktivitäten wurden auf der
Krim rund zwei Dutzend Tataren festgenommen. Jedoch gab es in den
vergangenen Jahren keinen einzigen Anschlag.
## Aktivisten unter Druck
Im Zentrum von Belogorsk erhebt sich eine große Moschee. Sie wurde von dem
Geschäftsmann Resul Weliljajew gebaut. Nach Razzien in seinen Betrieben
wurde er im Sommer 2018 festgenommen und sitzt seit einem halben Jahr im
Moskauer Lefortowo-Gefängnis. Er soll, so der Vorwurf, mit abgelaufenen
Lebensmitteln gehandelt haben. Menschenrechtler vermuten einen anderen
Grund: Weliljajews Engagement für die von krimtatarischen Aktivisten
gegründete Stiftung „Unsere Kinder“. Sie unterstützt Verwandte von
politischen Gefangenen, von denen es mehr als 100 auf der Krim gibt.
Doch nicht nur Aktivisten und Mäzene sind unter Druck. Am 11. Dezember 2018
kam der Rechtsanwalt Emil Kurbedinow, der politische Gefangene vertritt,
nach fünftägigem Arrest wieder frei. Vor zwei Jahren hatte er schon einmal
zehn Tage eingesessen. In beiden Fällen lautete der Vorwurf Extremismus.
Kurbedinow hält die Strafen für einen Versuch, ihn einzuschüchtern und dazu
zu bringen, seine Mandate für politische Gefangene niederzulegen.
Beobachter glauben, dass die russische Staatsmacht nicht nur die
anwaltliche Tätigkeit von Kurbedinow beunruhigt. Mehrfach hat er auch auf
internationalen Foren wie der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Menschenrechtsverletzungen auf der Krim
öffentlich gemacht. Angaben des krimtatarischen Aktivisten Risa Asanow
zufolge sind 32 Tataren als politische Gefangene auf der Krim inhaftiert.
16 Tataren sind verschwunden oder wurden getötet.
Bei der Unterdrückung Andersdenkender auf der Krim leistet Moskau ganze
Arbeit. Im vergangenen Jahr erwischte es das Ukrainische Kulturzentrum.
Zwei Mitarbeiter waren gezwungen, nach Verhören durch den russische
Inlandsgeheimdienst FSB und Durchsuchungen ihrer Wohnungen die Krim zu
verlassen.
Die Arbeit des Instituts ist praktisch zum Erliegen gekommen: Es hat weder
ein Gebäude noch Ressourcen. Übrig geblieben sind lediglich
Informationsbulletins in Form einer kleinen Zeitung, die monatlich in
ukrainischer Sprache erscheint.
Repressionen gegen Andersdenkende spiegeln sich auch in der
Presselandschaft wider. Die Mehrheit unabhängiger und oppositioneller
Medien ist mittlerweile geschlossen. „Auf der Krim führen leider nicht nur
russische Sicherheitskräfte einen Kampf gegen Andersdenkende, sondern auch
die dortige russische Führung. Die Freiheit des Wortes wird unterdrückt.
Nur noch in den sozialen Medien können Aktivisten und Blogger die
Staatsmacht kritisieren. Dafür wurden bereits einige Blogger vor Gericht
gestellt, weil sie durch ihre Veröffentlichungen einen moralischen Schaden
angerichtet haben sollen“, sagt der Leiter einer Bürgerbewegung „Freie
Krim“, Vitali Chumutow.
Die Bewegung sei in diesem Jahr gegründet worden, um sich für
Pressefreiheit, Demokratie und liberale Werte einzusetzen. Die
staatstragenden Medien versuchten mit Propaganda und Manipulation, den
Krimbewohnern eine ihnen genehme Position aufzuzwingen.
