# taz.de -- Linker Infoladen in Hamburg ausgespäht: Das Auge der Colaflasche | |
> Ein linkes Wohnprojekt und ein Infoladen im Schanzenviertel wurden von | |
> einem Altenheim aus überwacht – laut Heimleiter durch die Polizei. | |
Bild: Im Fokus: Wohnprojekt am Kleinen Schäferkamp mit dem Infoladen Schwarzma… | |
HAMBURG taz | Zwei Cola-Flaschen und eine Limonade stehen auf der | |
Fensterbank eines kleinen Fensters im Dachgeschoss des Elisabeth Alten- und | |
Pflegeheim der Freimaurer von 1795 e.V. In der Coke-Zero-Flasche ist eine | |
Kamera eingebaut. Die Linse ist direkt auf das linke Wohnprojekt und den | |
Infoladen Schwarzmarkt am Kleinen Schäferkamp im Hamburger Schanzenviertel | |
ausgerichtet. Die Eingänge an der Frontseite sind erfasst, der Gang links | |
zu dem hinteren Teil des Wohnprojektes kann auch beobachtet werden. | |
„Wir haben den Eindruck, dass bis in die Privaträume an der Vorderseite des | |
Hauses hineingeschaut werden kann“, sagt eine Bewohnerin, „das macht schon | |
was mit einem.“ Eine Sprecherin des Schwarzmarkts vermutet: „Jede und | |
jeder, der uns besuchte, dürfte erfasst sein.“ | |
Am Mittwochvormittag suchten AnwohnerInnen das Gespräch mit der Leitung des | |
Alten- und Pflegeheims. „Wir wünschen uns eigentlich ein gutes | |
nachbarschaftliches Verhältnis“, sagte ein Bewohner davor. Drei | |
AnwohnerInnen und zwei Anwälte konfrontierten den Heimleiter Hans-Jürgen | |
Wilhelm mit der offensichtlichen Beobachtung des Projekts mit dem | |
ansässigen Verein. | |
„Die Polizei hatte wegen der Drogenproblematik im Schanzenpark angefragt“, | |
sagt Wilhelm nach dem Gespräch der taz. Darum habe die Leitung des | |
Altenheims auch nichts gegen die Installierung gehabt. Von der Polizei sei | |
regelmäßig ein IT-Fachmann zur Wartung gekommen. Am Empfang habe er sich | |
immer vorgestellt. Dass die Kamera aber auf das Haus gerichtet sei, will | |
die Heimleitung nicht gewusst haben. | |
## Der Heimleiter will die Kamera abbauen | |
Am Telefon sagt Wilhelm hörbar angefasst, er wolle nicht dazu beitragen, | |
dass die Anwohner observiert würden. „Ich bin da jetzt mit der Polizei im | |
Gespräch“, sagt er und bittet, weitere Fragen nicht beantworten zu müssen. | |
„Die Betroffenheit nehmen wir der Heimleitung schon ab“, sagt ein | |
Wohnprojekt-Bewohner, der bei dem Gespräch dabei war. „Herr Wilhelm sagte | |
uns, dass er die Observation des Hauses nicht richtig fände und versprach | |
uns, die Anlage selbst abzubauen, wenn die Polizei sie binnen zwei bis drei | |
Tagen nicht eigenständig abbauen würde“, so der Bewohner. | |
Unproblematisch findet eine Bewohnerin das Verhalten der Heimleitung | |
trotzdem nicht: Im Schanzenpark, der am hinteren Teil und an einer Seite | |
des Heimgeländes angrenzt, würde zwar gedealt, nicht aber sichtbar am | |
Haupteingang zur Straße hin. Die Observationsmaßnahme halte sie auch im | |
Rahmen der sogenannten Drogenproblematik für mehr als fragwürdig. | |
Diese Maßnahme dürfte jeglicher Rechtsgrundlage entbehren, sagt Gerrit | |
Onken, einer der Anwälte der BewohnerInnen. Denn alle benachbarten | |
AnwohnerInnen und zufällig vorbeigehenden PassantInnen würden erfasst. „Wir | |
haben natürlich überlegt wie wir mit dem Wissen um die Kamera umgehen | |
sollen. Müssen alle Besucher und Freunde informiert werden?“, fragt eine | |
Bewohnerin, deren Zimmer nach vorn direkt im Aufnahmefeld liegt. | |
„Unseren Alltag hat das selbstredend verändert. Ich weiß, dass ich in | |
meinem privaten Bereich, in meinem Zimmer offensichtlich beobachtet werde. | |
Die Tatsache, dass eine Frau vermutlich von Männern permanent beobachtet | |
wird, verschärft die Situation noch zusätzlich.“ Sich vorzustellen, dass | |
jemand der „uns politisch nicht wohlgesonnen ist, meinen Alltag verfolgt“ | |
sei schon „hart“. Gardine zuziehen beim Raumbetreten sei nun auch „nicht | |
gerade schön“. | |
## Polizei antwortet nicht, Verfassungsschutz reagiert nicht | |
Die Hamburger Polizei möchte sich zu der Observierung nicht äußern. „Vielen | |
Dank für Ihre E-Mail“, schreibt ein Pressesprecher, „allerdings beantworten | |
wir entsprechende Fragen aus grundsätzlichen Erwägungen generell nicht.“ | |
Die Rechtsgrundlage bleibt somit unklar, auch wann die Kamera installiert | |
wurde und ob die Heimleitung getäuscht wurde. Eine Anfrage an den | |
Verfassungsschutz blieb bis Redaktionsschluss gänzlich unbeantwortet. | |
Durch einen Hinweis hatte das Projekt von der Observation erfahren. Im Heim | |
scheint sie ein offenes Geheimnis gewesen zu sein. An dem Fenster mit den | |
Flaschen liegt ein Zettel. „Fenster bitte geschlossen halten, bitte nichts | |
umstellen“. | |
Den Abbau der Kamera fordert Christiane Schneider. Die innenpolitische | |
Sprecherin der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert aber auch | |
Aufklärung. „Wenn Privatwohnungen und der Zugang zu ihnen aus | |
Privatwohnungen oder Wohneinrichtungen heraus mit einer verdeckten | |
Videokamera überwacht werden – oder auch nur überwacht werden können –, … | |
das hochproblematisch“, so Schneider. | |
Ein solcher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zahlreicher Menschen | |
dürfe sich nicht etablieren. Diese „düstere Angelegenheit“ müsste von den | |
verantwortlichen Behörden schnell und lückenlos aufgeklärt werden. | |
6 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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