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# taz.de -- Skurriler Rechtsstreit um Draisinenbahn: Bis vors Bundesverwaltungs…
> Schleswig-Holstein will einer Draisinenbahn auf einer stillgelegten
> Trasse die „eisenbahnunternehmerische Zuverlässigkeit“ absprechen.
Bild: Umwelt- und familienfreundlich durch den Naturpark Lauenburgische Seen: m…
Hamburg taz | Oliver Victor fürchtet um seine Existenzgrundlage. „Wenn ich
den Prozess verliere, muss ich den Laden hier dicht machen“, sagt der
Eigentümer der Erlebnisbahn Ratzeburg im Südosten Schleswig-Holsteins. Am
Donnerstag befindet das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) als höchste
Instanz über das Schicksal dieses „touristischen Leuchtturms“ des Kreises
Herzogtum Lauenburg.
Die 14 Kilometer lange Gleisstrecke auf der einstigen Kaiserbahn (siehe
Kasten) durch den Naturpark Lauenburgische Seen zwischen der Kreisstadt
Ratzeburg und dem Dörfchen Hollenbek an der ehemaligen deutsch-deutschen
Grenze ist die meistbefahrene Draisinenbahn des Landes – und schon bald
womöglich Opfer eines skurril anmutenden Rechtsstreits.
Der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) will Victor die Genehmigung
entziehen, weil dieser auf der Trasse keine Eisenbahnen fahren lässt,
sondern nur Draisinen. Das tut der Touristikunternehmer bereits seit 1999,
als er die Strecke zunächst pachtete und vier Jahre später kaufte. Einen
„Trassensicherungsvertrag“ musste Victor damals unterschreiben: „Ich muss
das wie eine Bahnstrecke instand halten“ – die Gleise natürlich, dazu auch
vier kleine Brücken und mehrere beschrankte Straßenübergänge.
Dafür wurde der Erlebnisbahn Ratzeburg 2009 der Status eines
„Eisenbahninfrastrukturunternehmens“ (EIU) verliehen, der ihr jetzt wieder
aberkannt werden soll und damit auch die Betriebserlaubnis. Denn Victor
betreibt keine Züge und hatte dies auch nie geplant.
Stattdessen verlustieren sich in den Sommermonaten um die 50.000 Menschen
mit mehreren Arten von Draisinen auf der Strecke, vor allem Familien und
Schulklassen. In den drei Bahnhöfen in Ratzeburg, Schmilau und Hollenbek
gibt es diverse Freizeitangebote, Gastronomie und
Übernachtungsmöglichkeiten in Ferienwohnungen, Baumhäusern und
ausrangierten Schlafwagen. An die 50 Leute beschäftigt Victor im Sommer, im
Winterhalbjahr sind es zehn bis zwölf. „Und das steht alles vor dem Aus“,
sagt Victor.
Der LBV sieht das anders. Die Genehmigung als EIU sei unabhängig davon, „ob
die Betreiberin die Strecke behalten und Draisinenfahrten anbieten darf.
Das darf sie“, teilte eine Sprecherin am Montag auf Anfrage der taz
schriftlich mit. Die 2009 erteilte Genehmigung aber müsse „in der Aufnahme
von Eisenbahnverkehren münden“.
Dann aber hätte das Land ihm den Draisinenbetrieb dicht gemacht, wendet
Victor ein. Denn beides zugleich wäre zu gefährlich und gar nicht erlaubt.
Zudem hätte er in eine private Museumsbahn Millionen Euro investieren
müssen. Die Behörde wolle ihn, so glaubt er, zur Aufnahme eines
Zugbetriebes zwingen oder ihm die Strecke wegnehmen. Denn der Vorwurf des
dem Verkehrsministerium unterstehenden LBV lautet, Victor mangele es an der
„eisenbahnunternehmerischen Zuverlässigkeit“, weil er „weiterhin nur
Freizeitaktivitäten“ anbiete.
In der schriftlichen Antwort an die taz erläutert der LBV das wortreich: Es
könne nur dann „von einer eisenbahnunternehmerischen Zuverlässigkeit
ausgegangen werden, wenn die Geschäfte einer Eisenbahn unter Beachtung der
für die Eisenbahnen geltenden Vorschriften geführt werden. Das macht die
Betreiberin nicht, denn sie führt überhaupt keine Geschäfte einer Eisenbahn
und hat das auch in Zukunft nicht vor. Somit kann nicht von der
eisenbahnunternehmerischen Zuverlässigkeit ausgegangen werden“.
„Das ist pure Ignoranz“, sagt Victor, der seit 2012 gegen das Vorgehen des
LBV klagt. In zwei Instanzen vor dem Verwaltungsgericht Schleswig und dem
Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hat er jedoch verloren. Als
„Betreiber einer Eisenbahninfrastruktur“ müsse Victor „die Schienenwege …
betriebssicherem Zustand“ halten, urteilte 2016 das OVG. Offenbar liegt das
formalrechtliche Grundproblem in dem Trassensicherungsvertrag: Ohne ihn
hätte Victor die Strecke nicht bekommen, mit ihm aber wankt das
Geschäftsmodell des Freizeitunternehmers.
Seine Revision wird nun vor dem Bundesgericht in Leipzig verhandelt. Sollte
er verlieren, drohe auch allen anderen Draisinenstrecken bundesweit das
Aus, fürchtet Victor. Denn Urteile des höchsten deutschen
Verwaltungsgerichts haben grundsätzliche Bedeutung. Der LBV hingegen
spricht von „einem Einzelfall“, Auswirkungen auf andere Draisinenbetreiber
seien „nicht anzunehmen“. Allein deshalb, weil „der LBV keine
Zuständigkeiten im Draisinenbereich hat (auch wenn diese auf stillgelegten
Eisenbahnstrecken betrieben werden)“.
Es ist, so will es scheinen, ein Streit um Kaisers Bahn.
10 Apr 2019
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Behörden
Eisenbahn
Schleswig-Holstein
Tourismus
Bundesverwaltungsgericht
Verkehr
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