# taz.de -- Endlos-Verfahren gegen Neonazis: Prozess-Posse, die dritte | |
> Seit Jahren wird das Verfahren gegen das Neonazi-„Aktionsbüro | |
> Mittelrhein“ sabotiert. Nun startet die Neuauflage. Und die Regierung | |
> reagiert. | |
Bild: Angeklagter in der zweiten Auflage des „Aktionsbüro“-Prozesses im Ok… | |
BERLIN taz | Es ist der dritte Anlauf, der am Dienstag im Saal 128 des | |
Landgerichts Koblenz startet: Wieder wird dann ein Prozess gegen das | |
rechtsextreme „Aktionsbüro Mittelrhein“ eröffnet. Und wieder beginnt das | |
Bangen: Wird es diesmal zu einem Urteil kommen? | |
Das Verfahren ist schon jetzt eine legendäre Farce. Bereits vor | |
sechseinhalb Jahren, im August 2012, begann der erste Prozess gegen die | |
Neonazi-Bande. Im „Aktionsbüro Mittelrhein“ hatten sich mehrere | |
rechtsextreme Kameradschaften zusammengeschlossen, ihre Zentrale lag im | |
„Braunen Haus“ in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz). Die Neonazis sollen Linke | |
attackiert, Hakenkreuze gesprüht, Brandanschläge auf Autos verübt und einen | |
Angriff auf ein alternatives Hausprojekt in Dresden-Löbtau begangen haben. | |
Es folgte eine Großanklage gegen 26 Angeklagte, rund 1.000 Seiten stark – | |
und ein erster Endlosprozess. | |
[1][337 Prozesstage verhandelte das Oberlandesgericht Koblenz, bis zum Mai | |
2017] – oder versuchte es. Denn die Verteidiger legten mit mehr als 500 | |
Befangenheits- und 240 Beweisanträgen den Prozess lahm. Angeklagte | |
erschienen in „Braun ist Trumpf“-Pullover, meldeten sich krank, einmal | |
wurde eine Stinkbombe gezündet. Am Ende ging der Vorsitzende Richter in | |
Rente – der Prozess platzte. | |
Auch ein zweiter Anlauf im Herbst 2018 scheiterte. Schon nach zwei Tagen | |
wurde der Prozess ausgesetzt: Das Gerichtspräsidium und die verhandelnden | |
Richter stritten, ob die richtige Kammer den Prozess führe. | |
Nun startet Versuch Nummer drei. Wieder gibt es eine dicke Anklage, 926 | |
Seiten stark. Die Vorwürfe lauten auf Bildung einer kriminellen Vereinigung | |
oder Körperverletzungen. Beschuldigt sind nun nur noch 13 Rechtsextreme, | |
darunter Sven Skoda, Bundeschef der Splitterpartei „Die Rechte“. Die | |
Verfahren gegen die anderen einst Angeklagten wurden abgetrennt oder | |
eingestellt. | |
## „Exzessive Konfliktverteidigung“ | |
Schon jetzt ist das Verfahren eines der längsten in der Bundesrepublik, | |
länger noch als der NSU-Prozess. Günter Krings, Staatssekretär von | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), nannte ihn kürzlich als Beispiel, | |
wie Verfahren „durch Konfliktverteidigung exzessiv in die Länge gezogen“ | |
würden. Prozesse aber dürfen nicht „undurchführbar“ werden. Darunter lei… | |
das Vertrauen in den Rechtsstaat. | |
Union und SPD einigten sich bereits im Koalitionsvertrag darauf, | |
Strafverfahren zu straffen. So sollen „missbräuchliche“ Befangenheits- und | |
Beweisanträge leichter abgelehnt, Besetzungsrügen schon vor Prozessbeginn | |
entschieden werden können. Schon seit Monaten wurden entsprechende | |
Eckpunkte für einen Gesetzentwurf im Haus von Bundesjustizministerin | |
Katarina Barley (SPD) erarbeitet. Nach taz-Informationen will sie diese nun | |
am Dienstag final mit Seehofer abstimmen. Größere Hürden gebe es nicht | |
mehr, heißt es. Eine Sprecherin Barleys sagte, der Gesetzentwurf werde | |
„noch in diesem Jahr vorgelegt“. | |
Im neuen „Aktionsbüro“-Prozess hilft das also vorerst nicht. Und dort sind | |
erneut Verzögerungen zu erwarten. Die Vorwürfe seien „unhaltbar“, beklagen | |
die Neonazis. Der Prozess sei ein „Skandal“. Das Gericht hat bereits | |
Termine bis Dezember angesetzt. Vorerst. | |
26 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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