Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Inklusion bei Eintracht Frankfurt: Barrierefrei auch in der Kurve
> Eintracht Frankfurt hat einen Abholdienst für Fans im Rollstuhl
> eingerichtet. Was Barrierefreiheit angeht, ist der Klub vorbildlich.
Bild: Sehr sinnvoll, so ein Abholdienst für Fans im Rollstuhl: Eintracht-Fans …
Frankfurt/Main taz | Zehntausende Menschen strömen durch die Gänge rund um
die Frankfurter Arena, stimmen sich bei Bier und Bratwurst ein, besingen
ihre Vereine. Die Sonne strahlt, der Himmel ist nahezu wolkenlos. Inmitten
des großen Trubels sitzt Clemens Schäfer und begrüßt eintreffende Fans. Die
anfängliche Nervosität des Behindertenfanbeauftragten ist einem gelösten
Lächeln gewichen.
Für die Frankfurter Eintracht ist es ein ganz besonderer Spieltag gegen
Borussia Mönchengladbach, denn erstmals werden Fans im Rollstuhl kostenlos
von zu Hause abgeholt, ins Stadion gebracht und nach dem Spiel nach Hause
gefahren. Es ist die Premiere einer Dienstleistung, die nun bei jedem
Heimspiel angeboten werden soll – auch am Samstag, [1][wenn die TSG
Hoffenheim zu Gast ist].
Kurz vor 15 Uhr sind fast alle Fahrten angekommen, Schäfer lächelt
zufrieden. „Fahrdienst läuft!“, kommentiert er. Der 62-Jährige kümmert s…
seit zwölf Jahren als Behindertenfanbeauftragter von Eintracht Frankfurt um
Fans mit körperlichen Einschränkungen. 110 Fans im Rollstuhl sind bei jedem
Spiel da. Für sehbehinderte Menschen bietet die Fanbetreuung einen
Audiokommentar an. Der Fahrdienst, eine Kooperation mit dem Fahrservice
„Köhler Transfer“, ist bundesweit einmalig. Zum Auftakt haben haben ihn 30
Eintrachtfans wahrgenommen.
„Wir haben einen Riesenbedarf an Rollstuhlplätzen“, sagt Schäfer. 110
Plätze gibt es im Stadion, Die seien immer belegt. Rund 240 Interessenten
listet der Verein. Die Plätze sind über den gesamten Unterrang verteilt,
Begleitpersonen sitzen direkt neben den Rollstuhlfahrer_innen. „Frankfurt
bietet schon wirklich viel“, meint Alexander Friebel. Der Vorsitzende der
Bundesbehindertenfan-Arbeitsgemeinschaft BBAG nennt den Fahrservice der
Eintracht „in dieser Form sicherlich einmalig“.
## Rollatorparkplätze in Probe
Die Stadien in der ersten und zweiten Bundesliga bieten insgesamt 4.940
ausgewiesene Plätze für Fans mit Behinderung, darunter 2.590 Plätze für
Rollstuhlfahrer_innen. Unter „Barrierefrei ins Stadion“ bietet die
Stiftung der Deutschen Fußball Liga (DFL) [2][einen
„Bundesliga-Reiseführer“] mit Informationen zur Anfahrt, listet
Ansprechpersonen auf und unterstützt mit Audio-Guides und Texten in
leichter Sprache die Planung des Stadionbesuchs. Vorgaben der DFL sowie der
Fußballverbände verpflichten mittlerweile zu baulichen und personellen
Maßnahmen. Friebel sieht die Bundesliga im europaweiten Vergleich dabei
vorne.
So könnten die Bundesligastadien durchaus mit der englischen Premier
League mithalten, die in Sachen Barrierefreiheit eine Vorreiterrolle
einnimmt. So bietet der FC Arsenal seit 2017 Kindern mit Autismus
lärmgeschützte Räume mit beruhigendem Licht und alternativen
Spielmöglichkeiten. Mehrere englische Klubs haben schon nachgezogen. Auch
an die älter werdende Gesellschaft müsse die Bundesliga denken, betont
Friebel und verweist auf Rollatorparkplätze, wie sie Bayer Leverkusen
erprobe.
