| # taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Männer, Frauen, Masken, Sperma | |
| > Wer ist richtig schwul? Und wie lebt es sich damit, immer unter dem | |
| > Aspekt der Befüllbarkeit mit Sperma begehrt zu werden? | |
| Bild: Sich liebhabende Menschen auf dem CSD in Berlin 2018 | |
| „Wer ist bei euch der Mann?“: eine Frage aus dem Bullshit-Bingo des | |
| Schwulseins-Verhörs, zusammen mit „Das ist nur eine Phase“ und „Aber | |
| hattest du schon mal was mit einer Frau?“. | |
| Mein Kollege und taz-Redakteur Jan Feddersen ließ in einem [1][Kommentar] | |
| für das Mannschaft Magazin keinen Zweifel an der Antwort. Ein nebulöser | |
| „Zirkel“ schließe alle Schwulen aus, die sich weigerten, „nicht mehr wie | |
| ein Macho“ auszusehen; die „partout sich äußerlich nicht weiblicher machen | |
| wollen als sie innerlich (…) ohnehin sind (…). Die Queergida belegt mithin | |
| alle mit einem Fluch, die einfach nur schwul sein wollen.“ Sie verleugne | |
| die „sexuelle Differenz“ zwischen Mann und Frau. | |
| Mit anderen Worten: Feddersen ist der Mann. Und „Queergida“ will ihn | |
| verweiblichen. Sie „formuliert jetzt das Rollback – gegen alle jene, die in | |
| den vergangenen 50 Jahren bürgerrechtliche Fortschritte erkämpft haben“. | |
| Wie er darüber hinweggeht, dass die verfluchte „Queergida“ unter | |
| Todesdrohung der echten „Pegidas“ steht, zeigt: Feddersen hat Angst. Für | |
| ihn steht alles auf dem Spiel, für das auch er gekämpft hat. Aber wofür hat | |
| er gekämpft? | |
| Männer sollen Männer sein und als solche gelten, auch wenn sie Männer | |
| begehren. Auch wenn sie nicht Teil der „heterosexuellen Matrix“ sind – wie | |
| Judith Butler sagen würde. | |
| ## Ich als Sahnekuchen | |
| Viele schwule Männer haben noch heute Angst vor dem Stigma der | |
| Effeminierung; einige lehnen die „Szene“ mit ihren vermuteten Glitzer- und | |
| Performancezwängen gar rundheraus ab, wollen zum Schwulsein so große | |
| Distanz wie möglich halten. | |
| Doch was ist ein Mann? Auch diese Setzung ist eine identitäre und schließt | |
| nicht alle Schwulen gleichermaßen ein. Es gibt als männlicher Angesehene | |
| und als weniger männlich – ich bin einer von ihnen: jung, schlank, bartlos. | |
| Twink heißt der Fachausdruck und leitet sich her von mit Sahne gefülltem | |
| Kuchen. | |
| Das ist alles kein Geheimnis. Die schwulen Normalitätsmaschinen | |
| reproduzieren unentwegt die Twink-/Bear- und Aktiv-/Passiv-Unterteilung und | |
| nahezu alle haben sie verinnerlicht. Ich lebe mit dem Wissen, dass ich | |
| immer unter dem Aspekt meiner Befüllbarkeit mit Sperma begehrt werden | |
| werde. Wer ist der Mann? | |
| Daran gehe ich nicht zugrunde. Es macht mich nur skeptisch, wenn lautstark | |
| schwule Männlichkeit propagiert wird. Dann kann es nämlich nie „männlich“ | |
| genug sein. So geht es den „Unmännlichen“ schlecht und den „Männlichen�… | |
| auch, denn sie müssen ständig Angst haben, nicht zu genügen. Solche Reden | |
| verstärken also noch das Stigma schwuler „Weiblichkeit“, das sie zu | |
| bekämpfen vorgeben. Sie führen den Hass und vor allem Selbsthass durch die | |
| Hintertür wieder ein, den die meisten von uns beim Coming Out endlich | |
| ablegen wollten. | |
| Denn auch dafür haben Schwulen-, Lesben-, Frauen- und Queerbewegungen | |
| gekämpft: dass man nicht mehr „Mann“ sein muss, um etwas wert zu sein. Dass | |
| man nicht mehr „Mann“ oder „Frau“ sein muss, um begehrt werden zu könn… | |
| 17 Apr 2019 | |
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| [1] http://mannschaft.com/2019/04/06/unsere-queergida-so-wird-cis-weiss-maennli… | |
| ## AUTOREN | |
| Adrian Schulz | |
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