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# taz.de -- Tücken humanitärer Hilfe in Afghanistan: „An die Menschen denke…
> Die Deutsche Welthungerhilfe appelliert daran, die Menschen am Hindukusch
> nicht zu vergessen. Hilfe sei weiter nötig und möglich.
Bild: Bauern in der ostafghanischen Provinz Nangarhar
Berlin taz | Die [1][Politik in und um Afghanistan] ist in Bewegung: Es
gibt ernsthafte Verhandlungen der USA mit den Taliban, US-Präsident Donald
Trump liebäugelt in Tweets mit einem Abzug der US-Truppen vom Hindukusch,
die deutsche Regierung denkt an eine [2][neue Afghanistan-Konferenz] am
Petersberg und für Juli stehen in dem kriegsgeplagten Land
Präsidentschaftswahlen an. Doch darüber sollten die Menschen nicht
vergessen werden, die im afghanischen Alltag mit einer humanitären Krise
konfrontiert sind, mahnt die Deutsche Welthungerhilfe.
„Die politischen Entwicklungen sind zur Zeit nicht vorhersehbar, wir
konzentrieren uns auch deshalb auf unsere Arbeit“, sagt Thomas ten Boer,
der Landesdirektor der Hilfsorganisation, am Donnerstag vor Journalisten in
Berlin.
„Im Oktober konnte sich noch niemand vorstellen, dass die USA an einen
Abzug denken, im November wurde dies plötzlich zum großen Thema.“ Jetzt
wisse niemand, was morgen geschehe.
„Wir versuchen unsere Arbeit in Afghanistan längerfristig zu planen“, sagt
ten Boer. Er sei davon überzeugt, dass dort weiterhin sinnvolle
Entwicklungsarbeit gemacht werden kann, wenn mit den Menschen vor Ort
zusammengearbeitet werde.
## Seit 1980 in Afghanistan aktiv
Die Organisation mit Sitz in Bonn nahm schon 1980 ihre Hilfe in Afghanistan
auf, leistete zunächst Flüchtlingshilfe vom Nachbarland Pakistan aus.
Damals wurde Afghanistan kommunistisch regiert.
1999, also während der Herrschaft der islamistischen Taliban in weiten
Teilen des Landes, eröffnete die Welthungerhilfe ein Landesbüro in Kabul.
Heute gibt es vier weitere Regionalbüros im Norden und Osten des Landes.
Derzeit führt die Organisation 13 Projekte mit insgesamt vier
internationalen und mehr als 200 einheimischen Mitarbeitern durch.
„Unser Schwerpunkt liegt auf ländlicher Entwicklung“, sagt ten Boer. „Wir
arbeiten direkt mit Gemeinschaften vor Ort.“ Zur Zeit gehe es darum, mit
den Folgen der schweren Dürre vom letzten Jahr fertig zu werden. „Wir geben
den Dörfern positive Beispiele“, sagt er und nennt etwa Gewächshäuser.
„Wenn die Menschen sehen, was wir machen, wollen sie das auch haben.“
Sein afghanischer Kollege Farshid Farzam verweist darauf, dass zur Zeit
drei Millionen Afghanen dringend auf Hilfe angewiesen seien.
„Hilfsbedürftig sind insgesamt sechs Millionen Menschen“, sagt er. Die
Schwierigkeit sei, auf der ersten Nothilfe weiter aufzubauen.
„So geht es etwa nicht nur um die Menge der zur Verfügung stehenden
Lebensmittel, sondern auch um deren Qualität“, ergänzt ten Boer. Es gebe
inzwischen meist genug Brot, aber damit allein sei die Ernährung der
Menschen viel zu einseitig.
## Lücken in der internationalen Hilfe
Er sieht Lücken in der internationalen Hilfe: „Es gibt Nothilfe bei Dürre,
und auch Hilfen für Flüchtlinge“, sagt er. Von denen seien zuletzt fast
eine Million aus dem Iran zurückgekehrt. „Es gibt auch
Entwicklungsprojekte, aber kein Geld, um Gemeinschaften vor Ort
widerstandsfähiger gegen Katastrophen und Notlagen zu machen.“ So fehlten
Gelder, um etwa Futtermittel anzubauen. Auch seien die Projektzyklen oft zu
kurz.
Seine Kollegin, die Programmleiterin Julia Broska, nennt ein dagegen
Erfolgsbeispiel aus der östlichen Provinz Nangarhar. Dort gehe es einer
Familie durch den erfolgreichen Gemüseanbau der Frau seit zwei Jahren
sichtbar besser.
In Nangarhar an der Grenze zu Pakistan sei die Sicherheitslage jedoch
schwierig. Dort kämpften nicht nur die Taliban gegen die Regierung, sondern
auch Milizen des Islamischen Staates (IS), die zugleich den Taliban
Konkurrenz machten.
„Wir arbeiten direkt nur in Gebieten unter Regierungskontrolle,“ sagt
Broska. In umkämpften Gebieten arbeite die Welthungerhilfe entweder gar
nicht oder nur über lokale Gruppen. Sei man mit Forderungen der Taliban
nach einer „Besteuerung“ von Projekten konfrontiert, würde Projekte
zunächst ausgesetzt und die Dorfältesten aufgefordert, Lösungen zu finden.
## Keine „Steuern“ an die Taliban
Die Gesetzeslage verbiete „Steuern“ an die Taliban zu zahlen. Das gelte als
Terrorfinanzierung, wobei die Taliban etwa im Unterschied zum IS nicht
offiziell als Terrorgruppe geführt würden. Zugleich pocht die
Welthungerhilfe auf ihre Neutralität. „Und es gibt auch Wege, wie wir die
Zahlung von ‚Steuern‘ an die Taliban verhindern können,“ sagt ten Boer.
Doch gebe es eben auch Fälle, wo Projekte beendet werden müssten. So
arbeite die Welthungerhilfe nicht mehr an dem früheren Bundeswehrstandort
Kundus. Farzam verweist darauf, dass auch die Taliban nicht monolithisch
sind und manchmal auch konstruktiv sind. So lehnten sie etwa in der
Südprovinz Helmand Impfungen gegen Polio nicht mehr ab.
„In den letzten fünf Jahren haben wir pro Jahr etwa fünf bis sieben
Millionen Euro von der Bundesregierung für Projekte in Afghanistan
bekommen“, sagt Broska. Unklar sei, was passiere, sollten die
Afghanistan-Mittel der bundeseigenen Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (giz) weiter reduziert würden, mit der die Hungerhilfe
teilweise kooperiere.
Ten Boer sieht einen Trend bei westlichen Regierungen, mehr HIlfsgelder
über UN-Organisationen zu geben statt direkt an
Nichtregierungsorganisationen. „Wir können uns auf UN-Projekte bewerben,
aber dann gibt es damit eine weitere Ebene in dem Projekt“, sagt ten Boer.
Broska warnt davor, die Entwicklung in Afghanistan seit dem Sturz des
Taliban-Regimes Ende 2001 nur negativ zu sehen. „Dort ist in den letzten 17
Jahren viel passiert. Für viele Frauen ist es doch zum Beispiel ein
Unterschied, dass sie in der Zeit Bildungsmöglichkeiten hatten.“ Bei aller
Ernüchterung über politische Entwicklungen dürften die Menschen eben nicht
aus dem Auge verloren werden.
14 Feb 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Sven Hansen
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