# taz.de -- Düstere Aussichten für die Konjunktur: R-Wort nicht mehr vermeidb… | |
> An der Rezession vorbeigeschrappt? Nix da, meinen die Ökonomen Flassbeck | |
> und Spiecker: mittendrin. Finanzminister Scholz glaubt's nicht. | |
Bild: Pi-mal-Daumen-Indikator: Einfach mal am Samstag in der Shoppingzone nachg… | |
Berlin taz | Die Wirtschaft in Deutschland schrumpft. „[1][Sie befindet | |
sich mitten in der Rezession“, haben Heiner Flassbeck und Friederike | |
Spiecker] berechnet. Die beiden Ökonomen korrigieren damit die Ergebnisse | |
des Statistischen Bundesamtes. Dieses hatte zuletzt gemeldet, die deutsche | |
Wirtschaft habe im [2][vierten Quartal 2018 nur „stagniert“]. | |
Auch die Bundesregierung will von einem Abschwung nichts wissen. | |
SPD-Finanzminister Olaf Scholz sagte am Montag: „Wir haben unverändert eine | |
ordentliche wirtschaftliche Entwicklung. Die Beschäftigung nimmt weiter | |
zu.“ Allerdings räumte Scholz ein, „das Wachstum hat sich verlangsamt“. | |
Nach den Berechnungen von Flassbeck und Spiecker befindet sich die deutsche | |
Wirtschaft jedoch eindeutig im Abschwung. Die beiden verwenden die gleichen | |
Erhebungen wie das Statistische Bundesamt – deuten sie aber anders. | |
Im Zentrum ihrer Analyse steht, dass das produzierende Gewerbe seit Mai | |
2018 schrumpft: Das Minus beläuft sich auf fünf Prozentpunkte. Das | |
produzierende Gewerbe ist für Wirtschaftsprognosen besonders interessant, | |
weil es ein Frühindikator für die konjunkturelle Gesamtentwicklung ist: | |
Maschinen oder Autos werden vor allem gekauft, wenn Zuversicht herrscht. | |
Doch die Stimmung hat sich eingetrübt. Auch andere Frühindikatoren deuten | |
darauf hin, dass ein Abschwung ansteht: Der ifo-Geschäftsklima-Index sinkt | |
bereits seit mehr als einem Jahr. | |
## Wie schlimm ist es? | |
Doch wie tief ist die Rezession insgesamt? Das produzierende Gewerbe ist ja | |
nur ein Teil der Wirtschaft, und nicht alle Branchen sind so | |
konjunkturabhängig: Bereiche wie Pflege, Gesundheit oder Erziehung arbeiten | |
konstant weiter, egal wie es in den Firmen läuft. Flauten in den | |
Produktionsbetrieben schlagen daher nur gedämpft auf die Gesamtkonjunktur | |
zurück. | |
Ein hilfreicher Vergleich ist die kurze Rezession 2012/13: Damals sank die | |
gewerbliche Produktion in zwei Quartalen um kumuliert 3,5 Prozentpunkte, | |
die gesamte Wirtschaftsleistung schrumpfte aber nur um etwa 0,8 Prozent. | |
Mit einem Minus von fünf Prozentpunkten ist das produzierende Gewerbe | |
diesmal stärker eingebrochen – daher dürfte auch die Rezession gravierender | |
ausfallen. | |
Einen Ausreißer scheint es allerdings zu geben: Der Verband des | |
Bauhauptgewerbes meldete am Montag optimistisch, dass man für 2019 mit | |
einem realen Umsatzplus von einem Prozent rechne. Flassbeck hält diese | |
Prognose für wenig überzeugend und zitiert erneut den | |
ifo-Geschäftsklima-Index: „Auch im Bau sind die Erwartungen deutlich nach | |
unten gerichtet, alles andere ist Propaganda.“ Daten des Statistischen | |
Bundesamtes und der Bundesbank weisen ebenfalls aus, dass das Ausbaugewerbe | |
bereits seit Frühjahr 2018 schrumpft. | |
Nur warum kommt es überhaupt zur Flaute? Das Statistische Bundesamt hat | |
drei Faktoren ausgemacht, die die deutsche Wirtschaft belasten: die | |
protektionistische Handelspolitik von US-Präsident Trump, die Dürre im | |
vergangenen Sommer und die Absatzschwäche bei Dieselfahrzeugen durch den | |
Abgasskandal. Flassbeck findet diese Analyse zu kleinteilig: „Es gibt eine | |
konjunkturelle Abkühlung auf der ganzen Welt, und die trifft Deutschland am | |
härtesten, weil es am stärksten exportabhängig ist.“ | |
Noch herrscht fast Vollbeschäftigung, aber Flassbeck fürchtet, dass es bald | |
mehr Arbeitslose geben könnte, falls die Bundesregierung nicht ein | |
Konjunkturprogramm auflegt. „Sie sollte Geld ausgeben, mit vollen Händen“. | |
Bedarf gebe es jedenfalls genug: „Von der Infrastruktur bis zur Ökologie“. | |
26 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://makroskop.eu/2019/02/die-deutsche-wirtschaft-ist-in-der-rezession/ | |
[2] https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2019/02/… | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## TAGS | |
Konjunktur | |
Unternehmen | |
Statistik | |
Rezession | |
SPD | |
Eurozone | |
Olaf Scholz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ökonom über Wirtschaftszyklen: „Wir leihen uns das Wachstum“ | |
Der Brexit und Trumps Handelskonflikt beeinflussen die Wirtschaft deutlich | |
weniger als gemeinhin angenommen. Das sagt der US-Ökonom Lakshman Achuthan. | |
Kommentar verpasste Chancen der SPD: Aufschwung verzweifelt gesucht | |
Bei einer Wirtschaftskrise würde die SPD untergehen. Denn um ihr | |
Sozialprogramm umzusetzen, bräuchte sie eine Hochkonjunktur. | |
Konjunktur in der Eurozone: Warnung vor neuem Teufelskreis | |
Italien in der Rezession, Deutschland nicht viel besser: Die beiden | |
ungleichen Länder bremsen die Wirtschaft in der Eurozone – anders als die | |
„Gelbwesten“. | |
Im Fall eines Wirtschaftsabschwungs: Scholz arbeitet an einem Notfallplan | |
Die schöne Zeit sei vorbei, sagt der Bundesfinanzminister. Sollte die | |
Wirtschaftsleistung sinken, sehe er geringere Steuern und Mehrausgaben vor. |