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# taz.de -- Kolumne Navigationshilfe: Von Nazi-Gold bis Brexit
> Wo gute Geschichten mehr geschätzt werden als gute Gespräche, werden
> exzentrische Alleinunterhalter schnell zu Märchenerzählern.
Bild: Szene aus dem Film „Jäger des verlorenen Schatzes“ (Lucas/Spielberg)
Manchmal trifft man Menschen wie aus einer fantasievoll ausgestalteten
Spiegel-Reportage. David war so einer, ein älterer britischer Journalist,
einer, der das Hotel kaum ohne seine Indiana-Jones-Kopfbedeckung verließ
und dessen Verwandtschaft offenbar in Historienfilmen verewigt war. „Ein
typisch exzentrischer Brite“, vermerkte einer, der zu wissen glaubte, wie
Briten so sind. Und David konnte wirklich gut und liebenswert erzählen.
Da war seine Großmutter, aufgewachsen in Deutschland, und Jüdin.
Unmittelbar nach 1933 forderte der Großvater sie auf, mit den Kindern das
Land zu verlassen. Die Großmutter weigerte sich. Die Großeltern waren, so
erzählte es David, geschieden, aber der Mann sorgte sich so um seine
Exfrau, dass er nicht lockerließ. Schließlich entschloss er sich zur
Erpressung: Er werde kein Geld mehr für die Kinder zahlen, solange sie
bleibe. Und so floh die Großmutter mit den Kindern nach England in ihre
Rettung.
„Der Großvater aber ist seinem eigenen Rat nicht gefolgt“, sagte David. Er
sei geblieben, entkam später unter abenteuerlichen Umständen in die
Niederlande und bekämpfte die Deutschen dort im Widerstand. Bis zu dem Tag,
als ihn zwei Gestapo-Männer in seinem Haus festnahmen. Der Großvater sagte:
„Ich habe einen Barren Gold auf meinem Dachboden versteckt.“ Der eine
Gestapo-Mann, zweifelnd, sei nachsehen gegangen. Da habe der kluge
Großvater aus dem Inneren seiner Jacke den Goldbarren geholt, ihn dem
zweiten Deutschen gereicht und gesagt: „Willst du das Gold für dich allein
behalten?“ Und so ließ ihn der Nazi laufen.
Die Geschichte sei verfilmt worden, sagte David. Ebenso wie die eines
anderen Bekannten. Der Engländer, mittlerweile verstorben, habe im
Bürgerkrieg gegen die Faschisten gekämpft. Als er Jahre später in den
Zweiten Weltkrieg einberufen werden sollte, habe er sich geweigert und
landete vor Gericht. „Sind Sie Nazi?“, fragte der Richter. „Nein“,
erwiderte der Bekannte. „Also sind Sie Pazifist?“ „Nein, ich habe im
Spanischen Bürgerkrieg gekämpft.“ „Warum“, fragte der Richter ratlos,
„verweigern Sie dann den Dienst?“ Da erwiderte der Bekannte: „Ich habe vor
Jahren dafür gekämpft, dass der Faschismus sich nicht ausbreitet. Ihr
wolltet nicht helfen. Jetzt seht zu, wie ihr zurechtkommt.“
Ich hörte die Erzählungen gern. Aber ich merkte auch, dass ein filmreifer
Charakter im realen Leben anstrengend ist. David erzählte und erzählte, er
produzierte Anekdoten wie eine Maschine. Auch seine eigene Story hatte er
längst gefunden: Den leidenschaftlichen Kampf gegen den Brexit. Auch der
wie gemacht für einen Film. Und für eine Gesellschaft, die gute Geschichten
oft mehr schätzt als gute Gespräche.
17 Feb 2019
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Nazis
Wahrheit
Nicaragua
Georgien
Blogger
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