Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Alpiner Skisport: Zack, Knie kaputt, Fersenbein durch
> Vor dem Beginn der Alpin-WM in Schweden wird über Sicherheit im
> Skirennsport diskutiert. Sind die Belastungen auf den Pisten zu groß?
Bild: Sturz an der Streif: Der Schwede Alexander Koell wird ins Krankenhaus tra…
Die Debatte zum Thema Sicherheit im alpinen Skirennsport ist so alt wie der
Sport selbst, auch vor der am Montag beginnenden Ski-WM in Are. Deren
Eröffnungsfeier wird flankiert von einem traurigen Jubiläum: Vor 25 Jahren
verstarb die zweifache Super-G-Weltmeisterin Ulrike Maier, nachdem sie bei
einem Sturz auf der Kandahar mit dem Kopf gegen eine Zeitmessanlage
geprallt war; kürzlich verletzten sich Michele Gisin (Schweiz) und die
Österreicherin Cornelia Hütter schwer.
Zwar ist in puncto Sicherheit seither einiges passiert, es wurden zum
Beispiel bis zu vierfach hintereinander angebrachte Hochsicherheitsnetze
und größere Sturzräume eingeführt. Doch dies alles sorgte auch dafür, dass
die Sportler ihre Risikobereitschaft nach oben schraubten im Glauben, es
könnte bei einem Sturz weniger passieren.
Den ebenso eingeführten Rücken-Airbag tragen nicht alle Athleten, da sie
einige aerodynamische Nachteile befürchten. Deutschlands derzeit verletzter
Abfahrtsskistar Thomas Dreßen (SC Mittenwald) sagt: „Die Abfahrt wird immer
eine Risikosportart bleiben, dein Körper ist deine Karosserie, ohne Puffer
drum herum. Jeder kennt das Risiko. Niemand wird dazu gezwungen.“ Ende
November krachte er mit 120 km/h auf der Abfahrt in Beaver Creek in die
Fangnetze und riss sich das Kreuzband und kugelte sich zudem die Schulter
aus.
Der Renndirektor des Ski-Weltverbandes FIS für den Männerbereich, Markus
Waldner, blickte vor Wochenfrist zur Mannschaftsführersitzung nach der
Abfahrt auf der Streif in Kitzbühel sorgenvoll in die Runde und erklärte,
dass es „mit dem Fersenbeinbruch des Österreichers Max Franz sowie mit dem
schweren Sturz von Alexander Köll (Schweden) wieder zwei schwere
Verletzungen gegeben“ habe. „So etwas passiert in fast jedem Rennen. Das
ist einfach zu viel“, so könne dies doch nicht weitergehen, monierte der
Südtiroler Waldner mit ernster Stimme. Bei Max Franz brach das Fersenbein
im Schuh ohne Sturzeinwirkung durch einen heftigen Schlag nach einer
Bodenwelle. Im Millisekundenbereich wirken da gewaltige Kräfte, die selbst
bei bestens trainierten Fahrern die Knochen bersten lassen. Tage zuvor
hatte sich Kjetil Jansrud im Training auf der Streif zwei Handknochen
gebrochen.
FIS-Direktor Waldner verweist auf eine neue Studie der Uni Oslo zum Thema
Skimaterial und Sicherheit, die zum Jahresende vorliegen soll.
Verbesserungsbedarf sieht er auch bei den Ski-Bindungen, die starr wie
Schraubstöcke seien und für viele Knieverletzungen sorgen. Er bedauert, das
offenbar aus Kostengründen elektronische Auslösesysteme, die bei Stürzen
einige Verletzungen vermeiden könnten, bis heute nicht zur Marktreife
gebracht wurden.
