# taz.de -- Kolumne Macht: Ich bin eine Erbin | |
> Endlich löst sich die SPD vom Neoliberalismus der Schröder-Jahre. Aber | |
> eine Grundrente für alle geht dann doch zu weit. | |
Bild: Familie sein, Geld haben, Zukunft planen: Westdeutsche Mittelschichtler h… | |
Meine gesetzliche Rente wird kläglich ausfallen. Seit 28 Jahren arbeite ich | |
für die taz – verdiene also deutlich unter Tarif –, und meistens war ich in | |
Teilzeit beschäftigt. Aber es gibt keinen Grund, mich zu bemitleiden. Als | |
einziges Kind gut situierter Eltern wusste ich schon lange, dass ich genug | |
erben würde, um im Hinblick auf meine Alterssicherung später nicht | |
ausschließlich auf die gesetzliche Rente angewiesen zu sein. | |
Damit bin ich nicht allein. In Westdeutschland leben wir längst in einer | |
Erbengesellschaft. Bereits 2012 zitierte Die Zeit eine Untersuchung, der | |
zufolge das Vermögen der Deutschen einschließlich ihrer Immobilien etwa | |
zehnmal so hoch war wie die Summe aller Löhne und Gehälter. In den | |
Gründungsjahren der Bundesrepublik hatte sich das noch ungefähr die Waage | |
gehalten. | |
Dabei geht es nicht um Multimillionäre. Die Mittelschicht erbt, jedenfalls | |
im Westen. Im Osten sieht das anders aus – eine Ungerechtigkeit, die noch | |
lange nicht überwunden sein wird. | |
Das Thema Erbe gehört zu den größten Tabus, oft sogar innerhalb von | |
Familien. Viele empfinden es als geschmacklos, den Tod der Eltern in die | |
Lebensplanung einzubeziehen. Nicht alle haben schließlich eine so wunderbar | |
sachliche Mutter wie ich, die irgendwann trocken sagte: „Es gibt ja nur | |
zwei Möglichkeiten. Entweder du erbst, oder du brauchst es nicht mehr.“ | |
Hinzu kommt die offenkundige Gerechtigkeitslücke, die mit Erbschaften | |
verbunden ist. Eine Vermögenssteuer könnte diese zumindest abmildern. Aber | |
ich finde es nicht grundsätzlich ehrenrührig, von den Eltern zu erben. | |
Größtmögliche Fürsorge für die Nachkommen noch über den eigenen Tod hinaus | |
ist vielen Menschen ein Herzensanliegen, und auch ich wünsche mir sehr, | |
meiner Tochter etwas hinterlassen zu können. | |
Allerdings meine ich nicht, dass mir die Steuerzahler dabei unter die Arme | |
greifen sollten. Seit Jahren habe ich gehofft, dass sich die SPD vom | |
Neoliberalismus der rot-grünen Koalition unter dem damaligen Bundeskanzler | |
Gerhard Schröder verabschiedet. Jetzt sieht es so aus, [1][als ginge dieser | |
Wunsch in Erfüllung]. Endlich. | |
Leider geht das Konzept von Arbeitsminister Hubertus Heil, das eine | |
Grundrente für alle vorsieht, einen Schritt zu weit. Nett, wenn ich vom | |
Staat künftig zusätzlich noch Geld bekomme. Nett, aber ungerecht. | |
## Misstrauen und Würde | |
Es wäre schön, wenn das demütigende Wort „Bedürftigkeitsprüfung“ bei d… | |
Diskussion nicht mehr verwendet würde. Niemand will „bedürftig“ sein. Als… | |
Anspruchsprüfung. Eine solche Anspruchsprüfung darf nicht in Schnüffelei | |
ausarten, sie darf auch nicht die Privatsphäre der Betroffenen verletzen. | |
Und schon gar nicht ihre Würde. | |
Im Zusammenhang mit Hartz IV sind diese einfachen Grundsätze wieder und | |
wieder verletzt worden. Wenn staatliche Stellen nachschauen, ob im Bad eine | |
zweite Zahnbürste steht, um daraus schlussfolgern zu können, es gebe | |
vielleicht doch einen – unterhaltspflichtigen – Lebenspartner: Dann steht | |
dahinter ein Misstrauen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern. Ihnen wird | |
unterstellt, sich Leistungen erschleichen zu wollen. Das entspricht nicht | |
dem Menschenbild in einer Demokratie. | |
Die Herausforderung besteht nun darin, eine Anspruchsprüfung zu entwickeln, | |
die weder herabsetzend ist noch dazu führt, dass die Steuergelder von | |
Krankenschwestern zur Aufbesserung der Altersbezüge von wohlhabenden Erben | |
verwendet werden. Unsere Gesellschaft sollte allen ein Alter in Würde | |
ermöglichen. Aber: Es muss eben doch auf den Einzelfall geschaut werden. | |
15 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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