„Deshalb müssen wir unseren Leuten eine alternative Meinung anbieten. Das
ist wichtig, um die Grundlagen von Demokratie und Transparenz zu bewahren“,
sagt Chumutow. Die Medienpropaganda trage Früchte. „Blogger und Aktivisten
sehen sich als Vaterlandsverräter abgestempelt. Das erschwert ihre Arbeit
enorm, weil die pro-russischen Teile der Gesellschaft auf der Krim ihnen
feindlich gesinnt sind“, sagt Chumutow.
## Strafen an der Tagesordnung
Seine ganz eigenen Erfahrungen mit Kritik an den Machthabern hat auch Oleg
Zubkow gemacht, der auf der Krim mehrere Tierparks betreibt. Für ihn sind
Überprüfungen und Strafen an der Tagesordnung. Mehrere Verfahren gegen ihn
sind anhängig. Innerhalb von vier Jahren hat er mehr als 300
Gerichtsterminen beigewohnt.
„Ich weiß, dass Sergei Aksjonow persönlich dahinter steckt. Ich bin
unentwegt damit beschäftigt, Angriffe abzuwehren. Meine Schweinezucht wurde
zerstört unter dem Vorwand, die Tiere müssten wegen Schweinegrippe in
Quarantäne. Die Behörden haben den Supermärkten verboten, mir abgelaufene
Lebensmittel zu überlassen – Futter für 3.000 meiner Tiere. So läuft das�…
erzählt Zubkow.
Als die Krim noch von der Ukraine regiert wurde, nahm Zubkow mehrere neue
Projekte in Angriff. Doch seine Pläne wurden von den russischen Machthabern
zunichte gemacht. Das betrifft auch den Park „Weißer Felsen“, der damals zu
achtzig Prozent fertiggestellt war und jetzt ungenutzt vor sich hin
gammelt.
Zubkow glaubt, dass dies der Preis für seine Kritik an der russischen
Regierung auf der Krim ist. „2014 habe ich die Rückkehr der Krim in den
heimatlichen Hafen unterstützt. Ich dachte, dass wir in die Heimat
zurückkehren“, sagt er. „In Wahrheit sind wir jedoch in Gefangenschaft
geraten.“
Aus dem Russischen von Barbara Oertel
18 Mar 2019
## AUTOREN
Viktor Hoffmann
## TAGS
Russland
Ukraine
Wladimir Putin
Krim
Krim-Annexion
Ukraine-Krim-Krise
Ukraine
Ukraine
Ukraine
Asowsches Meer
Ukraine
DHL
## ARTIKEL ZUM THEMA
Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Bestens gelaunter Komiker
Amtsinhaber Petro Poroschenko oder Wladimir Selenski, einer wird Präsident
der Ukraine. Der Ausgang könnte davon abhängen, wen die Verlierer nun
unterstützen.
Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Sie haben keine Stimme
Viele ukrainische Wähler kommen nicht an die Orte, wo sie in den Wahllisten
stehen. Grund ist der Krieg mit Russland und die Annexion der Krim.
Vor den Wahlen in der Ukraine: Da hört der Spaß auf
Am Sonntag geht es um die Zukunft der Ukraine. Armut und Krieg prägen das
Land. Und was passiert? Ein Komiker führt in allen Umfragen.
Ukraine-Russland-Konflikt: Russland startet Hafenblockade
Die Zufahrt zu den ukrainischen Häfen Mariupol und Berdjansk ist blockiert.
Russische Häfen im Asowschen Meer sind wohl nicht betroffen.
Ukraine und Russland: Konflikt mit Russland spitzt sich zu
Der ukrainische Präsident wirft Moskau vor, Truppen an die Grenze zu
verlegen – und warnt vor einem drohenden Krieg. Trump will ein Treffen mit
Putin absagen.
Geschäfte trotz Russland-Sanktionen: Auf der Krim geht die Post ab
Der teilstaatliche deutsche Logistikkonzern DHL transportiert offenbar
Pakete von der Halbinsel nach Russland. Das ist verboten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.