| # taz.de -- Medienwissenschaftler über Wikipedia: „Ein Zeichen der Solidarit… | |
| > Am Freitag hat die Online-Enzyklopädie mit einem Blackout gegen die | |
| > EU-Urheberrechtsreform protestiert. Warum es dazu kam, erklärt Christian | |
| > Pentzold. | |
| Bild: Der Puzzle-Globus von Wikimedia. Dahinter stehen freiwillige Autor:innen | |
| taz: Wikipedia ist als nicht-kommerzielles Projekt von der | |
| EU-Urheberrechtsreform ausgenommen. Die Plattform muss also keine | |
| Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern abschließen oder Uploadfilter | |
| einrichten. Warum hat Wikipedia [1][trotzdem protestiert]? | |
| Christian Pentzold: Das ist ein guter Punkt. Die Wikipedia hat den | |
| Anspruch, Wissen neutral zugänglich zu machen, indem die Perspektiven eines | |
| Themas dargestellt werden. Die Autonomie der Nutzenden und der Schreibenden | |
| soll gewährleistet werden, indem Material wie Software, enzyklopädisches | |
| Wissen, Karten oder Schulmaterial frei ist. Wie die Urheberrechtsreform das | |
| einschränken wird, ist noch unklar. Ich meine, die Wikipedianer wollen | |
| damit zuallererst ein Zeichen der Solidarität senden, obwohl sie in ihrer | |
| Arbeit an dem Lexikon weniger von den neuen Regeln betroffen sind. Andere | |
| Inhalteproduzenten leiden stärker. | |
| Und wie würde die Urheberrechtsreform die Autor:innen behindern? | |
| Stellen Sie sich vor, wie Artikel geschrieben werden: Die Autoren verfassen | |
| die Texte und versehen sie mit einer freien Lizenz. Aber wer ein Bild, zum | |
| Beispiel ein Bild des Künstlers Raffael einbinden will, kann das ja nicht | |
| nachmalen. Wikimedia Commons sammelt diese Bilddateien oder auch | |
| Audiofiles. Die Sorge der Wikipedianer ist, dass da Urheberrechte | |
| angemeldet werden und die Freiheit der Wikipedianer eingeschränkt wird. | |
| Große Bereiche von Kulturgütern sollen für diese Art der Nutzung zugänglich | |
| bleiben. | |
| Sie forschen seit 2007 über die Autoren und die Wissensbildung auf | |
| Wikipedia. Unter anderem haben Sie die Plattform als „Ort des kollektiven | |
| Gedächtnisses“ beschrieben. Die Blockade widerspricht dem Anspruch, Wissen | |
| frei und zugänglich für alle zu machen. Was hat die Initiatoren dazu | |
| bewogen? | |
| Durch die Blockade wird den Nutzerinnen und Nutzern bewusst, wie wenig es | |
| braucht, um die Seiten nicht mehr verfügbar zu machen. Es gibt ein Vorbild | |
| aus den USA, [2][die Verhinderung des Stop Online Piracy Act 2011], damals | |
| war die englischssprachige Wikipedia nicht verfügbar. Die Popularität und | |
| die Zentralität von Wikipedia wird genutzt, um politische Forderungen zu | |
| propagieren. Das kann man [3][auf der Website der Wikimedia Foundation | |
| nachlesen], dort steht eine ganze Palette entsprechender politischer | |
| Forderungen. | |
| Sehen das alle Wikipedianer so? | |
| Es ist eine breite Community, was die Interessen und Meinungen angeht. Den | |
| Leuten, mit denen ich gesprochen habe, ging es oft nicht zuallererst um | |
| freies Wissen, die wollten vor allem ihre Artikel schreiben. Und dann kommt | |
| die Wikimedia Foundation mit ihren politischen Forderungen. Ein Teil der | |
| Wikipedianer sagt: Ihr sitzt in San Francisco und Berlin und stellt eure | |
| Forderungen, die Berechtigung dafür aber gründet auf meiner freiwilligen | |
| Beteiligung. | |
| Ist die Protest-Blockade dann noch demokratisch? | |
| Die Wikipedia soll demokratisch sein, aber es ist eine Demokratie auf | |
| meritokratischer Basis und ohne komplett systematisch abgestimmtes | |
| Prozedere. Wikipedia ist gekennzeichnet von einer ganzen Reihe an | |
| Ungleichheiten, zum Beispiel der fehlenden Partizipation von Frauen. Wir | |
| sehen, dass nur ein bestimmter Teil der Nutzer überhaupt berechtigt war, | |
| [4][am Meinungsbild zur Blockade teilzuhaben.] | |
| Kann es sein, dass der größere Teil der Mitglieder, die nicht an der | |
| politischen Debatte interessiert sind, sagt: Wir machen nicht mit? | |
| Richtig. Ihr Engagement wird instrumentalisiert, wenn auch vielleicht aus | |
| guten Gründen. | |
| Warum hat sich nur die deutsche Wikipedia für diese drastische Protestform | |
| entschieden, obwohl die Reform in allen EU-Ländern relevant ist? | |
| Wir haben in Deutschland auch im öffentlichen Diskurs eine stärkere | |
| Sensibilität für Datenschutzthemen als in anderen Ländern. Und Wikipedianer | |
| leben nicht im Elfenbeinturm, sondern die lesen natürlich die Zeitung. | |
| Außerdem ist [5][die Wikimedia Deutschland] ziemlich gut organisiert als | |
| Verein, die sind stark einbezogen in solche Diskussionen. Sie agiert immer | |
| wieder als Fürsprecherin für liberale Urheberrechtsregeln. | |
| Überschneidet sich der Verein Wikimedia mit den Leuten, die jetzt | |
| abgestimmt haben? | |
| Natürlich sind nicht alle Wikipedianer Vereinsmitglieder. Es gibt aber | |
| einen Teil, der politisch interessiert ist und sich auch für die Belange | |
| des Vereins einsetzt. | |
| Kann man vom heutigen Tag darauf schließen, dass die Wikipedia in Zukunft | |
| das Instrument der Blockade häufiger einsetzen wird? | |
| Bei den Wikipedianern und der Foundation werden sich immer mehr bewusst, | |
| wie wichtig sie als Informationsressource sind und dass sie das einsetzen | |
| können, um politischen Druck auszuüben. Die Frage ist, ob Wikipedia so ein | |
| Monopol hat, dass die Plattform dies ausreizen kann. Die Ressource des | |
| Zugangs kann nicht ständig verknappt werden, meine ich. Auch weil Wikipedia | |
| mit der Herausforderung umgehen muss, dass zu wenige Leute mitschreiben. | |
| Die Wikipedia ruht auf den Schultern all dieser Freiwilliger. | |
| 22 Mar 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wikipedia-protestiert-gegen-Artikel-13/!5582321 | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Stop_Online_Piracy_Act | |
| [3] https://wikimediafoundation.org/advocacy/ | |
| [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Meinungsbilder/Protest_gegen_EU-Urh… | |
| [5] https://wikimedia.de/de/ueber-uns | |
| ## AUTOREN | |
| Elisabeth Nöfer | |
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