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# taz.de -- Demonstrationen in Venezuela: Maduro kündigt Parlamentswahl an
> Hunderttausende protestieren in Caracas für und gegen Nicolás Maduro. Der
> will vorerst keine vorgezogene Präsidentschaftswahl.
Bild: Auf der Straße gegen Maduro: Sie wollen Präsidentschaftswahlen
Caracas/Buenos Aires taz | In Venezuela haben am Samstag Hunderttausende
[1][für und gegen Staatschef Nicolás Maduro] demonstriert. Die im Vorfeld
befürchteten Ausschreitungen blieben aus, die Veranstaltungen und Märsche
verliefen friedlich. Polizei- und Sicherheitskräfte hielten sich im
Hintergrund. Todesopfer oder Verletzte wurden bisher keine gemeldet.
Trotz heftiger Proteste hatte sich Maduro Anfang Januar für [2][eine zweite
Amtszeit] vereidigen lassen, die bis 2025 dauert. Zur Feier des 20.
Jahrestags der bolivarischen Revolution hat die Regierung ihre
Anhängerschaft am Samstag auf der Avenida Bolívar im westlichen Stadtbezirk
Libertador von Caracas mobilisiert. Als Stichtag gilt der 2. Februar 1999,
an dem Hugo Chávez erstmals das Präsidentenamt übernahm. Und tatsächlich
war es am Samstag fast wie in alten Zeiten.
Auf der proppenvollen Avenida wiegen die Massen. In Rot die Mitglieder der
Regierungspartei PSUV, in Hellbraun die Angehörigen der Volksmilizen. Der
singende Hugo Chávez ertönt aus den Lautsprechern, Parteivizechef Diosdado
Cabello gibt den Einpeitscher und Staatschef Nicolás Maduro lässt das
Publikum La Ola machen.
In seiner Rede kündigt Maduro vorgezogene Parlamentswahlen für dieses Jahr
an. In dem von ihm entmachteten Parlament stellt die Opposition die
Mehrheit. Die Forderung nach vorgezogenen Präsidentschaftswahlen lehnt
Maduro allerdings ab. Diese Forderung hatten neben der Opposition unter
anderem Deutschland und Frankreich formulierten und ein [3][am Wochenende
auslaufendes Ultimatum gestellt].
## „Nationaler Dialog? Ich bin bereit“
Vor der Bühne hebt Katiuska Hernández im kurzärmligen roten T-Shirt die
Arme. „Wir haben einen Präsidenten, da oben steht er“, zeigt sie nach
vorne. Die 48-Jährige ist überzeugte Chavista. „Ich glaube nicht, dass die
US-Sanktionen uns in die Knie zwingen.“ Jeden Monat bekommt sie von der
Regierung eine Kiste mit Lebensmitteln: zwei Liter Speiseöl, zwei Kilo
Milchpulver, vier Kilo Reis, drei Kilo Linsen oder Bohnen, drei Kilo
Maismehl, zwei Kilo Nudeln, ein Kilo Zucker und ab und an einige Dosen
Thunfisch.
Zudem deponiere die Regierung regelmäßig einen Bonus auf ihrem Konto, einen
Geldbetrag, der der Hälfte eines Mindestlohns entspreche. Als
alleinerziehende Mutter dreier Kinder bekommt zu zusätzlich eine
Sozialhilfe. Was sie sonst noch braucht, erarbeitet sie sich nebenbei.
„Ich frage die rechte Opposition, wie lange noch?“, ruft Maduro.
„Nationaler Dialog? Wann und wo immer sie wollen, ich bin bereit“, sagte
er, nur um wenig später die Aufstockung der Volksmilizen bekanntzugeben.
Bis Mitte April soll ihre Gesamtzahl auf zwei Millionen steigen. Die
Einrichtung der Milicia Nacional Bolivariana war 2007 von Hugo Chávez
angeordnet worden. Die Milizionäre sind mit Waffen ausgerüstete
ZivilistInnen und ReservistInnen.
Außerdem ordnet Maduro an, dass 30.000 dieser Milizionäre als aktive
Soldaten in die Nationalgarde aufgenommen werden und dass an dem 10.
Februar großangelegte zivil-militärische Übungen stattfinden. Kritiker
sehen in den Milizen eine Parallelarmee, die direkt dem Präsidenten
untersteht.
## Unterstützung aus Europa
Die Opposition hat sich rund acht Kilometer südöstlich von der
Veranstaltung versammelt. Die Bühne steht auf der Hauptstraße im
Oberklasseviertel Las Mercedes, in unmittelbarer Nähe der Vertretung der
Europäischen Union. Die Abschlussveranstaltung richtet deutliche Signale in
Richtung Europa. Auf der Bühne werben Angehörige der verschiedenen
europäischen Communities für die Anerkennung Juan Guaidó als
Interimspräsidenten durch die Regierungen ihrer einstigen Herkunftsländer.
