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# taz.de -- Mögliche Juncker-Nachfolgerin Vestager: „Diese Frau ist der Hamm…
> Margrethe Vestager hat Google zu Milliardenstrafen verdonnert. Nun will
> sie bei der Europawahl mitmischen – als Spitzenkandidatin der Liberalen.
Bild: Unbequem, eloquent, angstfrei: Margrethe Vestager
Brüssel taz | Margrethe Vestager ist eine Ausnahmeerscheinung in der
EU-Kommission. Während die meisten Kommissare unauffällig vor sich hin
werkeln, sorgt sie für Schlagzeilen. Eine taffe Frau, eloquent, charmant
und angstfrei, [1][die sich mit Tech-Giganten wie Google anlegt] – das
fällt auf. Die dänische Wettbewerbskommissarin ist eine der prominentesten
Figuren in der Europäischen Union.
Seit Längerem kursiert in Brüssel das Gerücht, dass Vestager nach Höherem
strebt. Sie könnte die erste Kommissionspräsidentin in der Geschichte
Europas werden – und den Konservativen Jean-Claude Juncker ablösen. Es wäre
eine kleine Revolution. Doch hat Vestager tatsächlich Chancen auf das Amt?
Eigentlich gilt der deutsche EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber als klarer
Favorit für die Europawahl – und für den Posten des Kommissionspräsidenten.
Seinem niederländischen Rivalen Frans Timmermans von den Sozialdemokraten
wurden in Umfragen nur Außenseiterchancen eingeräumt. Doch nun kommt
Bewegung in den lahmen Europa-Wahlkampf.
Weber hat über Nacht potenzielle Bündnispartner verloren. Der Grund ist
sein Lavieren im Streit mit Ungarns Rechtsausleger Viktor Orbán. Grüne und
Liberale haben klargestellt, dass sie nicht mit Weber zusammenarbeiten
wollen, solange Orbáns Fidesz in der Europäischen Volkspartei bleibt.
[2][Die am Mittwoch beschlossene Suspendierung] reiche nicht aus.
Reinhard Bütikofer, Chef der europäischen Grünen, sprach von einer
„halbgaren, halbseidenen Nicht-Lösung“, die für Weber einen „erheblichen
Glaubwürdigkeitsverlust“ bedeute. Die FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer
sagte: „Wenn Weber bei Fidesz und Forza Italia in Sachen
Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Demokratie nicht klare Kante
zeigt, kann er kein Partner für uns sein.“ Dann könne Weber nicht auf die
Stimmen der FDP zählen, wenn es nach der Europawahl um die Nominierung des
Nachfolgers von Kommissionschef Juncker geht.
Mit Vestager könnte Weber [3][nun eine ernstzunehmende Konkurrentin
erwachsen]. Am Donnerstag haben die Liberalen sie in Brüssel für ein
siebenköpfiges Spitzenteam nominiert. Es soll der Pool sein, aus dem die
Liberalen Leute für Spitzenposten benennen, wenn sie zum Zug kommen.
Vestager hat bereits angekündigt, Wahlkampf machen zu wollen.
Wer sich in der Brüsseler Behörde umhört, könnte glauben, sie sei jetzt
schon Nummer eins. „Diese Frau ist der Hammer“, heißt es in der EU-Behörd…
wo Vestager alle anderen Kommissare locker an die Wand spielt. Noch am
Mittwoch spielte Vestager, die der sozial-liberalen Partei „Radikal
Venstre“ angehört, wieder die erste Geige.
Bereits zum dritten Mal hat Vestager an diesem Tag eine Milliardenstrafe
gegen Google verhängt. Der US-Konzern soll rund 1,49 Milliarden Euro
berappen. Bei Suchmaschinen-Werbung im Dienst „AdSense for Search“ seien
andere Anbieter unzulässigerweise behindert worden, so die oberste
Wettbewerbshüterin der EU.
Das bewegt die Märkte – und nervt die Regierungen. Aus Sicht von
US-Präsident Donald Trump dürfte Vestager die mächtigste Frau in Europa
sein, noch vor Juncker. Aber auch mit Irland und anderen EU-Staaten hat sie
sich schon angelegt – wegen unerlaubter Steuervergünstigungen für in- und
ausländische Konzerne.
Man hat sie „Eiserne Lady“ getauft. Dabei kann die gefürchtete Kommissarin
auch locker sein. Privat zeigt sie sich gern in Jeans und Sneakern.
Vestager legt Wert auf ein ganz normales Familienleben. Neben ihrem Mann
und ihren drei Töchtern Maria, Rebecca und Ella spielt auch Golden
Retriever Karlo eine wichtige Rolle. Ihm trage sie manchmal wichtige Reden
vor, heißt es.
