# taz.de -- Schülerstreiks fürs Klima: Ministerium empfiehlt Geldbußen | |
> Im Bildungsministerium von Sachsen-Anhalt sieht man den Bildungsauftrag | |
> in Gefahr, wenn Schüler_innen ihre Meinung während des Unterrichts | |
> kundtun. | |
Bild: Engagierte und politische interessierte Schüler_innen am 18. Januar 2019… | |
BERLIN taz | Auch an diesem Freitag bleiben europaweit [1][wieder tausende | |
Schüler_innen dem Unterricht fern] und gehen stattdessen auf die Straße. | |
„Warum sollen wir unseren Job machen, wenn ihr euren nicht macht?“, lautet | |
das Motto. Adressiert sind Politiker_innen auf allen Ebenen, die nach | |
Meinung der Schüler_innen in der Klimapolitik versagt haben. | |
Die sind zumindest zum Teil aber wenig erbaut über das politische | |
Engagement. In Sachsen-Anhalt haben die Schulleitungen Ende Januar Post aus | |
dem Bildungsministerium erhalten. | |
In dem Schreiben, das der taz vorliegt, zählt die Behörde „Hinweise“ auf, | |
die Schulen im Umgang mit Protesten „für z. B. die Umwelt“ zu beachten | |
hätten: „Jede Schule meldet Demonstrationen von Schülerinnen und Schülern | |
während der Unterrichtszeit unverzüglich an das Landesschulamt“, lautet ein | |
Punkt. „Auch die elterliche Gestattung […] entbindet […] nicht“ von der | |
Schulpflicht, ein weiterer. Im Falle von Schulpflichtverletzungen könne es | |
„geboten und notwendig sein“, mit Geldbußen und „Zwangsgeldverfahren geg… | |
Erziehungsberechtigte“ zu reagieren. | |
„Geldbußen und Zwangsgeld: So was wird eigentlich verhängt, wenn jemand | |
über Monate fehlt und gar nichts mehr greift“, sagt eine Lehrkraft an einer | |
weiterführenden Schule in Sachsen-Anhalt, die ihren Namen nicht öffentlich | |
machen möchte. „Kollegen, die von diesem Schreiben erfahren haben, sind | |
empört.“ | |
## Bildungsauftrag contra Meinungsfreiheit? | |
Während das Kultusministerium in Niedersachsen mitgeteilt hatte, dem | |
Grundrecht auf Meinungsfreiheit könne Vorrang vor dem staatlichen | |
Bildungsauftrag eingeräumt werden, sofern die Schulleitung dies erlaube, | |
heißt es in dem Schreiben aus Sachsen-Anhalt, der Erfüllung der | |
Schulpflicht gebühre Vorrang. Dass auch den Eltern das Recht abgesprochen | |
werde, ihre Kinder für die Streiks zu entschuldigen, empfänden viele im | |
Kollegium als „massiven Eingriff in die Grundrechte der Eltern und | |
Schüler“, sagt die Lehrkraft. | |
Seit Wochen demonstrieren im Bundesgebiet zum Teil Zehntausende | |
SchülerInnen freitags unter dem Motto „Fridays for Future“ (Freitage für | |
die Zukunft) für eine andere Klimapolitik. Ausgelöst hat die Bewegung vor | |
mehr als sechs Monaten die heute 16-jährige Umweltaktivistin Greta Thunberg | |
aus Schweden. Inzwischen finden die Streiks länderübergreifend statt, vor | |
allem in europäischen Staaten. | |
Hierzulande haben Schüler_innen für ihre Teilnahme an den Streiks bereits | |
Verwarnungen und Verweise bekommen. Aber an vielen Schulen erfahren sie | |
auch Unterstützung: Vereinzelt gab es deshalb Auseinandersetzungen zwischen | |
Schulleitungen und regionaler Schulaufsicht, beispielsweise in Würzburg. | |
Wie eine Schule mit den Streiks umgeht, wird jedoch generell der | |
Schulleitung überlassen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, | |
Heinz-Peter Meidinger, rät von Verweisen ab und empfiehlt | |
Diskussionsrunden. Dass ein Ministerium direkt eingreift, war bislang nicht | |
bekannt. | |
## Streik kann auch Teil des Unterrichts werden | |
„Unsere Schüler sind sehr interessiert und kritisch, was die aktuelle | |
Umweltpolitik angeht“, sagt die Lehrkraft aus Sachsen-Anhalt. „Sie | |
behandeln den Klimawandel im Unterricht und wollen sich für ihre Zukunft | |
einsetzen.“ Einige Lehrkräfte hätten sich bereit erklärt, Streiks als Teil | |
des Unterrichts zu besuchen. „Im Lehrplan steht, dass wir Schüler zu | |
mündigen, kritischen, umweltbewussten, sich aktiv an der Demokratie | |
beteiligenden Bürgern erziehen sollen. Aber wenn das in der Praxis kommt … | |
Ich weiß nicht, warum die Obrigkeit davor solche Angst hat. Als ich das | |
Schreiben gelesen habe, dachte ich, okay, wir sind wieder in der DDR: | |
restriktive Unterdrückung von oben.“ | |
Das Bildungsministerium von Sachsen-Anhalt möchte das Schreiben so nicht | |
verstanden wissen. Bei der Bemerkung zu Geldbußen und Zwangsgeld gehe es | |
nur „um den Hinweis auf die Möglichkeit und nicht um die Aufforderung an | |
die Schulen, Geldbußen zu verhängen“, sagt ein Sprecher des Ministeriums | |
der taz. Bei der Formulierung, der Schulpflicht gebühre Vorrang vor dem | |
Demonstrationsrecht, stünde ja „in aller Regel“. Dass die Schulen | |
Streikende an das Ministerium melden sollten, sei lediglich, „um einen | |
Überblick zu erlangen“. Und: Der Besuch von Streiks als Teil des | |
Unterrichts sei „grundsätzlich nicht zu beanstanden“ und läge „im Ermes… | |
der Schulleitung“. | |
Dieser Punkt wird im Schreiben an die Schulen jedoch nicht erwähnt. Dort | |
heißt es: „Aus Schulsicht gehört die Demonstration in die schulfreie Zeit | |
nach dem Unterricht.“ | |
1 Feb 2019 | |
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[1] /Jugendliche-protestieren-fuer-Klimaschutz/!5565304 | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
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