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# taz.de -- Umdeutung des Militärputschs in Brasilien: Ein weiterer Sieg für …
> Die Feierlichkeiten zu 55 Jahren Militärputsch in Brasilien wurden
> untersagt – und dann wieder erlaubt. Bolsonaro entdeckt das „wahre
> Narrativ“.
Bild: 28. März 2019: In Sao Paulo findet einer Zeremonie zum Gedenken an den P…
Berlin taz | Noch am Freitag glaubten Brasiliens Demokratinnen aufatmen zu
können: Die Richterin Ivani Silva da Luz hatte mit einer einstweiligen
Verfügung die Jubiläumsfeierlichkeiten zu 55 Jahren Militärputsch verboten.
Präsident Jair Bolsonaros Wunsch, die Ereignisse vom 31. März 1964 in einem
Tagesbefehl ohne den Hinweis auf die autoritären Aspekte und die
Menschenrechtsverletzungen zu würdigen, wurde ihm damit verweigert. Die
Richterin begründete das mit dem „Risiko der Beleidigung von Erinnerung und
Wahrheit“ und „irregulären Aufwendungen von öffentlichen Mitteln für die
Feierlichkeiten“.
Doch nur einen Tag später hob eine andere Richterin, Maria do Carmo
Carmoso, das Verbot wieder auf und argumentierte, dass ein demokratischer
Rechtsstaat auf „Pluralismus der Vorstellungen“ gründe.
Damit ist der ultrarechten Regierung unter dem Ex-Militär und
Demokratieverächter Bolsonaro erneut geglückt, seinen Anspruch auf eine
Umdeutung historischer Ereignisse zu untermauern und die „bleiernen Jahre“
der Militärdiktatur zu enttabuisieren. In deren 21 Jahren wurden mehr als
400 Oppositionelle ermordet, Tausende ins Exil getrieben oder gefoltert,
darunter die ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff. Ihrem Folterer, Coronel
Ustra, hatte Bolsonaro bei der Abstimmung zu Roussefs Entmachtung 2016
seine Stimme gewidmet. Spätestens da machte er eindrucksvoll deutlich, wie
er zur Wahrung von Menschenrechten steht.
Vor den Feierlichkeiten ruderte Bolsonaro zurück: Es gehe ihm darum, „sich
zu erinnern, zu überprüfen, zu sehen, was falsch und was richtig war. Und
das dann für das Wohl Brasiliens in der Zukunft zu nutzen.“ Man müsse die
Geschehnisse im Kontext des damals währenden Kalten Krieges sehen.
Wie in anderen Ländern Lateinamerikas hatte auch in Brasilien das Militär
mithilfe der USA und mit Unterstützung der Großgrundbesitzerschicht die
Umverteilungspolitik eines linken Staatschefs mit Gewalt verhindert. Der
1961 gewählte João Goulart hatte eine Agrarreform und eine
Verstaatlichungspolitik angestrebt, zudem wollte er das Wahlrecht
reformieren, wodurch die etwa 60 Prozent Analphabeten erstmals hätten
wählen dürfen.
Die Behauptung, durch den Putsch von 1964 sei „Schlimmeres“ verhindert
worden, die etwa die rechtskonservative Journalistin und Abgeordnete Joice
Hasselmann in einem Tweet verbreitet, ist der Versuch, Geschichte
umzuschreiben – oder, wie Hasselmann selbst schreibt, „die Wiederaufnahme
des wahren Narrativs unserer Geschichte“. Dazu passt auch die Einlassung
von Außenminister Ernesto Araújo am Freitag in einem Radiointerview, in dem
er erklärte, der Nationalsozialismus in Deutschland sei eine linke
Ideologie gewesen. Insofern gedenkt Brasiliens Regierung nicht nur am
Jahrestag, sondern täglich des Beginns einer dunklen Zeit heute vor 55
Jahren.
31 Mar 2019
## AUTOREN
Sunny Riedel
## TAGS
Brasilien
Jair Bolsonaro
Militärputsch
Ultrarechte
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Präsidentschaftswahlen Brasilien 2018
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