# taz.de -- Die Wahrheit: Der Lustmolch und die Kloake | |
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (72): Molche sind die | |
> besseren Aquariumsbewohner, was besonders ihr Sexleben zeigt | |
Bild: Die mexikanische Variante des Molchs: Axolotl ohne Sombrero | |
Einer der ersten, der einen Roman über eine invasive Tierart schrieb, war | |
der tschechische Nationaldichter Karel Čapek. In „Der Krieg mit den | |
Molchen“ (1936) geht es um den ostasiatischen Riesensalamander, dem ein | |
Kapitän in ihrem letzten Rückzugsgebiet bei Sumatra half, sich gegen | |
Raubfische zu schützen, wofür diese „Molche“, die von Muscheln leben, sich | |
mit Perlen bedankten. | |
Nach und nach werden die Molche überall angesiedelt, wobei man sich ihrer | |
auch beim Kanal- und Deichbau bedient. Schließlich sind sie so wehrhaft | |
gemacht worden, dass die Staaten sie als Küstenschutztruppe in Dienst | |
nehmen – und als Hilfstruppen aufeinander hetzen. Sie wenden sich jedoch | |
irgendwann vereint gegen die Menschen, nicht zuletzt, indem sie immer | |
größere Stücke von der Landmasse in unterspülte Uferzonen verwandeln, weil | |
sie wegen ihrer außerordentlichen Fruchtbarkeit (jedes Weibchen legt | |
Hunderte von Eiern jährlich) ständig den Lebensraum erweitern müssen. Man | |
weiß nicht, ob man sich als Leser dieser Eskalationsgeschichte auf die | |
Seite der Menschen oder der Molche schlagen soll. | |
Mir geht es aber nicht um invasive Arten, sondern um „unsere“ bedrohten | |
Teichmolche, die man früher in beinahe allen Gräben und Teichen fand. Ich | |
fing sie fürs Aquarium, um sie zu bewundern, wobei ich die eher | |
unscheinbaren braunen Weibchen interessanter als die bunten Männchen fand. | |
Auf der Internetseite des bayerischen Landesbunds für Vogelschutz heißt es: | |
„Wenn die Männchen im Frühjahr ihre Wassertracht anlegen, sind sie kaum zu | |
übersehen. Sie tragen dann einen welligen Rückenkamm. Ihr Rücken ist | |
olivbraun mit dunklen Tupfen und der Bauch orange. Der untere Flossensaum | |
am Schwanz ist blau und kann undeutliche Flecken aufweisen … Im Juni | |
verlassen die erwachsenen Molche das Gewässer. Sie legen ihre Wassertracht | |
ab und die Männchen bilden ihren Rückenkamm zurück. In der gedeckten, | |
braunen Landtracht sind sie dann besser getarnt. Den Tag verbringen sie in | |
feuchten Verstecken. In der Dämmerung gehen sie auf die Jagd. Am liebsten | |
fressen sie Schnecken, Insekten und Spinnen.“ | |
## Ringelwürmer als Futter | |
Ich habe sie mit Ringelwürmern aus dem Zoohandel gefüttert. Mit ihren Füßen | |
und den beweglichen Augen waren mir die Molche näher als die Fische im | |
selben Aquarium. In der ARD-Mediathek lässt sich das durch den Film „Die | |
faszinierende Welt der Molche“ nachempfinden. | |
Auf YouTube findet sich ein Clip, der einen fast schwarzen Bergmolch am Tag | |
zeigt, wie er langsam durch die Gegend krabbelt, dazu die Erklärung: „Er | |
überwintert wie jedes Jahr bei unserem Haus und wandert dann in Richtung | |
Gartenteich.“ Ein Kommentar dazu lautet: „So ganz fit isser aber noch | |
nicht.“ Er ist jedoch „Lurch des Jahres 2019“. | |
Die Kreisgruppe Lauenburg des BUND informiert: „Molche sind, wie auch alle | |
anderen Amphibien, Spezialisten für Kleingewässer mit stark wechselnden | |
Lebensbedingungen. Ihre Gewässer können im Sommer verdunsten und im Winter | |
komplett durchfrieren. In diesen Fällen müssen die Molche an Land gehen, | |
und deshalb tun sie das im September auch, um Winterquartiere abseits ihrer | |
Heimatteiche zu suchen. Die Nachteile eines so wechselhaften Lebensraums | |
garantieren aber auch einen gewaltigen Vorteil: Fische halten es natürlich | |
nicht aus, wenn der Teich verschwindet oder zu Eis erstarrt; und da Fische | |
