# taz.de -- Ausländerbehörde entzieht Visum: Rasmea Odeh klagt, um zu bleiben | |
> Die 71-jährige Palästinenserin war 1970 als Terroristin verurteilt | |
> worden. Die Berliner Ausländerbehörde enthält ihr das Visum vor. Dagegen | |
> klagt sie nun. | |
Bild: Ist vor Gericht gezogen, um Berlin nicht verlassen zu müssen: Rasmea Odeh | |
Berlin taz | Der Druck war enorm: Die israelische Regierung hatte sich | |
eingeschaltet, der Zentralrat der Juden, der US-Botschafter persönlich. | |
Zahlreiche Zeitungen, [1][darunter die taz], machten auch öffentlich | |
Stimmung: Eine geplante Veranstaltung in Berlin müsse verboten werden. Dort | |
sollte nämlich die Palästinenserin Rasmea Odeh sprechen. Sie soll 1969 an | |
einem Terroranschlag in Israel beteiligt gewesen sein und wurde im | |
Folgejahr verurteilt. | |
So kam es denn auch: Sie dürfe nicht auftreten, teilte die Berliner | |
Innenverwaltung der 71-Jährigen am vergangenen Freitag kurz vor Beginn der | |
Veranstaltung mit. Auch anderweitig darf sich Odeh in Berlin nun nicht mehr | |
öffentlich äußern – „politisches Betätigungsverbot“, heißt das auf | |
Amtsdeutsch. Bis Freitag hat sie darüber hinaus Deutschland zu verlassen, | |
sonst wird sie abgeschoben. | |
Während sich Berlins Bürgermeister Michael Müller und viele andere | |
erleichtert zeigten, sehen Kritiker nun den Rechtsstaat in Gefahr. Von | |
einem „völlig absurden Verwaltungsakt“ spricht Odehs Anwältin Nadija | |
Samour. Und warnt: „Die Meinungsfreiheit wird auf unverhältnismäßige Weise | |
eingeschränkt.“ | |
Gegen den Bescheid der Berliner Ausländerbehörde hat Samour Klage | |
eingereicht. Bis Freitag muss das Verwaltungsgericht entscheiden, ob Odeh | |
vorerst wie geplant im Land bleiben darf, bis endgültig über den Entzug des | |
Visums entschieden ist. Ursprünglich wollte die palästinensisch-stämmige | |
Jordanierin bis Mitte April bleiben und später möglicherweise erneut | |
einreisen, was ihr Visum zugelassen hätte. | |
## Ihre Anwesenheit führe zu „erheblichen Gefahren“ | |
In der Begründung für den Visumsentzug trug die Ausländerbehörde dick auf: | |
Allein Odehs „Anwesenheit führt zu erheblichen Gefahren für die | |
Gesellschaft“, heißt es in dem Schreiben vom Freitag, das der taz vorliegt. | |
Odeh plane, bei einer „Veranstaltung des antisemitischen Bündnisses BDS | |
aufzutreten“, und es sei zu befürchten, dass sie „gegen Personen jüdischen | |
Glaubens zum Hass“ aufstacheln werde. Ihre Anwesenheit schaffe „ein Klima, | |
in dem es gut sei, dass Juden sterben, mithin ein Klima von Hass und | |
Mordlust“. | |
Die Gefahr, die von Odeh ausgehen soll, sieht Anwältin Samour nicht: Zwar | |
habe die Boykottbewegung BDS die geplante Veranstaltung beworben, das | |
Bündnis sei aber nicht Veranstalter gewesen. Ohnehin handele es sich bei | |
BDS um eine legale Organisation in Deutschland. Das Schreiben der | |
Ausländerbehörde bringe eine politische Position zum Ausdruck und enthalte | |
keinerlei Quellenangaben. Die Antisemitismusvorwürfe gegen Odeh würden | |
nicht belegt. | |
Auch Odehs Verurteilung aus dem Jahr 1970 begründe nicht, dass heute eine | |
Gefahr von ihr ausginge. „Ein Visum aufzuheben aufgrund einer Sache, die so | |
weit in der Vergangenheit passiert sein soll, ist juristisch gesehen ein | |
