# taz.de -- Kunstmessen in Mexiko-Stadt: Das stärkt die lokalen Strukturen | |
> Die ganze Vielfalt zeitgenössischer Kunst: ein Rundgang über drei | |
> Kunstmessen, die am vergangenen Wochenende in Mexiko-Stadt stattfanden. | |
Bild: Allen Ausstellern möglichst die gleichen Präsentationsbedingungen: Übe… | |
Es beginnt mit dem Centro Citibanamex, einem kolossalen Konferenz- und | |
Messekomplex im Norden der Stadt. Durch eine mehrere hundert Meter lange | |
Glasfront blickt man zuerst auf das weitläufige Hippodrom von Mexiko-Stadt. | |
Hier feiert die größte Kunstmesse Lateinamerikas, die Zonamaco México Arte | |
Contemporanéo mit mehr als 180 Galerien und Ausstellern aus 22 Ländern ihre | |
16. Ausgabe. | |
Mit ihren Sektionen moderner und zeitgenössischer Kunst wird „Kunst im | |
gehobenen Preissegment einem entsprechenden Sammlerkreis unter den gleichen | |
Parametern wie in Miami, Basel, London oder New York angeboten“, meint der | |
in Mexiko lebende deutsche Maler Endy Hupperich, dessen Arbeiten von der | |
Galería Karen Huber (Mexiko-Stadt) auf der Messe gezeigt werden. | |
Die kuratierte Sektion „Sur“ legt ihren Fokus auf performative Elemente, | |
die Sektion „New Proposals“ auf experimentellere Positionen. RoFa Projects | |
aus Maryland (USA) überzeugen mit Edgar Endress’ (Chile, 1970) | |
Installationsserie „Acts of Knowledge“ (1.500–15.000 US-Dollar | |
Verkaufspreis). Auf einem schreinartigen dunklen Holztisch hat Endress | |
kleine ausgeschnittene Zeichnungen aus alten Enzyklopädien wie präparierte | |
Insekten in das Holz und weitere in die Wand genadelt. Angelehnt an | |
Foucaults Untersuchungen zur Wissensaneignungen zieht er die kolonialen | |
Kategorisierungen aller Lebewesen ins Absurde. | |
Positiv überrascht die Büchersektion mit jungen Verlagen wie Homie House | |
Press, Hydra oder Homocats, in deren einfallsreichen Publikationen | |
kritische Themen wie Umweltzerstörung, sexuelle und rassistische | |
Diskriminierungen sowie ein starker Wille zur Selbstbehauptung sichtbar | |
sind. | |
## Eine eigene Verkaufsplattform | |
Später geht es von der Maco zur Ausstellungseröffnung von „Modern Love vol. | |
3“ in einem teilrenovierten Stadthaus im Galerieviertel Roma. Bewusst | |
außerhalb des White Cubes haben die Gründer des Projekts, der Künstler Juan | |
Jo Soto und der Galerist Thomas Flechel, den Kurator Daril Fortis und 13 | |
Künstler*innen eingeladen, eine Ausstellung zum Thema „emotionale Nähe“ in | |
kollaborativer Arbeitsweise zu entwickeln. Die Kunstszene organisiert ihre | |
eigenen Verkaufsplattform jenseits der Kunstmessen. | |
Der Salón Acme nutzt ebenfalls den Charme von unrestaurierten historischen | |
Orten. Ursprünglich als eine kleine, intime Verkaufsausstellung für | |
aufstrebende Künstler*innen ohne Galerievertretung konzipiert, zeigt sich | |
der Salon seit seinem Umzug in ein beeindruckendes Stadtpalais aus dem | |
späten 19. Jahrhundert heute stark kommerzialisiert. Für die Zeit der Messe | |
wurden schwarz gekleidete junge Kunstverkäuferinnen in den Räumen platziert | |
und ein „Collector’s Club. American Express“ eingerichtet. Zum Teil werden | |
sehenswerte sozial und politisch engagierte Arbeiten unter anderem zur | |
Gewalt in der mexikanischen Gesellschaft in atmosphärisch dichten Räumen | |
gezeigt. Überlagert wird dies leider von der bewussten Anstrengung der | |
Macher*innen, die hippste Kunstmesse der Stadt organisieren zu wollen. | |
Im Frontón México, einem roten Art-déco-Gebäude, verfolgt die Material Art | |
Fair ihr eigenwilliges Konzept. In der Sportarena des Frontón steht ein | |
Innenhof aus Baugerüsten. 73 Galerien aus 22 Ländern und 37 Städten zeigen | |
sich hier auf drei Etagen. Die Architektur verkörpert die Idee, „einen | |
kommunikativen Raum zu schaffen, der allen Ausstellern möglichst die | |
gleichen Präsentationsbedingungen bietet“, erklärt Rodrigo Feliz, | |
Mitorganisator der Messe. Wer den Austausch mit Künstler*innen und | |
Galerist*innen sucht, ist hier richtig. | |
## Trotz aller gesellschaftlichen Konflikte | |
So zeigt Embajada Arbeiten aus der Serie „Mine Your Own Business“ (2018) | |
von Gabriella Torres Ferrer (beide Puerto Rico). Auf einer mit einem | |
Mini-LED-Display und einer 9-V-Batterie versehenen Kreditkarte sind | |
Facebook-targeted-Ad-Kategorien ablesbar. Ferrer kritisiert damit die | |
allgegenwärtige Kommerzialisierung privater Daten. Bei Andréhn-Schiptjenko | |
ist Santiago Mostyns Wandinstallation „Beachs Arrests“ (2008–2018) zu | |
sehen. Die Arbeit zeigt die Szene einer Festnahme von zwei schwarzen | |
Jugendlichen an einem Strand vor dem Hintergrund historischer Fotos zu | |
Minderheitengeschichte in den USA. Einen feministischen Blick auf Frauen | |
zeigt die junge Berliner Galerie Stadium mit Cosima zu Knyphausens | |
Bilderserie von lesenden Frauen. | |
Nach dem Verkauf der Hälfte aller Arbeiten bewertet Stefanie Prinz von | |
Stadium bereits nach drei Tagen die Messe als einen Erfolg. Mit 20.000 | |
erwarteten Besucher*innen, guten Verkäufen und ihrer energiegeladenen | |
Atmosphäre ist die Material Art Fair auch 2020 sicherlich the place to be. | |
Trotz aller gesellschaftlichen Konflikte entwickelt sich die mexikanische | |
Kunstszene dynamisch, stärkt ihre lokalen Strukturen und gewinnt dabei | |
weiter an internationaler Ausstrahlung. Und wie es der in Mexiko lebende | |
US-Künstler Ray Smith sagte: „Mexico is incredibly fucking chilo!“ | |
11 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Boris Abel | |
Sophie Eliot | |
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