Um die Knie der Rennfahrer besser zu schützen, arbeitet der Technikexperte
des Deutschen Skiverbandes, Karlheinz Waibel, zudem an einem Knie-Airbag,
der sich bei Gefahr automatisch aufblasen soll. Der Alpindirektor des DSV,
Wolfgang Maier, sagt auf Nachfrage, dass „dieser Sport mit den Belastungen,
die er mit sich bringt, über dem liegt, was der menschliche Körper
aushalten kann“. Und weiter: „In unserer Mannschaft gibt es keinen einzigen
Athleten mehr, der sich nicht die Kreuzbänder gerissen oder den
Schienbeinkopf gebrochen hat, und das ist furchtbar.“ Dies alles frustriere
ihn extrem.
## „Ein Kreuzbandriss ist heute salonfähig geworden.“
Dreßen und Andreas Sander (SG Ennepetal) müssen derzeit wegen
Kreuzbandrissen pausieren, Klaus Brandner (WSV Königssee) der sich 2017 im
Training in Kitzbühel die Patellasehne gerissen hatte, will heute bei der
Abfahrt in Garmisch nach überstandener Reha und einigen Rennen im Europacup
wieder an den Start gehen. Dominik Schwaiger (WSV Königssee) hatte sich
Ende 2017 auf der Eispiste in Bormio bei einem schweren Sturz einen
Beckenriss zugezogen und fand erst in diesem Winter wieder den Anschluss
zur Weltspitze.
Der frisch gebackene Kitzbühel-Super-G-Sieger Josef Ferstl, der 2012 eine
Zahn- und Nasenbeinverletzung sowie 2015 einen Kreuzbandriss erlitt,
spricht sich dennoch für eisige Pisten aus: „Wir müssen schon gefordert
werden.“ Nur sehr weite Sprünge müssten aber entschärft werden, findet er.
DSV-Alpinchef Maier plädiert derweil für eine verbesserte Forschung
angesichts der Verletzungsmisere. Er sagt: „Ein Kreuzbandriss ist heute
salonfähig geworden, und das finde ich ziemlich erschreckend.“
2 Feb 2019
## AUTOREN
Thomas Purschke
## TAGS
Ski Alpin
Ski
Wintersport
Skirennen
Ski Alpin
Skispringen
Ski Alpin
Ski
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gedenken an Gernot Reinstadler: Spektakel mit Restrisiko
Vor 30 Jahren starb ein junger Abfahrer beim Lauberhornrennen von Wengen.
Seither wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv erhöht.
Ski Alpin Chef über Sport trotz Corona: „Sonst gibt's den Sport nicht mehr“
Ski-Alpin-Chef Wolfgang Maier will mit dem Rennen in Sölden beweisen, dass
der Weltcup trotz Corona möglich ist. Es gibt ein strenges Hygienekonzept.
Verletzungen im Skispringen: Im freien Fall
Der Skisprung hat ein Problem. Zuletzt häufen sich schwere Stürze, die Zahl
der Kreuzbandrisse ist alarmierend.
Riesenslalom-Weltcup in Sölden: Kiwi auf Ski
Ziemlich überraschend gewinnt die Neuseeländerin Alice Robinson den ersten
Riesenslalom-Weltcup der Saison. Eine Neuseeländerin?
Die DDR und der alpine Ski: „Wunder vom Fichtelberg“
Bei der Ski-WM fehlt es an ostdeutschen Vertretern. In den 60er Jahren
überraschte noch ein DDR-Meister die Stars aus den Alpenländern.
Trotz Unfall von Skirennfahrer Albrecht: Partystimmung in Kitz
Die Verantwortlichen im Skizirkus drücken sich am Tag nach dem Horrorsturz
von Daniel Albrecht um eine Sicherheitsdebatte. Ein Österreicher gewinnt
den Super-G.
Kolumne Einen Versuch legen: Der weiße Rausch
Heldentum wird in Österreich auf der Abfahrtspiste begründet und nirgendwo
sonst.
Skiabfahrt-Rennen am Hahnenkamm: Giftig wie selten
Während der Schweizer Didier Cuche triumphiert und den Österreichern die
Party verdirbt, befördert der Hahnenkamm den US-Amerikaner Scott Macartney
ins Krankenhaus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.