| # taz.de -- Berlinale „La Arrancada“: Hinter der Startlinie | |
| > Der Dokumentarfilm „La Arrancada“ von Aldemar Matias begleitet eine | |
| > kubanische Nachwuchsathletin auf ihrem Weg in die Zukunft. | |
| Bild: Jenniffer in „La Arrancada“ von Aldemar Matias | |
| Von der Wand ihres Büros grüßt das in die Jahre gekommene Porträt des | |
| verstorbenen Staatschefs und kubanischen Revolutionshelden Fidel Castro. | |
| Marbelis, eine resolute Frau mit rauchiger Stimme, leitet im staatlichen | |
| Gesundheitswesen eine Einheit zur Bekämpfung der bedrohlichen | |
| Dengue-Mosquitos in den Stadtvierteln von Havanna. Gleichzeitig managt die | |
| Zigarre rauchende Afrokubanerin die Leichtathletikkarriere ihrer Tochter | |
| Jenniffer und die bevorstehende Ausreise ihres Sohnes Yeyo nach Chile. Der | |
| Vater sitzt im Gefängnis. | |
| In seinem Dokumentarfilm „La Arrancada“ begleitet Aldemar Matias diese | |
| bemerkenswerte Familie durch ihren Alltag und macht dabei in unaufgeregten | |
| Bildern die widersprüchliche Realität der sozialistischen Insel sichtbar, | |
| ohne diese kommentieren zu müssen. Er zeigt sie mit Opfergaben für die | |
| Götter der Santería, beim Haarefärben, im Lauftraining oder abends online | |
| im „Wifi-Park“ (erst seit Dezember 2018 kann in Kuba das Internet auch | |
| außerhalb von öffentlichen Hotspots mobil genutzt werden). | |
| Dabei scheinen die Protagonisten seiner Dokumentation die Präsenz der | |
| Kamera mit souveräner Leichtigkeit zu vergessen, sodass zuweilen die | |
| Anmutung eines Spielfilms aufkommt. Bereits in der Kurzdokumentation „El | |
| Enemigo“ (Der Feind), die auf dem Filmfest Cottbus 2015 gezeigt wurde, | |
| hatte der brasilianische Filmemacher Marbelis’ Brigade und ihre mühsamen | |
| Arbeit der Schädlingsbekämpfung porträtiert. In „La Arrancada“, seinem | |
| neuesten Dokumentarfilm, ist ihre Einheit bei den Kontrollen der | |
| betroffenen Wassertanks und dem Ausräuchern der Wohnquartiere wieder zu | |
| sehen. | |
| Doch im Mittelpunkt von „La Arrancada“ („Startlinie“) steht Marbelis’ | |
| Tochter Jenniffer. Täglich trainiert die Anfang 20-Jährige in einem in die | |
| Jahre gekommenen Leichtathletikstadion zusammen mit ihren Sportkollegen für | |
| Höchstleistungen, während ihr Trainer an die staatstragende Rolle | |
| sportlicher Wettkämpfe und die Liebe der Kubaner zu ihren Athleten | |
| erinnert. Hier scheint das sozialistische Projekt alter Schule seine | |
| Gültigkeit behalten zu haben. | |
| Aber für Jenniffer stehen die Zeichen bereits deutlich auf Veränderung. | |
| Eine hartnäckige Verletzung bremst ihre sportlichen Erfolge und der Trainer | |
| kritisiert ständig ihr Gewicht. Täglich chattet sie auf dem Smartphone mit | |
| ihrem Freund, der in den USA angekommen ist. Ihre Bekannten träumen von | |
| einer Zukunft in Europa. Doch einig sind sich alle – sterben wollen sie auf | |
| Kuba. | |
| Wie viele junge lateinamerikanische Cineasten ging auch Aldemar Matias, | |
| 1985 in Manaus geboren, zum Regiestudium nach Kuba, an die renommierte | |
| Filmhochschule der Drei Welten in San Antonio de los Baños. Seine | |
| Dokumentation über Jenniffer und ihre Familie gibt intime Einblicke in den | |
| Wandel im kubanischen Alltag. Das gelingt ihm mit großer Nähe zu den | |
| Menschen und distanzierter Vertrautheit mit den Verhältnissen des Landes. | |
| Jenniffer ergreift schließlich die Möglichkeit, sich für ein Studium im | |
| Ausland zu bewerben und nimmt damit Abschied von ihrer | |
| Leichtathletikkarriere auf Kuba. Via Google Maps zoomt sie sich schon mal | |
| in die Innenstadt von Leipzig und entdeckt auf dem Bildschirm den Campus | |
| der Universität, das Schinkel-Tor und die zahlreichen Geschäfte der Gegend. | |
| 8 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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