# taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Wenn einfach gar nichts funktioniert | |
> Es ist schleierhaft, warum alle ständig am Smartphone hängen, wenn es | |
> nicht einmal überall „Internet gibt“. Was machen die dann eigentlich? | |
Bild: Telefonieren im Zug ist ein großes Rätsel | |
Sähe gerne das Genre „Gentrifizierungstraum“ in der Debatte öfter | |
behandelt, es ist auf dem Vormarsch. Beispiel: Ich träumte neulich, dass | |
auf der gegenüberliegenden Straßenseite meiner Wohnung eine hippe Nudelbar | |
aufmacht, in der man Linguine, Fettuccine, Buchstabensuppe und so weiter | |
serviert, das ganze Programm halt, alles selber gekocht natürlich, Ravioli | |
mit Tomatenfüllung, Quark, Avocado, dazu Gin Tonic. Aber nicht nur das – | |
sondern, zu allem Überfluss, auch noch Ravioli mit Gin-Tonic-Füllung. Das | |
geht dann doch eine Stulle zu weit. | |
Manchmal träume ich auch, ich sei das letzte oder erste Exemplar einer | |
wiederaufzuforstenden altertümlichen Milchviehrasse, was, auch wenn es mit | |
Gentrifizierung schon kaum mehr zu tun hat, ungleich obszönere Befriedigung | |
zu verschaffen weiß – nicht zuletzt die Vorstellung, dass ich unterwegs | |
wirklich immer etwas zu trinken dabei hätte. Wobei ich nicht sicher bin, ob | |
das so tatsächlich funktioniert. | |
À propos funktionieren: Immer noch harre ich der Beantwortung [1][meiner in | |
der taz vom 2. März 2016 gestellten Frage,] ob man nun im Zug telefonieren | |
könne oder nicht. Immer noch ist ebendies ein großes Rätsel für mich, was | |
vor allem mit der formalen Struktur mobiler Telefonie zusammenhängt. Man | |
hat ja den möglichen Informationsträger Bildschirm nicht vor sich, sondern | |
hält ihn stets weg von den Augen ans Ohr, und sieht also unter keinen | |
Umständen, was darauf vor sich geht (vermutlich nichts in der Art klarer | |
Aussagesätze wie „Es ist noch Soße da“ oder „Ungeheuerlich, wie Sie ger… | |
Ihr Telefon ans Ohr halten“, vermutlich überhaupt gar nichts – aber woher | |
sollte man selbst das noch wissen?). So bleibt nur das Vernehmen eines | |
unhörbaren Nichts. Glücklich schließlich der, der sich verwählt. Er weiß | |
immerhin, woran er ist. | |
Nicht weniger schleierhaft bleibt, warum alle ständig am Smartphone hängen, | |
wenn es, wie ich jüngst erfuhr, nicht einmal überall „Internet gibt“. Was | |
machen die dann und wie machen die das? | |
## Pflege und Freundschaft | |
Was, wenn, weitergedacht, all die Dysfunktionalitäten, die die moderne | |
Bildschirmwelt durchdringen und einen selbst im Zentrum der erschlossensten | |
Großstadt ereilen, sagen wir, beim einfachen Videoschauen [2][einer | |
topaktuellen Serie über das Brandgefährliche wie „Black Mirror“] – wir | |
Kinder der Nullerjahre nannten es „Buffering“ – was, wenn gerade sie nicht | |
die Ausnahme bilden, sondern den innersten Wesenskern dieser Welt? Was, | |
wenn einfach gar nichts funktioniert? Und was, wenn, bis auf ein paar | |
selige Ausnahmefälle, alle genau damit kämpfen und es nur nicht | |
eingestehen, um nicht impotent zu wirken? | |
Dann würden wir, ich fasse zusammen, nicht nur zu immer gläserneren Bürgern | |
werden (noch so ein Lieblingswort von früher); sondern dieses Werden | |
einander außerdem noch als reibungsloses vormachen, uns und den Maschinen | |
zuliebe. Denn schließlich brauchen auch sie Pflege und Freundschaft, haben | |
Schwächen und gehen zugrunde. | |
28 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Adrian Schulz | |
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