| # taz.de -- Rechtspopulismus in der Kunst: Weißer Mann ade | |
| > Wie kann sich Kunst zum Rechtspopulismus verhalten? Die Ausstellung | |
| > „Global National“ im Haus am Lützowplatz in Berlin sucht Antworten. | |
| Bild: Foto aus der Ausstellung: „We Have a Situation here“ | |
| Wie sie daliegen, Krawatten verrutscht, Augen geschlossen, übereinander | |
| gerutscht wie schlaffes Gemüse, machen sie nicht mehr viel her, die Herren | |
| in ihren weißen Hemden und dunklen Anzügen. Sind es Immobilienmakler, | |
| Politikberater, Versicherungsvertreter? Schlafen sie betrunken nach einer | |
| Party, liegen sie erschossen nach einem Anschlag? Alles möglich auf der | |
| Fotografie, die Oliver Ressler unter dem Titel „We Have a Situation Here“ | |
| inszeniert hat. Eindeutig scheint nur das Uneindeutige der Situation, das | |
| Ende der gesicherten Verhältnisse, die theatralische Inszenierung, die zu | |
| Spekulationen reizt. | |
| Ressler gehört zu den 12 internationalen KünstlerInnen, die der Kurator | |
| Raimar Stange für die Ausstellung „Global National – Kunst zum | |
| Rechtspopulismus“ im Berliner Haus am Lützowplatz zusammengebracht hat. Für | |
| ihn ist eine Lesart von Resslers Bild, dem weißen Mann das Ende seiner | |
| Herrschaft anzuzeigen. | |
| Raimar Stange hat Werke ausgesucht, die teils einen expliziten politischen | |
| Bezug haben und auf rassistische Verbrechen rekurrieren, wie eine | |
| Fotografie der New Yorker Konzeptkünstlerin Martha Rosler: In ihrer | |
| Fotocollage „Point and Shot“ zeigt sie Donald Trump mit seinem berüchtigten | |
| Satz: „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden | |
| erschießen, und ich würde nicht einen Wähler verlieren – es ist | |
| unglaublich.“ | |
| Unterlegt ist das Konterfei des aggressiv auf den Betrachtenden weisenden | |
| Präsidenten mit Kolumnen voller Daten und Namen. Es sind weit über 100, und | |
| sie gehören zu ermordeten People of Color, die selbst unbewaffnet waren, | |
| als sie erschossen wurden. | |
| Neben solchen Erinnerungen an Gewalt und Verbrechen sind Raimar Stange aber | |
| auch Werke wichtig, die nach Auswegen suchen, nach Antworten auf | |
| rassistische Behauptungen, nach Verwischen von Grenzen beengender | |
| Identitätskonzepte. So kommt zum Beispiel Christine Würmell ins Spiel, | |
| deren tragbare Demonstrationsschilder über die Ausstellung verteilt sind. | |
| Die Serie „widersprechen“ basiert auf einem Plakat des Bundesamts für | |
| Migration, mit dem Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimat aufgefordert | |
| wurden. Würmell fotografierte sie in kommentierten, korrigierten Fassungen, | |
| die farb- und fintenreich die Aufforderung zur Rückkehr in ein „Welcome“ | |
| überschrieben haben. | |
| ## Verwirbeln der Kategorien | |
| „Ich repräsentiere Südafrika, ich missrepräsentiere Südafrika, es gibt | |
| keine Repräsentation.“ Schlag auf Schlag folgen die Sätze in Candice Breitz | |
| kurzem Video „Profile“, von zehn Stimmen und Gesichtern gesprochen, | |
| verschieden in Alter, Geschlecht, Hautfarbe, auch gestylt als Freaks und | |
| Aliens. Sie alle sind wie Breitz selbst KünstlerInnen aus Südafrika, die | |
| hier biografische Aussagen und Herkunftszuordnungen in einem witzigen, | |
| anekdotenreichen Mix für drei Minuten lang verquirlen. Je mehr Kategorien | |
| der Zuordnung sie aufrufen, um so schillernder und sinnloser wird das | |
| Ganze. | |
| Aber predigt Kunst nicht meist nur zu den schon Bekehrten, hat sie | |
| überhaupt ein Echo in dem Raum, in dem Rechtsextremismus und Rassismus | |
| bedrohliche Gestalt annehmen? Diese Frage beschäftigt den Kurator und | |
| deshalb sind auch KünstlerInnen dabei, die den öffentlichen Raum | |
| reflektieren und in ihm wirken wollen. Wie Marina Napruschkina, deren Video | |
| ein Monolog ist, eine lange Reflexion über Nationalstaaten und | |
| Flüchtlingspolitik, während sie durch Berlin läuft, vorbei an | |
| geschichtsträchtigen Orten, an denen politisch die Weichen für die | |
| Gegenwart gestellt wurden. | |
| Wichtig ist auch eine Arbeit von Ulf Aminde, ein Mahnmalsentwurf, die im | |
| Haus am Lützowplatz allerdings nur als Skizze vorgestellt werden kann. Es | |
| geht um die Keupstraße in Köln, Ort eines Bombenattentats des | |
| „Nationalsozialistischen Untergrundes“, die hier einer Straße mit einer | |
| selbstbewussten türkischen Gemeinde galt. Wie die Geschichte der Aufklärung | |
| ob rassistischer Vermutungen von vielen Seiten lange verschleppt wurde, ist | |
| bekannt. | |
| Aminde hat 2016 eine Ausschreibung der Stadt Köln gewonnen, dieser | |
| Geschichte Sichtbarkeit zu verschaffen. Er entwarf einen Platz, eine | |
| Betonplatte, 1:1 geformt nach dem Grundriss des attackierten Hauses, in dem | |
| unten ein Friseursalon war. Der Standort sollte in der Nähe des Anschlags | |
| auf einem bis dahin unbebauten Grundstück sein. Die Wände des Hauses sind | |
| virtuell: Über Smartphones zu sehen, laufen auf ihnen Filme, in denen sich | |
| die Anwohner der Keupstraße erinnern, an den Anschlag, ihr Leben danach, | |
| die erneute Diskriminierung; aber in denen sie auch nach vorn blicken und | |
| ihre Zukunft imaginieren. | |
| Die Realisierung dieses Orts, der mehr als ein Mahnmal wäre, auch ein | |
| Zeichen für die Stärke einer neuen Gemeinschaft werden könnte, ist | |
| allerdings ins Stocken geraten, weil private Investoren andere Pläne für | |
| das Areal des Gedenkorts haben. In der Diskussion über einen anderen | |
| Standort wiederholt sich für die Betroffenen das Schauspiel der | |
| Verdrängung. | |
| 3 Apr 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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