# taz.de -- Kommentar Nationale Ökonomie: Regeln? Öko wäre besser | |
> Die nationale Ökonomie erlebt eine rhetorische Renaissance. Eine | |
> Dummheit, in der eine große Chance für die Ökologie liegt. | |
Bild: Dort wo produziert wird, bleibt auch der Wohlstand hängen: VW-Werk in Wo… | |
Die deutsche Wirtschaft: was ist das? Triviale Frage, schwierige Antwort. | |
Volkswagen vielleicht? Jein, die produzieren nur noch 23 Prozent ihrer | |
Fahrzeuge in Deutschland. Die 30 großen DAX-Konzerne? Adidas, BASF, SAP und | |
so weiter. Hm. Die gehören mehrheitlich Ausländern. Die Deutsche Bank, | |
sicherlich. Wobei … ihre sechs größten Aktionäre sind Fonds und | |
Vermögensverwalter in den USA und Steuerparadiese wie die Cayman Islands. | |
Bei den Mittelständlern bis 500 Millionen Euro Jahresumsatz lässt sich | |
dagegen sicher sagen, dass sie größtenteils Inländern gehören. | |
Weltweit gibt es derzeit einen Trend zur Renationalisierung der Wirtschaft, | |
allerdings nur rhetorisch. In einer Welt, in der Lieferketten um die ganze | |
Erde reichen, Großkonzerne privaten Aktionären, Pensionsfonds, Staatsfonds | |
und Versicherern rund um den Globus gehören, schließen sich immer mehr | |
Politiker Donald Trump an: Für ihn sind historisch im Heimatland gewachsene | |
Konzerne Stützen des Nationalstolzes. Die Konzerne dagegen kennen längst | |
keine Heimat mehr, drücken sich ums Steuerzahlen und verlagern Fabriken, | |
ohne zu zögern, an den billigsten Standort, wenn es die Bilanzen verlangen. | |
Auch die Bundesregierung schließt sich jetzt der Nationalrhetorik an. | |
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier stellte [1][diese Woche seine | |
„Nationale Industriestrategie 2030“ vor]. Er erklärte alle Konzerne, die | |
ihren Sitz noch hier haben, Arbeitsplätze schaffen und, wörtlich jetzt, | |
„ein deutsches Image“ haben, zur „deutschen Wirtschaft“. Zur Not sollen | |
Siemens, Thyssen, Daimler oder die Deutsche Bank vor Übernahmen aus dem | |
Ausland geschützt werden. Ein paradoxer Gedanke angesichts der | |
Eigentumsverhältnisse. | |
Rhetorisch bedient das die Wünsche konservative und rechte Wähler*innen. | |
Doch Altmaiers Papier ist nicht nur Stuss. Das Problem ist ja real: Wo der | |
neue Shit gebaut wir, also Roboter, künstliche Intelligenz, E-Autos, da | |
bleibt auch der Wohlstand hängen – zumindest der in Form ausgezahlter | |
Löhne, der nicht Aktionären zugutekommt. | |
In der Ära von 1990 bis 2007 führte das zu einem absurden globalen | |
Standortwettbewerb zwischen Staaten. Dann kam die Finanzkrise und eine | |
Dekade, in der sich globale Politik in mühevollem Ringen auf G8-, G20-, | |
WTO- oder UN-Ebene zumindest abmühte, ein klein wenig Hoheit über die | |
entnationalisierten Konzerne zurückzugewinnen. Das ist jetzt vorbei. | |
Der viel zitierte Konkurrenzkampf zwischen China, den USA und Europa wird | |
eine sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Ausgelöst von der Regierung | |
Donald Trumps, wird der Konflikt so lange beschworen, bis er kommt. Die | |
Bundesregierung will nationale und europäische „Champions“ schaffen, also | |
noch größere Großkonzerne. Als sei die Weltwirtschaft ein Boxring und | |
Siemens Max Schmeling. Die Profiteure dieser Spirale sind die Aktionäre und | |
Eigner globaler Großkonzerne, die niedrigere Steuern und höherer | |
Subventionen herbeidrohen. | |
## Trump würde Gift und Galle spucken | |
Aber wenn sich die EU diesem neuen Standortwettbewerb schon zwangsläufig | |
stellt, soll sie dabei doch bitte gleich die Flucht nach vorne antreten. | |
Union und FDP singen gerade wieder das alte Lied, dass Klimaschutz schlecht | |
für die Wirtschaft sei, statt die große Stärke der EU zu erkennen: Es ist | |
der einzige Wirtschaftsblock mit dem Plan, bis 2050 eine Wirtschaft | |
aufzubauen, die kein CO2 mehr emittiert. Europa kann und muss daraus einen | |
Wettbewerbsvorteil stricken. | |
Eine Idee wäre etwa, Ökozölle oder Ökosteuern auf in die EU importierte | |
Güter zu erheben. Wer in China oder den USA Stahl, Solarzellen, Autos oder | |
Maschinen baut und dabei viel CO2 in die Luft pustet, muss bei der Einfuhr | |
in die EU eben zahlen. Mehr Öko in der EU würde zum Standortvorteil. | |
Donald Trump würde Gift und Galle spucken, die Chinesen würden drohen und | |
zetern. Aber, wie stellte Peter Altmaier diese Woche doch sinngemäß fest: | |
An die Regeln des Marktes hält sich doch eh keiner mehr. | |
10 Feb 2019 | |
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[1] /Kommentar-Industriestrategie-2030/!5567492 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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