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# taz.de -- Das Wahrzeichen des Wendlandes: Brücke zu verkaufen
> Sie gilt als ein Wahrzeichen des Wendlands – nun wird die
> Eisenbahn-Brücke, die einst bei Dömitz über die Elbe führte, versteigert.
> Am Ende könnte der Abriss stehen.
Bild: Am Ende womöglich nichts als Stahl und Ziegelsteine: die Dömitzer Bahnb…
Wo die Elbe mit ihren überfluteten Auen hinter Damnatz eine sanfte Biegung
macht, ragen die Reste einer einstmals riesigen Eisenbahnbrücke weit über
den Fluss. Der 140 Jahre alte, am Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörte
Koloss aus Stahl und Beton am westlichen, niedersächsischen Flussufer ist
eines der Wahrzeichen des Wendlands. Unten am Ufer, das ist eine gute
Stelle für Aale, sagen die Angler aus den umliegenden Dörfern. Auch Biber
seien hier schon in der Dämmerung gesichtet worden. Und Tausende, die den
Elberadweg befuhren, haben in den vergangen Jahren an dem wuchtigen
Brückenturm Rast gemacht.
Jetzt kommt die historische Dömitzer Eisenbahnbrücke unter den Hammer. Das
nach dem Städtchen auf der mecklenburgischen Elbseite benannte Bauwerk ist
im aktuellen Winter-Katalog des Berliner Immobilien-Auktionshauses
Karhausen zur Versteigerung ausgeschrieben - mitsamt Bahndamm. Termin für
die Auktion ist der 10. April, 11 Uhr.
Die zwischen 1870 und 1873 errichtete Brücke über die Elbe war mehr als
1.000 Meter lang und nach ihrer Fertigstellung noch für Jahrzehnte die
längste Eisenbahnbrücke des Deutschen Reiches. An der Westseite stand sie
auf 16, an der Ostseite auf vier Pfeilern. Sie wurden durch Fachwerkträger
aus genietetem Stahl mit fast 35 Metern Stützweite überbrückt, wie aus den
alten Bauunterlagen hervorgeht.
Dömitz war bis 1894 die stärkste mecklenburgische Landfestung. Durch die
Eisenbahnbrücke wurden die Linien zum preußischen Dannenberg hin geöffnet,
bei Planung und Bau der Brücke spielten daher auch militärische
Gesichtspunkte eine Rolle. Ein kleiner drehbarer Brückenteil sollte nicht
nur Schiffen die Durchfahrt erleichtern, sondern notfalls auch die
Eisenbahnlinie schnell und wirkungsvoll unterbrechen können. Außerdem
wurden bereits beim Bau in einem der Strompfeiler Sprengkammern angelegt.
Wirtschaftlich erfüllten sich die in die neue Eisenbahnverbindung
Berlin-Buchholz gesetzten Erwartungen nicht: Auf der Strecke gab es
praktisch keinen Fernverkehr. Im Jahr der Eröffnung wurde die Elbbrücke
lediglich von drei Zugpaaren am Tag befahren, auch 1939 rollten gerade
einmal doppelt so viele Züge.
Am 20. April 1945 war Schluss: Fünf US-Jagdbomber zerstörten die Bahnbrücke
- und die wenige hundert Meter weiter über den Fluss führende Straßenbrücke
gleich mit. Die östliche Hälfte der Eisenbahnbrücke stürzte in die Elbe,
die Bruchstelle markierte später die Grenze zwischen DDR und
Bundesrepublik.
Immerhin rund 550 Meter sind die Reste lang, die auf dem niedersächsischen
Flussufer erhalten blieben. Der Bahndamm erstreckt sich vom Brückenkopf auf
einer Länge von fast zwei Kilometern landeinwärts. Auf dem Damm stehen 50
Jahre alte Bäume, insgesamt ist darauf eine Fläche von sieben Hektar
bewaldet. Die Flächen in der Elbaue, auf denen die Brückenpfeiler stehen,
gehören allerdings örtlichen Landwirten.
