| # taz.de -- Kolumne Macht: Telegramm nach Teheran | |
| > Mit Lichterketten macht man keine Außenpolitik: Es ist von Amts wegen | |
| > richtig, dass Präsident Steinmeier dem Regime in Teheran gratuliert hat. | |
| Bild: Alles ok, Frank-Walter Steinmeier: Oft geht es einfach nur um freundliche… | |
| Vorsicht bei der Einführung neuer Traditionen und Gewohnheiten. Einmal | |
| etabliert, lassen sie sich meist nur schwer wieder abschaffen, ohne dass | |
| jemand beleidigt ist. Langfristige Verstimmungen sind oft die Folge. Was | |
| für unverbrüchlich treue Silvesterrunden oder die einst so romantisch | |
| wirkende Idee gilt, den Hochzeitstag ewig beim selben Italiener um die Ecke | |
| zu feiern, gilt auch für Beziehungen zwischen Staaten. Wie sich jetzt | |
| [1][an der Kontroverse um das Glückwunschtelegramm] von Bundespräsident | |
| Frank-Walter Steinmeier anlässlich des 40. Jahrestages der iranischen | |
| Revolution zeigt. | |
| Es gibt gute, spontan wunderbar einleuchtende Gründe für Kritik an dem | |
| Telegramm. Das iranische Regime verletzt systematisch die Menschenrechte im | |
| eigenen Land und verfolgt eine aggressiven, militaristischen Kurs, der | |
| bereits ungezählte Todesopfer gefordert hat. Herzlichen Glückwunsch zur | |
| Diktatur? Lieber nicht. | |
| Aber es war eben nicht Steinmeier, der als Bundespräsident mit dieser | |
| Praxis angefangen hat, und dieses Argument ist nicht der Versuch, mit dem | |
| Finger auf andere zu deuten, um von dem Fehler eines Einzelnen abzulenken. | |
| Sondern politisch relevant. Wer mit einer Tradition bricht, wie unselig die | |
| auch sein mag, sendet damit ein Signal aus. | |
| ## Nichts als Routine | |
| Die Europäische Union bedauert den Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit | |
| Iran. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den transatlantischen | |
| Verbündeten sind – auch – bei diesem Thema anhaltend und tief greifend. Und | |
| ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt soll das deutsche Staatsoberhaupt ein | |
| Telegramm nicht abschicken, das in den letzten Jahren routinemäßig versandt | |
| wurde, ohne dass bislang ein Hahn oder eine Henne danach gekräht hätte? Wer | |
| meint, es gehe bei dieser Frage in erster Linie um eine prinzipielle | |
| Wertediskussion, dürfte auch glauben, dass sich Außenpolitik mit | |
| Lichterketten gestalten lässt. | |
| Hätte Steinmeier nicht telegrafiert, dann hätte er etwas getan, was gerade | |
| nicht seines Amtes ist: Nämlich ein tagespolitisches Zeichen gesetzt. Es | |
| ist ein Unterschied, ob die Bundeskanzlerin dem ägyptischen Diktator Abdel | |
| Fattah al-Sisi herzlich dazu gratuliert, dass er zum Vorsitzenden der | |
| Afrikanischen Union gewählt wurde oder ob der Bundespräsident dem | |
| iranischen Regime seine Glückwünsche übermittelt. Sie regiert, er | |
| repräsentiert. Ob das Auswärtige Amt begeistert gewesen wäre, hätte | |
| Steinmeier gerade dieses Mal nicht nach Teheran telegrafiert? Wohl kaum. | |
| Man kann das Amt des Bundespräsidenten überflüssig finden. Anderes Thema. | |
| Derzeit gibt es das Amt, und der Grundgedanke hinter dessen Konstruktion | |
| ist der Wunsch nach einem Staatsoberhaupt, der oder die jenseits | |
| tagespolitischer Auseinandersetzungen das vertritt, was die demokratische | |
| Öffentlichkeit verbindet. Um das tun zu können, brauchen er oder sie aber | |
| auch einen gewissen Freiraum. Und einen Fundus an Vertrauen, der nicht der | |
| Person gelten muss. Wohl aber dem Amt. | |
| Wenn der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland öffentlich | |
| scharfe Kritik am Bundespräsidenten äußert oder – ebenso öffentlich – d… | |
| Frage diskutiert wird, ob er auf dem evangelischen Kirchentag willkommen | |
| sein sollte, dann sind das dramatische Vorgänge. Egal, wie gering das | |
| Interesse einer breiten Öffentlichkeit an einem demokratietheoretischen | |
| Thema auch sein mag. | |
| War den Beteiligten bewusst, was sie getan haben? Haben sie es gewollt? | |
| Falls nein, und dafür spricht manches, dann müssen sie sich die Frage | |
| gefallen lassen, wie groß eigentlich ihr Respekt vor den demokratischen | |
| Institutionen dieses Landes ist. Und den damit verbundenen Werten. | |
| 1 Mar 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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