# taz.de -- Kolumne Nachbarn: Ich hoffe, ich werde kein Roboter! | |
> Sich einen Lebensunterhalt verdienen und gleichzeitig auf die Gesundheit | |
> achten, ist schwer. Unsere Autorin befürchtet, zum Roboter zu werden. | |
Bild: Hauptsache funktionieren und nur nicht verzweifeln: Dauerhaft aushalten k… | |
Vor vier Jahren, als ich noch als neue Geflüchtete in Deutschland galt, | |
veranstaltete eine deutsche Zeitung ein Interview und eine Diskussionsrunde | |
mit mir. Ein Teilnehmer fragte mich: „Was wünschen Sie sich für die Zeit in | |
fünf Jahren?“ Ich antwortete: „Sollte ich dann noch in Deutschland sein, | |
wünsche ich mir, dass ich nicht zu einem gefühllosen Roboter werde. Denn | |
mir graut es vor der Routine, und wenn die Tage alle gleich sind, zermürbt | |
mich das.“ | |
Damals wollte ich nur als Schriftstellerin und Malerin tätig sein. Doch | |
bald stellte ich fest, dass ich davon weder leben noch vom Jobcenter | |
unabhängig werden konnte. So begann ich, mir eine andere, dauerhafte | |
Tätigkeit zu suchen. Nach wenigen Monaten fand ich eine feste | |
Vollzeitstelle bei handbookgermany.de. Ich war darüber sehr glücklich, | |
besonders weil handbookgermany.de zahlreiche Dienste und Informationen für | |
Flüchtlinge und Migranten anbietet, damit sie sich im Leben und mit den | |
Gesetzen in Deutschland zurechtfinden. Mir hat das geholfen, mich vom | |
Jobcenter zu emanzipieren, selbst für meinen Sprachkurs aufzukommen und | |
meine Freiheit zu leben. | |
Doch dieses Gefühl war leider nicht von Dauer. Nach weniger als einem Jahr | |
begannen sich alle Tage zu gleichen, und die Routine gewann allmählich die | |
Oberhand. Meine finanzielle Unabhängigkeit wurde mir zu Last, weil ich | |
seitdem weder male noch schreibe, bis auf diese Kolumne. | |
## Ununterbrochen arbeiten, nicht verzweifeln | |
Was tun? Die Auswahlmöglichkeiten waren begrenzt: Entweder arbeitete ich | |
Vollzeit, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, oder ich schrieb und | |
malte und war womöglich auf staatliche Hilfe angewiesen, was ich | |
keinesfalls wollte, auch nicht für eine begrenzte Zeit. Ich ärgerte mich | |
schon reichlich, wenn ich Sätze hörte wie: „Flüchtlinge arbeiten ja nicht | |
und liegen dem Staat auf der Tasche.“ Das strapazierte meine Psyche | |
ungemein. Am Ende entschied ich mich dafür, weiterzuarbeiten und nebenbei | |
Dinge zu tun, die mir Freude bereiten. Ich bot Schreibworkshops für | |
geflüchtete Frauen an, die großartige Ergebnisse erbrachten. Einige Texte | |
dieser Frauen wurden veröffentlicht. | |
In diesem Kreis bewege ich mich nun seit drei Jahren: Vollzeitarbeit, | |
Schreibworkshops für geflüchtete Frauen und Führungen für Flüchtlinge in | |
den Berliner Museen im Rahmen des Projekts „Multaka: Treffpunkt Museum“. | |
Damit habe ich zwar viel Arbeit und bin den Geflüchteten sehr nah, doch | |
andererseits entfernt es mich vom Malen und Schreiben. Eigenes kreatives | |
Schreiben ist dann bekanntlich doch anders als das Leiten eines | |
Schreibworkshops. | |
Heute weiß ich nicht genau, ob ich doch ein Roboter geworden bin, wie mir | |
mein Partner neulich andeutete. Ununterbrochen arbeiten und nicht | |
verzweifeln: weder an den eigenen Körper, noch an die eigene Psyche denken. | |
Übersetzung: Mustafa Al-Slaiman | |
25 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Kefah Ali Deeb | |
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