Die Dömitzer Eisenbahnbrücke samt Damm befindet sich im Besitz der
Deutschen Bahn, genauer: der Tochterfirma DB Mobility Logistics AG. Das
Unternehmen hatte in den vergangenen Jahren versucht, die Brücke zu
verkaufen oder gar zu verschenken, aber kaum jemand hatte Interesse. Nur
einmal, erinnert sich Dannenbergs Samtgemeindedirektor Jürgen Meyer, habe
sich per Telefon potenzielle Kundschaft aus den Niederlanden gemeldet. Die
Anrufer hätten angedeutet, die Brücke gastronomisch nutzen und in den
ausgebauten Kasematten selbst wohnen zu wollen. Doch nach diesem einen
Anruf habe man nie mehr etwas aus Holland gehört.
Auch zögerliche Versuche privater Initiativen, die Brücke wieder
aufzubauen, blieben frühzeitig stecken. Jetzt sucht die Bahn also via
Versteigerung einen neuen Besitzer. Das Mindestgebot hat das Auktionshaus
auf 19.800 Euro festgesetzt. Inhaber Mark Karhausen ist zuversichtlich,
dass die Brücke mehr Geld einbringt. Industrie- und Gewerbe-Immobilien als
Überbleibsel der deutsch-deutschen Teilung sind eine Spezialität des
Hauses: Karhausen brachte schon das ehemalige DDR-Rundfunkgebäude in Berlin
unter den Hammer. Die Dömitzer Eisenbahnbrücke sei ein "Kleinod", sagt der
Auktionator, aus dem sich viel machen lasse.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg sowie die Gemeinden Langendorf und
Dannenberg, auf deren Gebiet die Brückenreste stehen, hoffen, dass der
künftige Besitzer das historische Monument touristisch nutzt. Der
Kreisverwaltung schwebt immer noch vor, dass der Brückenkopf als
Aussichtsplattform gestaltet und dort ein kleines Café eingerichtet wird.
Auch der Bau einer Seilbahn über die Elbe oder das Befahren der Schienen
mit einer Draisine seien denkbar. Kreis und Kommunen können solche Projekte
allerdings nicht einmal mit Bundes- und Landeszuschüssen stemmen. Die
Sanierung des Brückenkomplexes würde Millionen kosten, haben Experten
errechnet. Hinzu kämen hohe laufende Unterhaltskosten.
Der Dannenberger Samtgemeindebürgermeister Meyer wünscht sich gleichwohl
"eine Lösung, die die Brücke der Öffentlichkeit erhält und zugänglich
macht": "Das Mahnmal der Deutschen Teilung und des Zweiten Weltkrieges darf
nicht verschwinden", sagte der Verwaltungschef der Lokalzeitung. Auch aus
Sicht von Langendorfs Bürgermeister Harald Hintzmann ist die Brücke "ein
wichtiges Bauwerk", prägend und touristisch wertvoll. "Sie darf nicht in
die Hände von Leuten gelangen, die sie abreißen wollen - das wäre schlimm."
Schlimm - aber wohl nicht zu verhindern, wenn es der neue Besitzer so will:
Zwar steht die Eisenbahnbrücke unter Denkmalschutz. Doch lässt das
entsprechende Gesetz nach Auskunft von Juristen durchaus die Möglichkeit
zu, ein Objekt abzureißen, wenn ein Erhalt wirtschaftlich nicht zu
vertreten oder sinnvoll ist. Daher könnte - so mutmaßte jüngst die
Elbe-Jeetzel-Zeitung - "die Eisenbahnbrücke auch für Käufer interessant
sein, die es auf den dort verbauten Stahl, die Ziegelsteine und nicht
zuletzt auch auf die 70.000 Quadratmeter Wald auf dem Bahndamm abgesehen
haben".
Die Leute im Wendland sind neugierig, wer am 10. April die Brücke
ersteigert - und zu welchem Preis. Mehrere Kommunalpolitiker aus der Region
haben angekündigt, zur Auktion in die Hauptstadt zu reisen. Selbst
mitbieten wollen sie nicht.
23 Mar 2010
## AUTOREN
Reimar Paul
Reimar Paul
## TAGS
Behörden
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