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# taz.de -- Ehrenpreis für Lebenswerk: Der Regisseur der Frauen
> In Rudolf Thomes Filmen wurde immer Liebe gemacht, und es gab Spaghetti
> und Rotwein. Ein Besuch auf dem Brandenburger Hof des Regisseurs.
Bild: Sonne und Rotwein: Altaras und Thome beim Plausch auf dem Hof in Brandenb…
Niendorf taz | Sieben wichtige Frauen habe es in seinem Leben gegeben,
sagte Rudolf Thome vor einigen Jahren der taz. Wer genau, verriet der
Regisseur, der dieses Jahr 80 Jahre alt wird, seinerzeit nicht. [1][Eine
davon aber könnte die Schauspielerin Adriana Altaras sein.] Immerhin spielt
sie in seinem Film „Sieben Frauen“ und in „Paradiso – Sieben Tage mit
sieben Frauen“ mit.
„Ich wurde in Rudolf Thomes Filmfamilie aufgenommen und erst nach fünfzehn
Autorenfilmen wieder ausgespuckt“, schreibt die Schauspielerin in ihrem
letztes Jahr erschienenen Roman „Die jüdische Souffleuse“. Sie erinnert
sich: „Mein Ex spielte mit, mein aktueller Geliebter, mein Hund, mein Auto
und meine Wohnung, und immer und immer wieder wurde nackt in den Seen
gebadet, Feuer gemacht und ausgiebig gefrühstückt oder Rotwein getrunken.
Schaue ich mir jetzt die Filme an, bringe ich sie durcheinander. So viele
sich ähnelnde Frühstücke und Badesituationen und ich immer nackt.“
Man kann den Inhalt von Thomes insgesamt 28 Filmen wohl nicht präziser
zusammenfassen. Man muss höchstens hinzufügen, dass es in allen Filmen
immer um Liebe geht, wie sie entsteht, wie sie wieder geht und was sie mit
den Menschen anstellt, wenn sie bleibt. Kurz: um Beziehungen und
Beziehungsprobleme.
Im Rahmen der Berlinale wurde Rudolf Thome nun von der Stiftung deutsche
Filmkritik für sein Gesamtwerk geehrt, weil er „beispielhaft kompromisslos“
seinen Weg gegangen sei. Einer der Laudatoren, der Schauspieler Hanns
Zischler, nannte Thomes Werk ein „Glaubensbekenntnis an die Fragilität der
Liebe“ und zitierte Goethe, der im Alter von 80 Jahren geschrieben habe:
„Liebe belebt“. Den Preis entgegennehmend bedankte sich Rudolf Thome mit
den Worten: „Ich werde selber bald 80. Das mit der Liebe kann ich
bestätigen.“
## Das mit der Liebe
Thome wurde von Filmkritikern wegen seiner dominanten Frauenfiguren als
Feminist und Regisseur der Frauen bezeichnet. Tatsächlich hat er mit vielen
seiner Schauspielerinnen nicht nur einen, sondern etliche Filme gedreht.
Darunter waren Iris Berben, Sabine Bach, Hannah Herzsprung, Hannelore
Elsner, Cora Frost und Uschi Obermaier. Letztere, die 68er-Ikone und
Kommune-1-Bewohnerin Uschi Obermaier stand in den ersten beiden
Thome-Filmen „Detektive“ (1968) und „Rote Sonne“ (1970) überhaupt zum
ersten Mal vor der Kamera.
„Rote Sonne“ ist Thomes bis heute bekanntester Film, ein Kultfilm über eine
Frauen-WG, die ein Abkommen hat: Jeder Mann, der länger als fünf Tage
bleibt, muss erschossen werden. Noch 2005 wurde ein neuer Techno-Club in
München nach dem Film benannt und heißt bis heute so.
Schon 1980 war Thome nach Meinung der berühmtesten Filmzeitschrift der
Welt, der Cahiers du cinéma, der „wichtigste unbekannte deutsche
Regisseur“. In den späten 1960er Jahren gehörte er mit [2][seinem Kollegen
Klaus Lemke] zu den Gründern der „Münchner Gruppe“. Mit ihren Kurzfilmen
wollten sie etwas anderes machen als der damals geläufigen Forderung nach
einem gesellschaftlich relevanten Film. Auf Problemfilme hatte er keine
Lust. „Wir wollten ein Kino, das so aussah wie die Filme von Howard Hawks
und Jean Luc Godard. Ein Kino, das Spaß macht. Ein Kino, das einfach war
und radikal.“ In Frankreich war Thome immer bekannter und seine Filme
erfolgreicher als in Deutschland. Thome meint, das liege daran, dass die
Deutschen Ironie nicht verstünden.
