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# taz.de -- Zombie-Krankheit bei Hirschen: Die Untoten aus dem Wald
> Immer mehr Hirsche erkranken an CWD. Schon wird von der „neuartigen
> Zombie-Krankheit“ schwadroniert. Dabei ist der Erreger lange bekannt.
Bild: Sieht unschuldig aus, wie es da im morgendlichen Sonnenlicht steht, aber�…
Was haben sich zu Lebzeiten der Piraten noch alle lustig gemacht über diese
Partei, als sie im Berliner Abgeordnetenhaus eine Kleine Anfrage gestellt
hat, ob die Hauptstadt denn für den Fall einer [1][„Zombie-Katastrophe“]
gerüstet sei. Dazu bestehe keine Notwendigkeit, antwortete der Berliner
Senat damals kühl. An der These lassen aktuelle Medienberichte allerdings
gewaltig zweifeln. Sie sind da!
Jetzt könnte man denken, dass das massenhafte Auftauchen von Untoten keine
so große Neuigkeit ist. Sahra Wagenknechts „Aufstehen“-Bewegung wankt
schließlich schon eine ganze Weile durch die Gegend, und auch an die
Gestalten aus all den AfD-Fraktionen hat man sich allmählich bereits
gewöhnt.
Doch anders als solche offensichtlichen Monster kommt die aktuelle
Zombie-Bedrohung mit unschuldigen Reh-Augen daher. Sie entstammt nämlich
der Familie Cervidae, also den Hirschartigen, und betroffen sind
beispielsweise Wapitis, Elche, Weißwedel- und Maultierhirsche sowie
Rentiere. Die Tiere magern ab, torkeln apathisch durch den Wald, haben
erhöhten Speichelfluss, zittern am ganzen Körper und werden manchmal auch
aggressiv. Kein Wunder also, dass die Krankheit in den USA, wo sie zuerst
auftrat, den Nickname „zombie deer disease“ erhielt. Ihre medizinische
Bezeichnung bezieht sich auf den dramatischen Gewichtsverlust: Chronic
Wasting Disease, chronische Auszehrungskrankheit, kurz CWD.
Auch wenn die Untoten in der Redaktion von Bento nun von einer
[2][„neuartigen Zombie-Krankheit“] schwadronieren – das Problem ist seit
Langem bekannt. Bereits 1967 wurde CWD in einer in einem Gatter gehaltenen
Herde Maultierhirsche in Colorado identifiziert, 1981 gelang der Nachweis
in freier Natur, und inzwischen ist sie mehr oder weniger flächendeckend
aus 24 US-Bundesstaaten mit Schwerpunkt im Mittleren Westen bekannt, aber
längst sind auch Fälle in Kanada, Norwegen, Finnland und sogar Südkorea
diagnostiziert worden.
## Übertragung auf den Menschen?
Schlagzeilen verursacht CWD nun vor allem, weil Anfang Februar bei einer
Expertenanhörung vor dem State Capitol von Minnesota Michael Osterholm, der
Direktor des Center for Infectious Disease Research and Policy der
University of Minnesota, in drastischen Worten vor den Gefahren der sich
zunehmend ausbreitenden Krankheit warnte: „Es ist wahrscheinlich, dass beim
Menschen Fälle von CWD in Zusammenhang mit dem Verzehr von kontaminierten
Fleisch auftreten werden; es ist möglich, dass in einigen Jahren eine
erhebliche Zahl an Menschen betroffen sein wird“, zitiert die lokale
Zeitung Twin Cities Pioneer Press ihn, und weiter: „Wenn Stephen King einen
Roman über eine Infektionskrankheit schreiben würde, würde er eine wie
diese nehmen.“
Denn CWD gehört zu den sogenannten spongiformen Enzephalopathien, sie ist
also vergleichbar mit dem Rinderwahnsinn BSE, der Schafsseuche Scrapie oder
der menschlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Verursacht werden diese
Krankheiten durch fehlgebildete Proteine, sogenannte Prionen, die sich im
Gehirn ansammeln, es dadurch langsam zerstören und dabei all die
Zombie-Schocker-Effekte auslösen. CWD verläuft immer tödlich.
Ursprung und Übertragungswege in der Natur sind noch nicht aufgeklärt,
vermutlich verläuft die Infektion über kontaminierten Speichel oder Kot. Im
Freien sind die Erreger äußerst zäh und können vermutlich Jahre überdauern,
die Infektion kann also auch über die Umwelt erfolgen, etwa beim Äsen auf
der Wiese.
## Krähen verbreiten die Krankheit
Um das Horror-Szenario noch ein bisschen aufzupeppen, ist inzwischen zum
einen der Nachweis gelungen, dass Krähen als Vektoren dienen, wenn sie die
Krankheitserreger aufnehmen und dann später mit einem Gaulandschen
Vogelschiss irgendwo wieder fallen lassen. Zum anderen ist im Experiment
die Infektion von Affen nachgewiesen worden. Und wenn Affen an CWD
erkranken können, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass das auch beim
Menschen möglich ist.
Ein Problembewusstsein für die Krankheit gibt es in den USA schon lange. In
manchen Bundesstaaten wird Jägern empfohlen, von geschossenen Hirschen eine
Probe auf den Erreger testen zu lassen, in anderen ist das sogar bereits
Vorschrift. Generell wird empfohlen, bei der Verarbeitung der Tiere
Handschuhe zu tragen und Kontakt mit dem Gehirn zu meiden. Auch von
Wildunfallopfern soll man sich fernhalten.
Trotz dieser Maßnahmen breitet CWD sich immer weiter aus. Ist das jetzt
wirklich die Zombie-Apokalypse? Ausgehend von ein paar sabbernden Elchen?
Immerhin 7.000 bis 15.000 infizierte Tiere werden jedes Jahr vom Menschen
gegessen, gab Osterholm an, und jährlich sei mit einem Anstieg um 20
Prozent zu rechnen. Da sei es nicht unwahrscheinlich, dass früher oder
später auch beim Menschen ein Erreger den Sprung über die Artgrenze
schaffe.
Allerdings ist bislang noch kein einziger solcher Infektionsfall bekannt
geworden. Weshalb Jägerei-Vertreter die Sache auch deutlich entspannter
sehen und vor Alarmismus warnen. Vielleicht, weil sie ja ohnehin immer
bewaffnet in den Wald ziehen. Da schreckt sie die Begegnung mit einem
Zombie-Hirsch womöglich weniger.
Andererseits: Vielleicht sollten sie doch besser gewarnt sein. Man weiß
schließlich aus jedem ordentlichen [3][“Walking Dead“]-Drama, dass die
Typen mit der Knarre immer als Erste dran glauben müssen.
19 Feb 2019
## LINKS
[1] /was-fehlt-/!5070983
[2] https://www.bento.de/today/zombie-hirsch-krankheit-breitet-sich-in-usa-aus-…
[3] /Debatte-Weltuntergang/!5071472
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Hirsche
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Schwerpunkt AfD
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