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# taz.de -- Verletzungen im Skispringen: Im freien Fall
> Der Skisprung hat ein Problem. Zuletzt häufen sich schwere Stürze, die
> Zahl der Kreuzbandrisse ist alarmierend.
Bild: Thomas Aasen Markeng stürzt schwer in Klingenthal
Alexander Stöckl wollte nicht mehr hinsehen. Der norwegische Cheftrainer
dreht sich ab. Im Auslauf der Vogtlandarena in Klingenthal lag Thomas Aasen
Markeng.
Bei 131 Meter war der Junioren-Weltmeister gelandet, dann hat es ihn die
Ski verkantet und das linke Knie verdreht. Minutenlang blieb der 19-jährige
Skispringer liegen. Und auch wenn er einige Zeit später vor dem
Krankenwagen wieder auf eigenen Füßen stand, die Diagnose war
niederschmetternd: Kreuzbandriss.
Diese Verletzung gehört mittlerweile zum Skispringen wie Anfahrtshocke und
Telemark-Landung. Sein Landsmann Anders Fannemel hat sich im Sommer das
Kreuzband ebenso gerissen wie Olympiasieger Andreas Wellinger. Beide werden
diese Saison ebenso fehlen wie Olympiasiegerin Carina Vogt. Ex-Weltmeister
Severin Freund hat es gleich zweimal innerhalb von sechs Monaten erwischt.
Nach einer zusätzlichen Meniskus-Operation im Februar wird der 31-Jährige
in den kommenden Wochen wieder in den Weltcup zurückkehren.
Frisst eine Sportart ihre Kinder? Fast hat es den Anschein. „Im Skispringen
sind viele Gefahren entschärft worden“, sagt Ex-Bundestrainer Werner
Schuster, „aber bei den vielen Kreuzbandrissen zuletzt müssten alle
hellhörig werden.“ Zumindest auf Walter Hofer trifft dies zu.
## Verschiedene Lösungsansätze
Der Skisprung-Renndirektor des Internationalen Skiverbandes Fis nahm vor
der Saison eine Teilschuld auf sich: „Seit wir die genormten Keramikspuren
haben, taugen die Ski nicht mehr zum Skifahren, sie haben sich zu
aerodynamischen Hilfsmitteln entwickelt.“ Sind die Ski steifer, erhöht sich
die Stabilität in der Luft. Für die Landung benötigt man jedoch eine
gewisse Flexibilität. Die gesunde Balance ist verloren gegangen, jetzt ist
wieder ein verträglicher Kompromiss vonnöten.
Martin Schmitt hat eine ganz andere Ursache für die vermehrten Verletzungen
ausgemacht. „Das Schuh-Bindungs-System ist ein großes Thema“, sagt der
viermalige Weltmeister, „in dieses System einzugreifen hat die Fis ein
Stück weit übersehen.“ Um eine möglichst große Tragfläche in der Luft zu
haben, sind die Schuhe und auch die Bindung über die gebogenen Stäbe so
ausgelegt, dass das Knie bei der Landung nach innen zeigt. Die kleinste
Unebenheit auf dem Aufsprunghügel führt dann dazu, dass der Ski verkantet.
Der ehemalige Bundestrainer Werner Schuster hat in einem Thesenpapier für
den Deutschen Skiverband (DSV) die Gründe für die vermehrten
Knieverletzungen festgehalten. Diese Erkenntnisse sollen in den kommenden
Wochen mit Fis-Vertretern diskutiert werden, um danach die nötigen Schlüsse
zu ziehen. Eine seiner Forderungen lautet mehr Professionalität beim
Oberkampfrichter. „Man muss die Balance finden zwischen Sicherheit und
Risiko. Dazu braucht es Profis in der Wettkampfführung, wie wir sie in
anderen Funktionen auch haben“, sagt der Coach, „wir haben viele
Wettkampfleiter, die das ein- oder zweimal im Jahr machen – da gibt es
bessere und schlechtere, vorsichtigere oder risikofreudigere.“
Durch eine Regeländerung hat sich der Weltverband Fis versucht aus der
Verantwortung zu nehmen. Falls ein Trainer etwa wegen zu viel Aufwind Angst
um die Gesundheit eines seiner Springer haben sollte, kann er den Anlauf
verkürzen. Wenn der Athlet dann weiter als 95 Prozent der Hillsize-Weite
fliegt, werden ihm Punkte gutgeschrieben. Wenn nicht? Pech gehabt.
Obwohl die Gefahr erkannt ist, schnell beheben wird sie sicher nicht. „Man
muss an allen Stellschrauben nachjustieren“, sagt Horst Hüttel. Dem
Teammanager für den Bereich Skisprung und Nordische Kombination ist dabei
klar, dass die Lösungen nicht auf dem Silbertablett präsentiert werden.
Denn zu viele Parteien spielen mittlerweile in diesen Bereich hinein. Etwa
die Trainer und Sportler, die am Material tüfteln, aber auch die
Hersteller, die dieses liefern.Wahrscheinlich wird sich noch bei so manchem
Springer oder Springerin das Kreuzband reißen. So wie bei Thomas Aasen
Markeng am Sonntag.
16 Dec 2019
## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
## TAGS
Skispringen
Kreuzbandriss
Verletzung
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Vierschanzentournee
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Ski Alpin
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Severin Freund
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