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# taz.de -- Debatte Jahrhundertplan Nahost: Eiszeit in Ramallah
> Palästinenserpräsident Abbas lehnt die USA als Vermittler im
> Friedensprozess ab. Er verpasst seine letzte Chance, Geschichte zu
> machen.
Bild: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist seit 14 Jahren an der Macht
[1][Palästinenserpräsident Mahmud Abbas] läutet das 14. Jahr seiner
Amtszeit ein. Die ist genau ein Jahrzehnt länger, als es seine Wähler
geplant hatten. Zwei Drittel der Menschen im Westjordanland und im
Gazastreifen wünschen sich heute seinen Rücktritt. Aktuelle Umfragen des
Palästinensischen Zentrums für Politik und Umfrageforschung (PSR) ergeben
für den islamistischen Chef des Hamas-Politbüros Ismail Hanijeh einen
klaren Popularitätsvorsprung. Dass es aber zu Wahlen in Palästina nicht
kommen wird, dafür sorgt der alte Mann, der in der Mukataa sitzt, gleich
neben dem Grab seines Vorgängers Jassir Arafat, mit eiserner Hand.
Fragt man Palästinenser nach den Errungenschaften der letzten 14 Jahre,
bekommt man bestenfalls einen Hinweis auf außenpolitische Erfolge. Abbas
habe der Welt gezeigt, dass Israel keinen Frieden will, die PLO
(Palästinensische Befreiungsorganisation) ist beobachtender
Nichtmitgliedsstaat bei den UN, und schließlich gab es noch die New Yorker
Resolution, die den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland anprangert.
Tatsächlich aber schwindet das internationale Interesse für die
Palästinenser, während umgekehrt eine offene Annäherung arabischer Staaten
an den zionistischen Erzfeind stattfindet, ohne zunächst auf einer Lösung
des Palästinenserproblems zu beharren. Alles in allem kein sehr rosiges
Resümee für einen Mann, der einst hoffte, sein Volk in die
Eigenstaatlichkeit zu führen.
Fünf Jahre sind seit den letzten direkten Verhandlungen ins Land gezogen,
die Konfliktparteien reden seither nicht über Lösungen, und der einzige
internationale Ansatz, der Pariser Gipfel Anfang 2017, blieb auf
Erklärungen beschränkt. Gleich nach Israels [2][Parlamentswahlen soll im
April] der sogenannte Jahrhundertplan für einen Frieden aus der Feder von
US-Präsident Donald Trumps Nahostgesandtem veröffentlicht werden.
## Nichts läuft, wie vorgestellt
Das Problem ist, dass Abbas die USA als Vermittler ablehnt. Für sein
Misstrauen gibt es gute Gründe, schließlich hat Trump dem internationalen
Konsens zuwider Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, das
diplomatische Corps aus Tel Aviv dorthin umziehen lassen und die
Zuwendungen für die UNWRA, das UN-Hilfswerk für palästinensische
Flüchtlinge, gestrichen. 73 Prozent der Palästinenser stimmen Abbas in dem
Punkt zu, dass er die USA als Vermittler ablehnt.
Nichts läuft so, wie es sich der Palästinenserpräsident vorgestellt haben
mag. Mit Benjamin Netanjahus rechtsnationaler Regierung in Jerusalem sind
Fortschritte im Friedensprozess zweifellos keine leichte Übung. Viele
Palästinenser glauben, dass Israel nur Gewalt versteht. Trotzdem, so
erklärt der politische Analyst Dschihad Harb in Ramallah, steht eine dritte
Intifada außer Frage. „Fragst du einen Palästinenser, ob er für Gewalt ist,
sagt er Ja. Fragst du ihn, ob er selbst mitmachen würde, dann verneint er.“
Abbas bleibt sich treu in der Frage der Gewaltlosigkeit. Nicht zuletzt
braucht er die Israelis. Dass er überhaupt noch den Stuhl des Präsidenten
wärmt, verdankt er der Sicherheitskooperation mit Israels Armee, die ihn
vor einem weiteren islamistischen Sturz, diesmal im Westjordanland,
schützt.
## Palästinenser sollten sich Trumps Plan anhören
Die „Sulcha“ („Versöhnung“), um die sich Hamas und Fatah in den letzte…
Jahren immer wieder bemühten, scheiterte auch am Geld. Für ein
Zusammengehen mit der Hamas hätte Abbas die im Gazastreifen beschäftigten
gut 40.000 Hamas-nahen Beamten bezahlen müssen, ausgerechnet jetzt, wo die
Haushaltskasse leer ist. Schon Mitte Februar legte [3][Israel die
Zuwendungen für Familien] palästinensischer Terroristen auf Eis.
Umgerechnet gut 120 Millionen Euro jährlich blockiert Netanjahus Regierung.
Das, so sein Argument, sei die Summe, die die Palästinensische
Autonomiebehörde an die politischen Häftlinge zahlt.
Abbas reagierte bockig und verweigert aus Protest fortan die kompletten
Steuerzahlungen, die Israel im Auftrag der Palästinenser kassiert und die
rund das Vierfache der Summe ausmachen. Wenn es um die eigene Ehre geht,
dann ist Abbas großzügig. Für den Präsidenten ist die Not seines Volkes
ganz offensichtlich gut aushaltbar. Wenig verwunderlich, dass umgekehrt das
Volk seine Führung nicht mehr will. Mehr als die Hälfte der vom PSR
befragten Palästinenser betrachten die Autonomiebehörde als Last.
Aus Mangel an Alternativen und nur deshalb sollten die Palästinenser
ungeachtet der bisher so offen einseitigen Nahostpolitik Trumps hören, was
er zu sagen hat. Der Plan hält sich an die Ziele, die schon vor 25 Jahren
auf dem Tisch lagen, so ließ Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und einer
seiner Nahostbeauftragten, durchblicken.
## Der Plan sollte nicht ad acta gelegt werden
Demnach müsste es zwei Staaten geben, beide offenbar mit der Hauptstadt
Jerusalem. Es geht um die Einbeziehung der arabischen Nachbarstaaten, die
insbesondere für den wirtschaftlichen Aufbau des Gazastreifens unabdingbar
ist. Solarzellen für die Stromerzeugung, Entsalzungsanlagen für
Frischwasser, Industrie, offene Grenzen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Mit
Ägyptens Hilfe könnte die Not im Gazastreifen erheblich gelindert werden.
Trump wird beiden Seiten, auch Israel, bittere Pillen zu schlucken geben.
Allein die Gründung des Staates Palästina dürfte in Jerusalem einiges
Unwohlsein auslösen. Wie immer auch Israel reagiert, ist jedoch nicht Sache
des Palästinenserpräsidenten. Abbas bekommt auf den letzten Metern seiner
politischen Laufbahn vielleicht noch einmal eine Chance, Geschichte zu
machen.
Sein Volk aus dem Stillstand und wachsender Not zu befreien liegt in seiner
Verantwortung, die Lebensumstände im Gazastreifen verbessern,
Menschenrechtsverletzungen ein Ende machen und das meiste herausholen, was
sich aus dem Jahrhundertplan herausholen lässt, damit die Palästinenser
endlich selbst ihr Schicksal bestimmen können. Aussichtlos? Aussichtslos
wäre es, wenn man den Plan von vornherein ad acta legt.
7 Mar 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Susanne Knaul
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