Unter den Hunderttausenden vor der Bühne steht auch Carlos Ramírez. Der
68-jährige Kleinbauer ist aus der rund 250 Kilometer südwestlich von
Caracas gelegenen Kleinstadt Valle de la Pascua gekommen. „Diesmal ist
Maduros Abgang tatsächlich möglich“, sagt er. „Der Druck aus dem Ausland
ist enorm.“ Was danach kommt, sei jetzt nicht so wichtig.
Seit seiner Jugend hat er Mais und Sorghumhirse angebaut, erzählt Ramírez.
Doch Landwirtschaft sei heute purer Luxus. „Seit die Preise für Saatgut,
Düngemittel oder Ersatzteile für Landmaschinen explodiert sind, liegen die
Äcker brach“, sagt Ramìrez. Dazu komme die immense Kriminalität auf dem
Land. Jubel brandet auf, als [4][der selbsternannte Interimspräsident] Juan
Guaidó das Mikro in die Hand nimmt und mit hörbar heiserer Stimme seine
Rede beginnt.
Doch in seiner 30-minütigen Ansprache blitzen keine Höhepunkte auf.
Sachlich und ruhig wirbt er um Unterstützung aus Europa, kündigt die ersten
ausländischen [5][Hilfslieferungen von Medikamenten] für Schwerstkranke an,
ruft für den 12. Februar zur nächsten Großdemonstration auf und schwört die
Anwesenden am Ende darauf ein, den Druck der Straße aufrechtzuerhalten.
## „Lange halten die Menschen das hier nicht mehr aus“
Marta Mireis ist vom Auftritt ihres Präsidenten etwas enttäuscht. „Er
wirkte erschöpft, als wäre der Schwung der ersten Tage schon verflogen“,
sagt die 38-Jährige, die im angrenzenden Bundesstaat Miranda wohnt und dort
als Friseurin arbeitet. „Vielleicht hatten wir gehofft, dass Maduro
schneller weg ist“, sagt sie. „Lange halten die Menschen das hier nicht
mehr aus.“ Seit zwei Wochen käme in ihrer Wohnung kaum noch Wasser aus der
Leitung und [6][falle regelmäßig der Strom aus]. „Doch das Schlimmste sind
die fehlenden Medikament für meinen krebskranken Vater.“
Dem jungen Guaidó habe sie sofort voll vertraut, zeigt sich Zenaida Pereda
zufrieden. „Diesmal weht ein anderer Wind und mit jeden Tag rückt der
Regierungswechsel näher“, ist sie sich sicher. Die 72-Jährige gibt sich als
langjährige und erfahrene Demonstrantin zu erkennen. In ihren Heimatort El
Hatillo, gut 40 Minuten von Caracas entfernt, hat die Opposition immer den
Bürgermeister gestellt, eine der wenigen Ausnahmen im Land. Maduro habe den
Alltag jeder venezolanischen Familie in einen Albtraum verwandelt. „Und wir
beten jede Nacht dafür, dass dieser Albtraum ein Ende bekommt.“
Für Aufregung sorgte am Samstagmorgen die Videobotschaft eines
pensionierten Luftwaffengenerals. „Ich erkenne die diktatorische Herrschaft
Maduros nicht an“, sagte der General Francisco Yánez. „Stattdessen erkenne
ich Juan Guaidó als legitimen Staatschef an. 90 Prozent der Streitkräfte
sind nicht an der Seite des Diktators, sondern an der Seite Venezuelas“, so
Yánez [7][in der Videobotschaft], die sich schnell über die sozialen
Netzwerke verbreitete.
Yánez war 2006 vom damaligen Präsidenten Hugo Chávez mit der Organisation
und Verteilung von Weizen, Mehl und Brot beauftragt worden und nahm damit
eine wichtige Position ein. Heute ist seine Bedeutung weitaus geringer
einzuschätzen, zumal er durch die Flut von Beförderungen in den
Streitkräften einer von über 2.000 Generälen ist. Vom Luftwaffenkommando
wurde er [8][bei Twitter] als Vaterlandsverräter bezeichnet. (mit epd)
3 Feb 2019
## LINKS
[1] /Machtkampf-in-Venezuela/!5565092
[2] /Druck-auf-Venezuela/!5560867
[3] /Politische-Krise-in-Venezuela/!5568306
[4] /Machtkampf-in-Venezuela/!5569978
[5] /Machtkampf-in-Venezuela/!5569853
[6] /Essay-Politische-Krise-in-Venezuela/!5567159
[7] https://www.youtube.com/watch?v=2xV_NAhrIXM
[8] https://twitter.com/CODAI_FANB/status/1091707156590514176
## AUTOREN
Oscar Torres
Jürgen Vogt
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