Auch mir war der Regisseur völlig unbekannt – was ich Adriana Altaras am
Rande einer Lesung aus ihrem Buch gestand: Den Namen Rudolf Thome hatte ich
googeln müssen. Sie schlug mir sofort vor, ihn gemeinsam zu besuchen, sie
habe ihn auch schon lange nicht mehr gesehen. Bevor wir losfahren, schickt
sie ihm noch eine Mail: „Rudolf. Wir kommen. Fahren gegen zehn Uhr in
Kreuzberg los. Was gebe ich ins Navi ein?“ Seine Antwort: „Niendorf 2,
15936 Ihlow“.
## Butter, Spaghetti, Käse
Mit dem Auto dauert die Fahrt von Berlin zwei Stunden. Von der Autobahn
runter geht es über endlose gerade Landstraßen, von Bäumen gesäumt, von
Feldern umrahmt. Viel Gegend, sonst wenig. Dann kommt das Dorf. Thomes Haus
ist ein riesiges Bauernhaus direkt vor dem Dorfteich, ein riesiges
Grundstück mit Dutzenden Bäumen und Scheunen, das er 1990 gekauft hat.
Thome wuchs im Ländlichen auf, im mittelhessischen Wallau an der Lahn. Sein
Leben hat er vor allem in München-Schwabing und Berlin-Kreuzberg verbracht.
Mittlerweile aber lebt er fast das ganze Jahr auf seinem Brandenburger
Bauernhof. Er schreibt an seiner Autobiografie, fährt im Jahr an die 2.000
Kilometer Fahrrad und kümmert sich um seinen Garten. In seine Fußstapfen
trat selbstverständlich die einzige Frau unter seinen vier Kindern: Joya
Thome produzierte letztes Jahr ihr Debüt, den bezaubernden Film „Die
Königin von Niendorf“ über eine Clique von Kindern, gedreht auf dem
Bauernhof des Vaters.
Adriana Altaras hat einen Korb Lebensmittel mitgebracht, macht Spaghetti
mit Butter und Käse. Thome holt zwei Flaschen Rotwein. „Das gab es früher
immer in allen Filmen von Rudolf. Spaghetti und Rotwein“, erzählt die
Schauspielerin am Küchentisch. Sie gehen gemeinsame Bekannte durch. Der
eine hat sich beschwert, weil er in Thomes Blog vorkam, der andere, Doktor
Beck aus Kreuzberg, der mal in einem Film Thomes gegen Adriana Altaras im
Karate verliert, hat dem Regisseur kürzlich die Fäden nach seiner
Stimmband-OP gezogen.
Es heißt, Thome habe am Set immer improvisiert und wenig Anweisungen
gegeben. „So ein Quatsch“, empört sich Thome „Wenn sie im Bett lagen, hab
ich Action gesagt.“ „Und Altaras ergänzt: „Wir lagen immer im Bett. Im
Wasser oder beim Frühstück. So wie wir damals gedreht haben, würde das
heute eine MeToo-Debatte auslösen.“ Wieso das? „Man wusste morgens nicht,
was man nachmittags drehte. Und oft waren es eben Sexszenen, wo alle im
Raum waren und zuguckten.“
## Lustig bis slapstickhaft
Sie reden eine Weile über ihren gemeinsamen Guru, eine MA, in deren Aschram
in L.A. sie oft waren. Thome bringt eine kleine Blechdose, auf der das Foto
einer Frau aufgeklebt ist. Es ist MA. „Da drinnen ist ihre heilige Asche“,
verrät Thome. „Never dare to judge“ kreischt Adriana Altaras plötzlich ir…
laut und hoch. Thome ist hin und weg: „Ja. Genau so hat MA immer geredet.“
Thome spricht immer wieder über seine letzte, gerade in die Brüche
gegangene Beziehung. Und dann geht es ihm noch um eine andere Frau, eine
Jahrzehnte alte Bekanntschaft, die sich gerade wieder bei ihm gemeldet hat.
