# taz.de -- Mietenwahnsinn in Berlin: Schwarm gegen Gentrifizierung | |
> Die Menge macht’s: Der queere Sonntags-Club im Prenzlauer Berg geht mit | |
> Crowdfunding gegen eine Mieterhöhung von 1.000 Euro an. | |
Bild: Eine Institution in der queeren Szene: Der Sonntags-Club wurde 1973 noch … | |
Diesmal trifft es den Sonntags-Club in der Greifenhagener Straße: | |
Mieterhöhung. Das deutlichste und schmerzhafteste Zeichen der | |
Gentrifizierung in der Stadt. Der Verein, der den Anlaufpunkt für Berliner | |
Queers in Prenzlauer Berg betreibt, soll knapp mehr als 1.000 Euro mehr | |
Miete pro Monat zahlen – oder gehen. | |
„Wir haben natürlich Verhandlungen mit der Hausverwaltung geführt“, sagt | |
Projektleiter Stefan Mehnert im Gespräch mit der taz, „und die sind auch | |
ein ganz schönes Stück auf uns zugekommen. Aber kurz vor der endgültigen | |
Einigung hat die Verwaltung einen Rückzieher gemacht.“ Alle fünf Jahre muss | |
der Sonntags-Club neue Verhandlungen um eine Mietverlängerung mit den | |
Eigentümern führen. | |
Der Hausverwaltung die Schuld zuschieben – das will das Sonntags-Team aber | |
nicht. Denn vergleichbare Räume in Prenzlauer Berg fangen mittlerweile bei | |
rund 16 Euro pro Quadratmeter an. Der Sonntags-Club kommt selbst nach der | |
Mieterhöhung mit knapp 12 Euro Quadratmeterpreis davon. Bisher zahlt er | |
rund 2.000 Euro für die Räume. „Wir müssen mit dieser Mieterhöhung ab | |
sofort rund 1.000 Euro im Monat mehr bezahlen – und das schmerzt uns | |
natürlich“, rechnet Mehnert vor. | |
Immerhin: Für Dirk Behrendt (Grüne) und seinen Senat für Justiz, | |
Verbraucherschutz und Antidiskriminierung ist der Sonntags-Club ein | |
„wichtiges Handlungsfeld“ und ein „seit Langem zuverlässiger | |
Kooperationspartner“ bei der Umsetzung der Antidiskriminierungs-Strategie | |
des Landes Berlin. | |
So fördert auch die „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen | |
Diskriminierung“ beim Senat seit 1990 das größte Projekt des 1973 noch in | |
der DDR gegründeten Sonntags-Clubs: die psychosoziale Beratung für | |
Trans*-Menschen. | |
Das Wohlwollen seitens des Berliner Senats ist also groß – da wundert es | |
nicht, dass sich Verwaltung und Club-Vorstand schnell einig wurden, dass 60 | |
Prozent der höheren Miete durch zusätzliche öffentliche Förderung bezahlt | |
wird. | |
„Auch uns ärgert, dass die finanziellen Herausforderungen, denen sich der | |
Sonntags-Club – aber auch andere Vereine – derzeit gegenübersehen, leider | |
auch eine Folge des nach wie vor zögerlichen Vorgehens des | |
Bundesgesetzgebers gegen steigende Mieten insgesamt sind“, sagt dazu | |
Antidiskriminierungssenator Dirk Behrendt auf Anfrage der taz. | |
Trotz dieser Unterstützung von Seiten der Politik: Die Förderung allein | |
reicht nicht, um die gestiegene Miete zu bezahlen. „Wir möchten einfach | |
gerne in vier Jahren unseren fünfzigsten Geburtstag feiern“, erklärt | |
Projektleiter Mehnert. Um aber zumindest dieses und nächstes Jahr | |
weitermachen zu können, braucht das Team im Sonntags-Club – trotz der | |
Unterstützung durch den Senat – exakt 7.854 Euro mehr, wie der Club auf | |
seiner [1][Website] verlauten lässt. | |
So klingt es beim Sontags-Club ähnlich wie die Geschichte des Szenelokals | |
„Hafen“ in Schöneberg – auch deren Betreibern war eine Mietverlängerung | |
abhanden gekommen, weil sie die höhere Miete nicht stemmen können. Hier | |
aber hat der Hausbesitzer erst mal eine einjährige Gnadenfrist gewährt, | |
weil der öffentliche Druck durch Protestaktionen und Positionsbekundungen | |
vieler Politiker*innen hoch war. | |
Der Sonntags-Club geht einen anderen Weg. Der Vorstand, der den Club | |
betreibt, will die fehlenden 7.854 Euro bis Ende Mai per Crowdfunding | |
zusammensammeln. Das Team setzt hier auf Spenden und Belohnungen: In | |
verschiedenen Stufen zwischen 15 und 500 Euro verspricht das Team entweder | |
ein herzliches Dankeschön oder eine persönliche Einladung zum | |
Crowdfunding-Abschlussfest inklusive freiem Buffet. | |
Und das scheint zu funktionieren: Unterstützer*innen spendeten bislang | |
bereits über 6.000 Euro für die Arbeit. | |
„Ich persönlich schließe trotzdem nicht aus, dass wir irgendwann noch mal | |
die Räume wechseln oder wechseln müssen“, sagt Projektleiter Mehnert. | |
„Deswegen schauen wir parallel nach neuen Räumen und sind auch mit dem | |
Bezirk Pankow im Gespräch. Wir werden aber sicher nicht heute oder morgen | |
umziehen.“ | |
Zumindest den Fünfzigsten aber sollten Team und Unterstützer*innen | |
wahrscheinlich sogar in Prenzlauer Berg noch feiern können. | |
20 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sonntags-club.de/ | |
## AUTOREN | |
Marc Feuser | |
## TAGS | |
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