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# taz.de -- Digitalisierung der Landwirtschaft: Bayer will Bauern abhängiger m…
> Ein neues Programm des weltgrößten Saatgutkonzerns soll für jedes Feld
> die besten Sorten auswählen. Aber es empfiehlt nur Bayer-Ware.
Bild: Wer das Saatgut hat, kontrolliert, was wir essen: Maispflanzen in Nieders…
Berlin taz | Der weltgrößte Saatgutkonzern Bayer nutzt die Digitalisierung
der Landwirtschaft, um Bauern noch abhängiger von seinen Produkten zu
machen: Das Softwaremodul „Seed Advisor“ seiner Tochterfirma Climate
Corporation zur Auswahl des für den jeweiligen Acker besten Saatguts
empfiehlt den Landwirten nur Körnermais der Bayer AG – nicht von anderen
Herstellern. „Die aktuelle Version des Seed Advisor der Climate Corporation
fokussiert sich ausschließlich auf Saatgut von Bayer“, teilte
Konzernsprecher Utz Klages der taz auf Anfrage mit.
Laut einer Bayer-Pressemitteilung handelt es sich zudem [1][ausschließlich
um Hybridsorten], die die Landwirte anders als samenfeste Pflanzen nicht
selbst nachzüchten können. Stattdessen müssen sie jedes Jahr neues Saatgut
kaufen.
Der Konzern ist bereits nach eigenen Angaben der weltgrößte Anbieter auf
dem stark konzentrierten Markt für kommerzielles Saatgut. Die vier
umsatzstärksten Firmen beherrschen zusammen mehr als die Hälfte des
Geschäfts. Dabei ist Saatgut die Grundlage der Ernährung. Wer die Samen
hat, kann bestimmen, was die Menschen essen, und so die Preise in die Höhe
treiben. Ein Monopol könnte auch dazu führen, dass Züchter wegen des
fehlenden Konkurrenzdrucks Pflanzen zu langsam an den Klimawandel anpassen.
Der Seed Advisor der Bayer-Tochter soll nach Firmenangaben aus früheren
Ertragsdaten in der Region und der Saatgut-Genetik-Bibliothek des Konzerns
für jedes Feld „die besten Hybridsorten“ berechnen. Bedient werde das
Programm von Saatguthändlern, die die Empfehlungen an die Landwirte
weitergäben.
In der Anbausaison 2018 hätten Farmer in den US-Staaten Iowa, Illinois und
Minnesota mit zusammen 40.500 Hektar Anbaufläche Ratschläge der Software
angenommen und so im Schnitt pro Hektar 612 Kilogramm Mais mehr geerntet.
Derzeit werde das Projekt auf noch mehr Landwirte in weiteren Bundesstaaten
und auch auf Sojapflanzen ausgeweitet. Im Herbst 2019 solle es für alle
Farmer in den USA als Teil der Softwareplattform FieldView auf den Markt
kommen. Einen Termin für die EU nennt Bayer noch nicht.
## Ruf nach Regulierung
Software wie der Seed Advisor fördere die Monopolbildung, warnen Kritiker
der Agrarindustrie. „Die Empfehlungen basieren ausschließlich auf dem
agronomischen Wissen von Bayer und seiner US-Tochter Monsanto“, sagt Marita
Wiggerthale, Agrarreferentin der Entwicklungsorganisation Oxfam. „Sie
erhalten damit nicht die Auswahl der besten Saatgutsorten allgemein,
sondern nur eine Auswahl von Bayers Saatgut.“ Reinhild Benning,
Landwirtschaftsexpertin der Umweltorganisation Germanwatch, ergänzt: „Wenn
sich solche Systeme durchsetzen, verlieren Bauern an Wahlmöglichkeiten und
geraten potenziell in Abhängigkeiten.“
Bayer-Sprecher Klages weist diese Vorwürfe zurück. „Jeder Landwirt hat die
freie Wahl, ob und welche Produkte und Technologien er von welchem Anbieter
kauft.“ Bauern würden die Angebote von Bayer nur dann nutzen, „wenn sie
dadurch einen klaren Vorteil erhalten“. Im Übrigen plane die Firma, „unser
Angebot auf Saatgutsorten anderer Anbieter auszuweiten“.
Umweltschützerin Benning glaubt das nicht: „Seit Jahren versprechen
Konzerne der Netzwerkökonomie, Produkte anderer Anbieter kompatibel zu
machen, ohne dieses Versprechen zu erfüllen.“ Nun müsse der Staat Bayer und
seine Konkurrenten dazu per Gesetz zwingen und ihre Marktmacht konsequenter
durch das Kartellrecht begrenzen.
Oxfam-Aktivistin Wiggerthale befürchtet, dass die Bauern sich langfristig
nicht so frei für eine bestimmte Onlineplattform entscheiden können, wie
Bayer es darstellt. „Netzwerkeffekte, Größenvorteile und andere Formen von
Rückkopplungen führen in der Plattformökonomie zu einer Monopolbildung.“
Bayers Einfluss wachse mit jedem Datensatz, den Bauern zum Beispiel beim
Seed Advisor eingeben – genau wie der Internethändler Amazon mit jeder
neuen Kundeninformation an Marktmacht gewonnen habe.
„Je größer die Datenmenge, über die ein Agrarchemie-Konzern verfügt, desto
zielgerichteter die Lockangebote und Schein-Informationen auf den
Bildschirmen der Bauern.“ Seit Bayer Climate Corporation übernommen hat,
sei der Konzern nach eigenen Angaben die [2][Nummer eins bei
gebührenpflichtigen digitalen Agrarplattformen]. „Bayer hat sich damit
einen erheblichen Datenvorsprung verschafft. Daten wirken in der digitalen
Ökonomie als Markteintrittsbarriere.“
14 Feb 2019
## LINKS
[1] https://media.bayer.de/baynews/baynews.nsf/id/Bayer-Innovations-Pipeline-Cl…
[2] https://www.investor.bayer.de/securedl/16643
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Schwerpunkt Bayer AG
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Globalisierung
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