# taz.de -- Spielfilm „Willkommen in Marwen“: Der Crossdresser aus dem Sumpf | |
> Regisseur Robert Zemeckis drehte den Spielfilm „Willkommen in Marwen“ | |
> nach realem Vorbild. Großartig sind die animierten Miniaturfiguren. | |
Bild: Gemeinsam gegen Nazis: die furchtlosen Widerstandskämpferinnen von Marwen | |
Ein US-amerikanischer Kampfflieger gerät gegen Ende des Zweiten Weltkriegs | |
über belgischem Gebiet unter deutsches Feuer und stürzt ab. Der Pilot kann | |
sich retten, bloß seine Stiefel fangen Feuer. Als er die Sohlen betrachten | |
will, bleiben diese im Sumpfboden kleben und geben den Blick auf seltsam | |
glatte Füße frei. Beim genaueren Blick in sein Gesicht stellt sich heraus: | |
Es hat die Züge des Schauspielers Steve Carrell, gehört jedoch zu einer | |
männlichen Barbiepuppe. | |
Der Flieger entdeckt eine verlassene Limousine, im Wageninneren einen | |
Koffer mit einem Paar Schuhe darin. Pumps zwar, aber sie passen. Als ihn | |
eine Gruppe SS-Schergen stellt, tritt er ihnen mit seiner wenig | |
soldatischen Fußbekleidung entgegen. Wird verlacht. Und fast erschossen. | |
Seine Rettung ist eine Truppe bewaffneter Frauen, die mit den Nazis kurzen | |
Prozess machen. Die Szene wird abrupt unterbrochen, als ein Lastwagen in | |
der Nähe vorbeifährt, der die Puppen zu Fall bringt. Und die Kamera | |
offenbart, dass diese Szene tatsächlich mit Puppen nachgestellt war. | |
Der Flieger, Capt’n Hogie, ist dem Schöpfer dieser militaristischen | |
Puppenstube nachempfunden: Mark Hogancamp, gespielt von Steve Carrell, hat | |
ein Dorf aufgebaut, Marwen genannt, in dem sein Hogie und dessen | |
Retterinnen leben. Immer und immer wieder werden sie von den Nazis | |
angegriffen. Und Mark Hogancamp fotografiert diesen Kriegsalltag in Marwen | |
aus allen erdenklichen Perspektiven. | |
Mit „Willkommen in Marwen“ hat US-Regisseur Robert Zemeckis, Schöpfer von | |
Klassikern wie „Zurück in die Zukunft“ und „Forrest Gump“, sich erneut… | |
Außenseiterfigur als Protagonisten gewählt. In diesem Fall nach realem | |
Vorbild. Den Foto- und Miniaturkünstler Mark Hogancamp gibt es wirklich. Im | |
Jahr 2010 drehte der Filmemacher Jeff Malmberg den Dokumentarfilm | |
„Marwencol“ über ihn und lieferte Zemeckis damit die Inspiration für sein… | |
eigenen Film. | |
In „Willkommen in Marwen“ erfährt das Publikum sehr bald, dass Mark | |
Hogancamps künstlerisches Projekt vor allem der Arbeit am Trauma dient. Der | |
Zeichner Hogancamp, der einen Frauenschuhfetisch hat, geriet eines nachts | |
betrunken in seiner Stammkneipe an eine Gruppe Nazis, der er von seiner | |
Vorliebe erzählte. Diese lauerten ihm später auf der Straße auf und | |
schlugen ihn fast tot. Sein Langzeitgedächtnis und Zeichentalent büßte | |
Hogancamp dadurch ein. Den Willen, mit Kunst zu überleben, hingegen nicht. | |
Seitdem bekämpft er die Nazis in Marwen. | |
## Die Fantasiepuppenwelt von Marwen | |
Steve Carrell spielt Hogancamp als mehrfach gebrochene Figur. Bei jedem | |
Laut schreckt er hoch, Besucher an der Tür rufen Fluchtreflexe hervor, und | |
seine Körperhaltung und Mimik sind bestimmt von Schlaffheit und Mattigkeit. | |
Die Fantasiepuppenwelt von Marwen nutzt Zemeckis daher auch als visuellen | |
Kontrast: Wo der echte Hogancamp vom Leben faltig und eingefallen | |
gezeichnet ist, haben Hogie und seine Mitstreiterinnen makellose | |
Plastikzüge, perfekt animiert mit den Gesichtern der Schauspieler. | |
In Hogancamps trübe Routine gerät Bewegung, als eine neue Nachbarin (Leslie | |
Mann) in das Haus gegenüber zieht. Diese zeigt sich an dessen Puppenwelt | |
interessiert, nimmt Anteil an seinem Schicksal. Eine große Liebe wird | |
daraus nicht, dafür eine Enttäuschung für Hogancamp, die irgendwann wieder | |
verplätschert, wie überhaupt vieles in diesem Film leider etwas | |
unausgearbeitet scheint. | |
Darunter auch der Prozess gegen Hogancamps Angreifer, in dem er eine | |
persönliche Aussage machen soll. Der Anwalt drängt, Hogancamp sperrt sich, | |
zu groß ist die Angst vor der erneuten Konfrontation mit den Gewalttätern. | |
Dieser Strang bleibt, wie der Rest der eigentlichen Handlung, | |
flickenteppichartig, Realitätsfetzen, hineingestreut in Hogancamps | |
Puppenwelt. Allein für diese lohnt sich Zemeckis Film allemal. | |
28 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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