Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Filmstart „Anchorman 2“: Was das Publikum will
> News und Entertainment sind vielleicht doch kein unerschöpfliches Thema.
> Das legen die recycelten Gags in „Anchorman 2“ nahe.
Bild: Training in investigativen Techniken: Still aus „Anchorman 2“.
Die Frage aller Fragen, nicht nur im Fernsehjournalismus, sondern im
Journalismus überhaupt, lautet wohl: „Warum müssen wir unserem Publikum
immer erzählen, was sie hören sollen – warum können wir ihnen nicht einfach
das erzählen, was sie hören wollen?“
Es braucht schon einen wie Ron Burgundy (Will Ferrell), um sie so
unverblümt zu stellen. Ron mit dem Softporno-Schnurrbart, der Fönfrisur und
seinem wie mit Haarspray fixierten 70er-Jahre-Machismo.
Nachdem der erste Film 2004 die Epoche der Männer-Clubs mit ihren „scotchy
scotch scotch“-Getränken im Milieu des Fernsehnachrichtenwesens abfeierte,
widmet sich das Sequel der großen Wende im besagten Business: der
Einführung der 24-Stunden-Nachrichtensender zu Beginn der 80er.
Dass vergleichbare Sender in Deutschland bis heute nicht die Marktanteile
und damit Breitenwirkung ihrer amerikanischen Verwandten CNN, Fox News oder
MSNBC erlangten, nimmt den gewollt derben Späßen von „Anchorman 2“ etwas
die Spitze. Man muss die Vorbilder nämlich vor Augen haben, um schätzen zu
können, wo Ferrell und sein Koautor und Regisseur Adam McKay übertreiben
und wo sie es gerade nicht tun.
## Das tollste Land, das Gott je geschaffen hat
Zum Beispiel bei den Richtlinien, die Burgundy und seine fast hirntoten
Konsorten für ihr Programm zwecks Quotensteigerung entwerfen. Denn was will
das Publikum? Dass man ihm immer wieder sagt, dass Amerika das tollste Land
ist, das Gott je geschaffen hat. Es möchte Geschichten über Patrioten und
lustige kleine Tiere, über Diäten und Blondinen mit Oberweite, über
Höhepunkte im Sport und verrückt spielendes Wetter – aber natürlich auch
ernste investigative Beiträge, die etwa der Frage nachgehen, wie viel
Körperflüssigkeit in Hotelbetten so zurückbleibt. Abzüglich des
Amerika-Patriotismus könnte das jetzt auch eine Beschreibung gewisser
deutscher Sender sein.
Wie dem auch sei – Burgundys Konzept geht natürlich augenblicklich auf.
Sein Team, das eben erst aus diversen Karrieretiefpunkten herausgeholt und
versammelt werden musste, triumphiert und lässt sich den Wind auf New Yorks
Straßen durch frisch zugelegte Miniplis wehen. Weitere Schicksalsschläge
und Plotwendungen folgen, schließlich müssen zwei Stunden gefüllt werden.
## Der Rassist hat's nicht so gemeint
„Anchorman 2“ macht es wie alle Komödiensequels: Mit den Figuren recycelt
es auch einen großen Teil der Gags aus dem ersten Teil. So darf Paul Rudd
erneut den „Reporter“ Brian Fantana als glücklosen Frauenhelden geben, der
an „Pussy“ nur insoweit herankommt, als er supersüße Kätzchen fotografie…
David Koechner füllt als Sportmoderator Champ Kind mit Cowboyhut die Rolle
des amerikanischen Haudrauf-Rassisten, der es nie so gemeint haben will.
Und Steve Carrell dehnt als Weatherman Brick Tamland den Witz, dass man
selbst als intelligenztechnisch geforderter Mann im Fernsehen eine Chance
hat, weiter aus. Diesmal glaubt er sich nicht nur selbst tot, er findet in
Kristen Wiig ein ähnlich nur mit dem Rückenmark denkendes Wesen. Leider
fehlt es ihrer Romanze mangels intellektueller Reibung auch an zündenden
Gags.
Mit recycelten Gags verhält es sich wie mit allem, was aus Altpapier
hergestellt wird: Es erfüllt seinen Zweck, aber manchmal vermisst man die
unverbrauchte gebleichte Strahlkraft des Originals. Nur wenige Pointen
erreichen die Bösartigkeit von Fantanas Bemerkung zu seinen
Los-Angeles-Bekannten OJ Simpson, Phil Spector und Robert Blake: „Wir
nennen uns die Ladykillers.“
## Battle der Cameos
Bei einer der chaotischsten und ausgelassensten Szenen des Films aber
handelt es sich fast um ein Remake aus Teil 1: Erneut kommt es zur Schlacht
der Nachrichtenteams, das in Wahrheit eine Battle der Cameos ist. Um nur
einige zu nennen: Sacha Baron Cohen als Kopf des BBC-Teams knödelt gegen
Kanye West als MTV-Vertreter, unterbrochen von den Kanadiern mit Jim Carrey
und dem History Channel mit Liam Neeson an der Spitze. Denen fallen
wiederum Tina Fey und Amy Poehler als Entertaiment-News-Moderatoren ins
Wort.
Ja, Entertainment und News – wie schreit da Cohen in höchster
BBC-Intonation: „That’s an abomination!“
30 Jan 2014
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Spielfilm
Scarlett Johansson
Kino
Nelson Mandela
## ARTIKEL ZUM THEMA
Spielfilm „Willkommen in Marwen“: Der Crossdresser aus dem Sumpf
Regisseur Robert Zemeckis drehte den Spielfilm „Willkommen in Marwen“ nach
realem Vorbild. Großartig sind die animierten Miniaturfiguren.
Kinostart „Divergent – Die Bestimmung“: Posterwechsel im Mädchenzimmer
Ein Mädchen rebelliert: In „Divergent – Die Bestimmung“ trifft der
Groschenroman auf Öko-Agitprop, Teenie-Horror aufs Martial-Arts-Drama.
Spike Jonzes neuer Spielfilm „Her“: Sex für die Ohren
Man nenne es ruhig Science-Fiction. Eigentlich aber ist „Her“ von Spike
Jonze ein Versuch über Gefühle im technischen Zeitalter.
Iranisch-französischer Film „Le passé“: Nach der Lebensspannung tasten
Asghar Farhadi erzählt eine Familiengeschichte aus dem multinationalen
Frankreich. Mit „Le passé“ ist dem Iraner ein großer Wurf gelungen.
Filmstart „Der lange Weg zur Freiheit“: Großer Mann auf großer Leinwand
Regisseur Justin Chadwick folgt Nelson Mandela in seinem Biopic von der
Kindheit bis zur Präsidentschaft. Keine leichte Aufgabe.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.