## Auf Stimmen anderer Parteien angewiesen
Zuletzt scheint Karlo jedoch versagt zu haben. Vestager fällte eine
Entscheidung, die ihr massiven Ärger in Paris und Berlin eingebracht hat.
Sie lehnte es ab, die geplante Fusion der Zughersteller von Siemens und
Alstom zu genehmigen, mit der Deutschland und Frankreich einen
„europäischen Champion“ hatten bilden wollen. Damit hat sie nicht nur
Kanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (beide
CDU) gegen sich aufgebracht. Sie hat es sich auch mit ihrem bisher
wichtigsten Unterstützer verscherzt: Frankreichs Staatschef Emmanuel
Macron. Der will nun sogar die EU-Wettbewerbsregeln ändern, damit Vestagers
„Fauxpas“ sich nicht wiederholt.
Heißt das, dass Vestager nicht auf Macrons Hilfe zählen kann, wenn es nach
der Europawahl Ende Mai (23.–26. 5.) um die Wahl des nächsten
EU-Kommissionspräsidenten geht? Diese Frage stellen sich in Brüssel viele –
doch bisher gibt es darauf keine Antwort. Klar ist nur, dass Vestager auf
die Stimmen anderer Parteien angewiesen wäre. Denn selbst zusammen mit
Konservativen oder Sozialdemokraten hätten die Liberalen keine Mehrheit im
Europaparlament.
Hier kommen die Grünen ins Spiel. Vestager taugt durchaus als
Identifikationsfigur für Linksliberale. Eine Frau, die Apple und Google
Dampf macht und endlich die grotesk mächtige Digitalwirtschaft einhegt – da
bekommen manche Grüne leuchtende Augen. Vestager wird zur Projektionsfläche
für alle, die sich mehr Schwung in der EU wünschen. Dabei spielt auch eine
Rolle, dass die Aussicht, die ewige Vorherrschaft der konservativen EVP zu
brechen, für manche verlockend ist.
Bei den Grünen gibt es Stimmen, die vehement für Vestager werben. Ihr
Szenario sieht so aus: Wenn EVP-Mann Manfred Weber mit dem Versuch
scheitert, eine Mehrheit im Parlament zu schmieden, sei alles möglich. Der
Sozialdemokrat Timmermans rechne sowieso nicht mehr damit,
Kommissionspräsident zu werden – und liebäugele eher mit dem Amt des Hohen
Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik. Dann könnten sich von links
bis liberal alle Abgeordneten hinter Vestager versammeln, die liberalen
Kräfte in der EVP eingeschlossen. „Endlich ist eine progressive Mehrheit
denkbar, die die lähmende Wirkung der großen Koalition in Europa
aufbricht“, sagt ein gut vernetzter Grüner.
## Nur Gedankenspiele, mehr nicht
Hilfreich ist, dass Vestager nun in einem Spitzenteam sitzt. 2014 hat das
Europäische Parlament das Spitzenkandidatenprinzip durchgesetzt. Demnach
kann nur zum Kommissionspräsidenten gewählt werden, wer als Spitzenkandidat
im Wahlkampf aufgetreten ist und eine Mehrheit im Parlament hinter sich
bringt. Bis dahin hatten die RegierungschefInnen der EU-Staaten die
Spitzenposten unter sich ausgekungelt.
Doch es sind Gedankenspiele, mehr nicht. Offiziell halten sich die Grünen
alles offen. „Grüne Unterstützung gibt es nur für grüne Inhalte“, sagte
Spitzenkandidatin Ska Keller der taz. Auch an Frau Vestager hätten die
Grünen da ein paar Fragen, warum sie den Bayer-Monsanto-Deal zugelassen
habe etwa – und warum sie fairem Handel und Ökologie durch ihre
Wettbewerbspolitik manchmal den Riegel vorschiebe.
Kellers Ko-Spitzenkandidat Sven Giegold ergänzte, dass die Liberalen mit
einer Siebener-Aufstellung den Spitzenkandidatenprozess unterliefen. Macron
plus sieben Spitzenleute – das erinnere ihn an „Schneewittchen und die
sieben Zwerge“.
21 Mar 2019
## LINKS
[1] /EU-Kommission-will-erneut-Milliarden/!5579462
[2] /EVP-suspendiert-ungarische-Fidesz-Partei/!5582318
[3] /Kommentar-Europawahl-Kandidatin/!5579507
## AUTOREN
Eric Bonse
Ulrich Schulte
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