völliges Novum“, sagt Samour, „zumal es hier um ein erfoltertes Geständnis | |
geht.“ Zudem ignorierten die Vorwürfe Odehs Geschichte seit ihrer | |
Haftentlassung 1979. Heute sei sie eine „angesehene Frauenrechtlerin“, | |
heißt es in der Klage. | |
Nach dem Bombenanschlag von 1969, bei dem zwei Studenten getötet wurden, | |
verurteilte ein israelisches Militärgericht Odeh zu lebenslanger Haft. Auch | |
soll sie an einem fehlgeschlagenen Anschlag auf das britische Konsulat in | |
Jerusalem beteiligt gewesen sein. 1979 kam sie im Zuge eines | |
Gefangenenaustauschs vorzeitig frei. | |
## Odeh erhob Vorwürfe der Folter im Gefängnis | |
Kurz nach ihrer Entlassung erhob Odeh Vorwürfe, gefoltert worden zu sein. | |
Ihr Geständnis widerrief sie später. In einem [2][UN-Bericht] aus dem Jahr | |
1979, der Odehs Aussagen als glaubwürdig einstuft, ist von Dauerverhören, | |
sexualisierter Gewalt, Schlägen mit Metallschlangen sowie psychischer | |
Folter die Rede. | |
Die israelische Tageszeitung [3][Haʼaretz berichtete], dass der Druck auf | |
die Berliner Behörden maßgeblich vom Ministerium für Strategische | |
Angelegenheiten ausgegangen sei. Minister Gilad Erdan, der den [4][Kampf | |
gegen die BDS-Bewegung anführt], teilte mit, der Druck, den er und „eine | |
Menge jüdischer Organisationen in Deutschland“ ausgeübt hätten, habe zu der | |
Entscheidung der deutschen Behörden geführt. Neben dem israelischen | |
Botschafter in Berlin hatten auch der [5][US-Botschafter] Richard Grenell | |
sowie der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef | |
Schuster, gefordert, dass der Vortrag abgesagt werde. | |
In Berlin wollte Odeh nach Angaben ihrer Anwältin neben dem Vortrag auch an | |
einem Buchprojekt arbeiten. Ein kleiner Berliner Verlag hatte ihr eine | |
Einladung zukommen lassen, mit der sie in der jordanischen Hauptstadt ein | |
Schengen-Visum beantragt hatte. Nach Aussage des Berliner | |
Innenstaatssekretärs Torsten Akmann (SPD) hatte die deutsche Botschaft in | |
Amman das Visum aufgrund von Zeitdruck „fehlerhaft“ ausgestellt. Eine | |
Internetrecherche, so Akmann, hätte gereicht, um herauszufinden, dass Odeh | |
„bei der antisemitischen Boykottbewegung BDS“ habe auftreten wollen. | |
Dies widerspricht Angaben der Ausländerbehörde, die argumentiert, dass Odeh | |
ein Visum für einen „touristischen Kurzaufenthalt“ erhalten hätte und ihre | |
Auftrittspläne erst später bekannt geworden sein. Anwältin Samour und | |
Innenstaatssekretär Akmann sagten dagegen, in dem Visumsantrag sei die | |
Veranstaltung klar benannt gewesen. Von einer Zweckänderung des Aufenthalts | |
könne daher nicht die Rede sein, so Samour. Auch habe Odeh zu keinem | |
Zeitpunkt ein Visum „zu touristischen Zwecken“ beantragt. | |
20 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Veranstaltung-mit-Rasmea-Odeh-in-Berlin/!5580444 | |
[2] https://unispal.un.org/UNISPAL.NSF/0/68B222A27C07C25F0525658C00691A57 | |
[3] https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-germany-deports-palestinian-te… | |
[4] /Vorwurf-aus-Israel/!5571474 | |
[5] https://www.foxnews.com/world/us-ambassador-condemns-palestinian-terrorists… | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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