Irritierend, wie er einfach loslegt, obwohl eine Journalistin zwecks
Porträt mit am Tisch sitzt. Keine Scham. Doch das Befremden weicht schnell.
Er ist kein alter Mann, der sabbernd über Frauen redet. Thome redet über
seine Gefühle zu den Frauen, wie kompliziert und wie schön alles ist. Und
man hört ihm dabei ganz gern zu. Warum sollte das auch langweiliger sein
als über die Lage des deutschen Autorenfilms zu sprechen?
Nicht alle sehen das so. Der Regisseur und seine Schauspielerin reden über
Kollegen, die es nicht so lustig finden, im Moana-Blog aufzutauchen. Der
Moana-Blog, benannt nach Thomes Produktionsfirma, ist sein offen
zugängliches Internettagebuch, das er seit 2003 betreibt. „Ich kenne das
Problem auch“, sagt Altaras. „Das Nichttrennen-Können von Arbeit und
Alltag, der radikale Blick auf mich selbst, der die anderen mit
einschließt. Aber nicht jeder kann mit dieser Form von Öffentlichkeit so
gut umgehen.“
Obwohl es auch bei Thome immer wieder mal lange Einstellungen gibt, in
denen eine blaue Schlafzimmergardine dabei gefilmt wird, wie sie vom Winde
geweht wird, sind seine Filme sehr lustig, manchmal geradezu slapstickhaft.
Gerade was die Männer betrifft, die bei Thome meistens ziemliche Trottel
sind.
## Das Problem mit dem Blick
Thome erklärt, dass seine Filme Dokumentarfilme über seine Schauspieler
sind. Jene Schauspieler, von denen heute so viele so viel berühmter als er
sind. Weil er nie das ganz große Geld bekam – er hat zwischen seinen Filmen
auch mal als Kreditsachbearbeiter der Bausparkasse Neue Heimatstatt
gearbeitet, um an Geld zu kommen –, ist die Ausstattung seiner Filme
entsprechend spärlich. Dazu passt aber auch, dass eh nicht viel passiert
und auch nicht allzu viel geredet wird.
In „Supergirl“ zum Beispiel sagt der Mann zur Frau auf einer WG-Party:
„Kommen Sie, ich zeig Ihnen den Starnberger See bei Nacht.“ In der nächsten
Szene stehen dann beide am See und er sagt: „Das war’s, was ich Ihnen
zeigen wollte: den Starnberger See bei Nacht.“
Seine Filme sind aufgrund des begrenzten Budgets auch Zeitdokumente in Form
von Wänden mit Holzpaneelen, Hinterhöfen, Lederjacken, Autos von gestern
und den ersten Heimcomputern. Auch sein Brandenburger Bauernhof zeichnet
sich durch Schlichtheit aus. Außer den in verschiedenen Farben angemalten
Wänden der einzelnen Zimmer, ist das türkisfarbene Hawaiihemd mit Ananas
und Palmen, das er auf dem Plakat zum Dokumentarfilm „Rudolf Thome –
Überall Blumen“ trägt, das extravagantgeste, was es hier zu sehen gibt.
[3][In Serpil Turhans Dokumentarfilm „Überall Blumen“] von 2016 sieht man
Stapel verrostender Filmdosen und Kisten mit Requisiten in der Scheune von
Thomes Bauernhof verstauben. „Braucht man alles nicht mehr“, hört man ihn
sagen. Daraufhin holte das Deutsche Filmmuseum alle 35-mm-Filmkopien und
andere Dinge ab. Das Filmplakat mit dem Hawaiihemd hängt inzwischen auch
nicht mehr an der Wand, wo es noch im November hing, als wir Thome
besuchten. Es hängt nun in der Küche einer neuen Frau in seinem Leben.
Wo genau? [4][moana.de]
16 Feb 2019
## LINKS
[1] /Doku-ueber-Schauspielerin-Adriana-Altaras/!5342001
[2] /Retrospektive-im-Kino-Z-Inema/!5397792
[3] /Archiv-Suche/!5336148&s=rudolf+thome/
[4] https://moana.de/
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
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