die stärksten Konkurrenten und meist auch die gefährlichsten Fressfeinde | |
der Molche sind, zahlt es sich aus, die ständigen Umzüge auf sich zu | |
nehmen.“ | |
Forscher der Max-Planck-Gesellschaft fanden heraus: „Molche können beinahe | |
alle Körperteile regenerieren. Dazu nutzen sie dedifferenzierte Zellen, die | |
sich in verschiedene Zelltypen umwandeln können – Signalstoffe sagen ihnen, | |
in welche.“ Der Forschungsreisende Thor Heyerdahl beklagte sich über sein | |
Zoologiestudium: „Statt über das Verhalten von wild lebenden Tieren etwas | |
zu erfahren, pflanzten wir Molchbeine vom Bauch auf den Rücken des Tieres.“ | |
Anders die Lübecker Humanmediziner Wally und Horst Hagen. In dem Buch „Was | |
Tiere sich zu sagen haben“ (1991) schreiben sie über die Verpaarung von | |
Molchen: „Bei ihnen findet zwar eine innere Befruchtung statt, jedoch nicht | |
auf dem Weg über eine Begattung.“ Die Männchen legen ein Samenpaket im | |
Wasser ab, das die Weibchen in ihre Kloake aufnehmen müssen. „Dazu bedarf | |
es einer sehr intensiven wechselseitigen Verständigung zwischen ihnen.“ | |
Zunächst prüft das Männchen geruchlich, ob das Weibchen zur Paarung bereit | |
ist, indem es an deren Kloake riecht. Schwimmt das Weibchen weg, versperrt | |
ihm das Männchen den Weg, wobei es seinen zur Paarungszeit besonders | |
leuchtend gefärbten Schwanz zeigt, was dem Weibchen bei der | |
Entscheidungsfindung hilft. Weil das Wasser aber oft zu trübe ist und das | |
Weibchen den Schwanz vielleicht nicht richtig deuten kann, fächelt das | |
Männchen ihm damit auch noch Wasser zu, „das seine persönlichen | |
Geruchsstoffe enthält“. | |
## Vibrationen des Wassers | |
Optisch zeigt es also dem Weibchen, dass es die richtige Art ist, und | |
olfaktorisch, wen das Weibchen konkret vor sich hat. „Zusätzlich nimmt es | |
die Vibrationen des ihm zugefächelten Wassers wahr. Dabei ist die | |
Geschwindigkeit dieser Zitterbewegungen des männlichen Schwanzes von | |
Molchart zu Molchart verschieden“, behauptet jedenfalls das Ehepaar Hagen. | |
Sobald das Weibchen „dies alles ‚verstanden‘ hat, ist es seine Aufgabe zu | |
‚antworten‘.“ | |
Nein heißt auch bei Molchen nein, aber wenn ja, dann schwimmt es nicht mehr | |
weg, sondern auf das Männchen zu, woraufhin dieses seinen Schwanz seitlich | |
dem Weibchen entgegenbiegt. „Jetzt muss das Weibchen den ihm dargebotenen | |
Schwanz mehrfach berühren, um sich auf diese Weise dem Männchen | |
unmissverständlich zu erklären, dass jetzt der Moment gekommen ist, an dem | |
es sein Samenpaket aufzunehmen bereit ist.“ | |
Bei einer Unsicherheit wiederholen sie diesen Vorgang. Wenn das Männchen | |
diese Aufforderung seiner Geschlechtspartnerin „ausreichend deutlich | |
erkennt“, setzt es sein Samenpaket auf den Grund des Gewässers „und geht | |
gemessenen Schrittes davon“. Das Weibchen folgt ihm, so dass er sie so | |
lenken kann, dass sie sich dem Samenpaket nähert und dann mit der Kloake | |
einsaugt. Mit dem Einsaugen ist der Akt beendet. Er wird jedoch mehrmals | |
wiederholt. | |
Die Tiere gehören zur Ordnung der Schwanzlurche, als Molche werden | |
umgangssprachlich solche bezeichnet, die eine größere Bindung an das Wasser | |
haben, und als Salamander jene, die mehr zum Landleben neigen. Beide werden | |
seit 2016 von einem über den Zoohandel aus Asien eingeschleppten tödlichen | |
„Salamander-Chytridpilz“ (Bsal) bedroht. Der Pilz wird derzeit von | |
Biogeografen der Universität Trier in der Süd-eifel erforscht, es geht | |
dabei um dessen Ausbreitung sowie um Szenarien für den Schutz der letzten | |
Molche und Salamander hierzulande. | |
18 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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