Große Hoffnungen legen sowohl die BBAG als auch die Frankfurter
Behindertenfanbetreuung in die Männer-EM 2024 in Deutschland. Das Turnier
biete die Chance, Stadien umzubauen, neue barrierefreie Angebote zu
schaffen. Schäfer sieht selbst durch geringe Umbaumaßnahmen die Möglichkeit
zur Verdopplung der Rollstuhlplätze in Frankfurt.
## „Gelebte Inklusion“
Beim Spiel gegen Mönchengladbach ist die Sehbehindertentribüne bis auf den
letzten Platz gefüllt. Mehrere Reporter_innen kommentieren das Spiel,
Fans können den Kommentar mit bildlichen Eindrücken und einer speziellen
Einordnung des Spielgeschehens per Headset verfolgen. So werden Aktionen
des Frankfurter Torwarts nicht nur erläutert und gelobt, sondern es wird
auch von dessen strahlend gelbem Trikot berichtet. Als die Gladbacher
Gästefans unmittelbar vor dem Anpfiff Pyrotechnik zünden, gibt es einen
kleinen Hinweis, dass es „gleich etwas verbrannt“ riechen könnte.
Während man sich auf der Pressetribüne gegenüber in sportlicher Neutralität
dem Spielgeschehen widmet, sind die Sehbehindertenreporter_innen in
Vereinsfarben gehüllt, jubeln beim Treffer ihrer Mannschaft, leiden beim
Gegentor – und verdrücken in ihren Pausen genüsslich die obligatorische
Stadionwurst. Unterstützung von Fans für Fans, die auch Friebel wichtig
ist, denn „gelebte Inklusion“ bedeute, dass „alle zusammen das
Fußballgefühl ausleben können und ein Teil davon sind“.
Ein respektvoller Umgang gegenüber Fans mit Behinderung sei mittlerweile
weitestgehend Konsens, meint Friebel. So seien Berichte über feindliche
oder diskriminierende Äußerungen selten geworden und der Umgang vor allem
von Unterstützung geprägt. Das betont auch Schäfer, während er sich mühsam
durch eine große Gruppe Gästefans drängelt. Der Umweg ist leider nicht zu
vermeiden, weil nicht jeder Weg im Stadion barrierefrei ist. Es gibt also
auch in Frankfurt noch zu tun.
1 Mar 2019
## LINKS
[1] http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/spieltag/1-bundesliga/2018-19…
[2] https://www.dfl-stiftung.de/bundesliga-reisefuehrer/
## AUTOREN
Kevin Culina
## TAGS
Fußball
Fußball-Bundesliga
Inklusion
Eintracht Frankfurt
Barrierefreiheit
Kirchentag 2023
Eintracht Frankfurt
UN-Behindertenrechtskonvention
Martin Hinteregger
Eintracht Frankfurt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Barrierefrei auf dem Kirchentag: Vorbild in Sachen Inklusion
In puncto Barrierefreiheit haben die Veranstalter des Kirchentags in
Dortmund ein Lob verdient. Menschen mit Behinderung sollen sichtbar sein.
Halbfinale der Europa League: Bröseliger Zement
Eine runderneuerte Frankfurter Eintracht möchte gegen den FC Chelsea ins
Finale der Europa League einziehen. So weit kam sie zuletzt 1980.
Kommentar Behindertenrechtskonvention: Revolutionspotenzial verschenkt
Inklusion braucht einen tiefgreifenden Systemwandel. Auch 10 Jahre nach
Inkrafttreten der UN-Konvention sind wir davon weit entfernt.
Kolumne Helden der Bewegung: Man spricht Landserdeutsch
Die Eintracht lacht, Jens Lehmann hat einen Job und ein Kneipenwirt packt
aus: Warum Martin Hinteregger das Augsburger Lustspiel für sich entschied.
Kolumne Pressschlag: Transparent bei Razzia gefunden
Der Polizeieinsatz gegen die Ultras bei Eintracht Frankfurt scheint nur auf
den ersten Blick irrational. Pyrotechnik ist ein willkommener Anlass.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.