# taz.de -- Abstimmung im Bundestag: 371 für Paragraf 219a | |
> Nach langem Streit: Die Reform des Paragrafen, der die Information über | |
> Schwangerschaftsabbrüche regelt, ist beschlossen. | |
Bild: Fühlt sich übergangen: Demonstrantin für die Abschaffung von Paragraf … | |
BERLIN taz | Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstagabend mit den Stimmen | |
der Regierungsmehrheit gegen die Stimmen der Opposition die Reform des | |
Paragrafen 219a Strafgesetzbuch beschlossen. | |
371 Abgeordnete stimmten dafür, 277 dagegen, es gab vier Enthaltungen. | |
Damit ist es Ärzt*innen und Kliniken künftig erlaubt, auf ihren Webseiten | |
zu schreiben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Jede | |
weiterführende Information, etwa über die angewandten Methoden, bleibt aber | |
strafbar – die Ärzt*innen dürfen hier lediglich auf Webseiten im Gesetz | |
festgelegter „neutraler Stellen“ verlinken. | |
So richtig zufrieden dürfte keine*r der Abgeordneten im Plenarsaal an | |
diesem Abend gewesen sein. Die bisherige Gesetzeslage „atmet eine Art und | |
Weise, auf Frauen zu blicken, die diskriminierend und infam ist“, sagte | |
Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion vor den | |
Parlamentarier*innen. Sie suggeriere, Information könne dazu führen, dass | |
Frauen sich für oder gegen einen Abbruch entscheiden. Der nun vorliegende | |
Kompromiss sei nicht, was die SPD sich gewünscht habe, sagte Lauterbach, | |
das sei die Abschaffung gewesen – aber das „war mit der Union nicht zu | |
machen“. | |
Es sei ein „schmerzlicher“ Kompromiss bei einem Thema, „bei dem die | |
Positionen sehr weit auseinanderliegen“, bekräftigte Unions-Fraktionsvize | |
Nadine Schön (CDU). Es gehe um die Situation der ungewollt Schwangeren und | |
der Ärzt*innen – man dürfe dabei aber „nicht ausblenden“, dass es sich … | |
Schwangerschaftsabbrüchen um „das Beenden von Leben“ handle, das „keine | |
ärztliche Leistung wie jede andere“ sei. | |
## „Beschämend“ | |
Nach mehr als einjährigem Ringen, bei dem die Regierungskoalition das Thema | |
in den Ausschüssen ein ums andere Mal von der Tagesordnung nehmen ließ, war | |
am Ende alles ganz schnell gegangen. Ende Januar hatte die Regierung | |
[1][ihren Kompromissvorschlag] für eine Neuregelung des heftig umkämpften | |
Paragrafen vorgelegt, dann wurden im Eildurchlauf erste Lesung, Anhörung | |
und Beschluss in den Ausschüssen absolviert. | |
Die Fraktionen von Union und SPD brachten eigens mit dem Vorschlag der | |
Regierung wortgleiche Anträge ein, um das Verfahren zu beschleunigen – und | |
das, obwohl die Mehrheit der Sachverständigen im Rechtsausschuss den | |
Vorschlag kritisiert und teils sogar verfassungsrechtliche Bedenken | |
angemeldet hatte. | |
„Beschämend“ nannte Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der | |
FDP-Fraktion, den Gesetzentwurf der Regierungskoalition – „aus juristischer | |
und aus frauenpolitischer Sicht“. Versorgungslücken würden nicht | |
angegangen, Ärzt*innen stünden weiterhin mit einem Bein im Gefängnis und | |
würden weiterhin von radikalen Abtreibungsgegner*innen angezeigt. „Wo ist | |
hier der Staat, meine Damen und Herren“, fragte Bauer. Die FDP hatte | |
bereits angekündigt, einen Normenkontrollantrag beim | |
Bundesverfassungsgericht zu erwägen. | |
## Hänel plant Gang zum Bundesverfassungsgericht | |
Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Cornelia Möhring | |
forderte, die SPD möge aufhören, ihren „faulen Kompromiss auch noch | |
schönzureden“. Ärztliche Information bleibe limitiert, ein vollkommen | |
identischer Text sei auf der Webseite einer Ärztin strafbar, während er auf | |
der Seite einer Behörde sogar erwünscht sei. | |
Noch Ende 2017 hatte die SPD den Paragrafen mit dem Titel „Verbot der | |
Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ am liebsten ganz abgeschafft, | |
zusammen mit Grünen, Linken und FDP hätte es dafür sogar eine | |
parlamentarische Mehrheit gegeben. Doch dann scheiterten die | |
Jamaika-Verhandlungen und die SPD ging erneut eine Große Koalition mit CDU | |
und CSU ein – die den Paragrafen am liebsten gar nicht anrühren wollten. | |
Die Koalitionspartner einigten sich darauf, dass die Bundesregierung einen | |
Kompromiss ausarbeiten solle. | |
Der Staat habe Ärzt*innen, die straffreie Schwangerschaftsabbrüche | |
durchführen, eigentlich zu schützen, sagte Katja Keul, rechtspolitische | |
Sprecherin der Grünen-Fraktion. Sie erfüllten einen staatlichen | |
Versorgungsauftrag. „Dann darf man sie nicht mit staatsanwaltlichen | |
Ermittlungsverfahren von der Arbeit abhalten.“ | |
Die Gießener Ärztin Kristina Hänel hat weiterhin vor, [2][mit ihrem Fall | |
bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen]. Ihre Webseite sowie die | |
weiterer angeklagter Ärztinnen werden durch das neue Gesetz strafbar | |
bleiben. Hänels Verurteilung sei es gewesen, „die uns allen doch erst den | |
Handlungsbedarf aufgezeigt hat“, sagte Keul an die SPD gewandt. „Und jetzt | |
wollen Sie einem Gesetz zustimmen, wonach Frau Hänel wieder und wieder | |
verurteilt wird?“ Das tue „nicht nur als Rechtpolitikerin weh“, sagte Keu… | |
21 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Infos-ueber-Schwangerschaftsabbrueche/!5569382 | |
[2] /Aerztin-Kristina-Haenel-bei-Anne-Will/!5570082 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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